Luftschutzmaßnahmen in Würzburg 1945
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Luftschutzmaßnahmen wurde in Würzburg bereits vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zu einem wichtigen Thema. Während der Luftschutz anfangs in erster Linie organisatorische Maßnahmen umfasste, gewannen in den 1940er Jahren nach den ersten Luftangriffen vor allem bauliche und technische Vorkehrungen an Bedeutung. In Summe war Würzburg im Vergleich zu anderen Großstädten im Hinblick auf den Luftschutz jedoch sehr einfach ausgestattet.
Organisatorische Luftschutzmaßnahmen
Bereits unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten fanden Mitte der 1930er Jahre erste Luft- und Gasschutzübungen sowohl für die Bevölkerung, als auch für die Freiwillige Feuerwehren statt. Großangelegte Luftschutzübungen fanden beispielsweise am 17. Oktober 1934 auf dem Marktplatz und am 17. November 1934 an einem Gebäudekomplex in der Langgasse statt. Ähnliche Übungen folgten bald darauf auch in allen anderen Stadtteilen. [1] [2] Ebenfalls 1934 wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, Dachböden von Brandlasten zu entrümpeln und geeignete Löschmittel (z.B. Löschsand in Eimern und Säcken) bereitzustellen. In einigen Fällen wurden Dachböden mit einer dicken Sandschicht (ca. 10-20 cm) versehen, um Stabbrandbomben vor dem Aufprall abzubremsen. So sollte ein Auslösen der Stabbrandbombe verhindert werden.
Die gesetzliche Grundlage für den Luftschutz erließ die Reichsregierung am 26. Juni 1935 in Form des Deutschen Luftschutzgesetzes. Das Luftschutzgesetz regelte einerseits die Verantwortlichkeiten und Kostenerstattung (Luftschutzgesetz §1), andererseits enthielt es Luftschutzpflichten, die von den Bürgern zwingend befolgt werden mussten. In Ausnahmefällen führte der Luftschutz bis hin zu Enteignungen (Luftschutzgesetz §4). Dem Luftschutzgesetz folgten verschiedene Durchführungsbestimmungen. Das Luftschutzgesetz wurde wiederum am 8. September 1939 und am 31. August 1943 fortgeschrieben. Verantwortlich für den Luftschutz war das Deutsche Reich in Form des Reichsministers der Luftfahrt, der die Durchführung wiederum unter anderem den Polizeidienststellen übertrug. In Würzburg war der Luftschutz somit die Aufgabe des örtlichen Polizeipräsidenten (örtlicher Luftschutzleiter), der sich wiederum städtische Einrichtungen wie z.B. Feuerwehr zur Hilfe nahm. Am 1. April 1936 wurde in Würzburg außerdem die Dienststelle „Luftschutz (technischer Teil) und Arbeiten des Fachführers der Stadtverwaltung bei der örtlichen Luftschutzleitung“ eingerichtet. Hauptaufgabe dieser Dienststelle stellte der bauliche Luftschutz für das Würzburger Rathaus und für sonstige Amtsgebäude, die technische Organisation des Luftschutzes für alle städtischen Amtsgebäude, der Aufbau des erweiterten Selbstschutzes in den städtischen und stiftischen Gebäuden, die Bauberatung für alle städtischen Dienststellen in Luftschutzfragen sowie die Bauberatung in Baupolizeisachen für den Reichsluftschutzbund dar. [3]
Verkauf von Sandsäcken für Löschzwecke durch das Kaufhaus Seisser (1943)
Bauliche Luftschutzmaßnahmen
Luftschutzzeichen und -markierungen
In einem Erlass des Reichsministeriums der Luftfahrt und des Oberbefehlshabers der Luftwaffe wurde im Rahmen des §7 der ersten Luftschutzverordnung zum Luftschutzgesetz in der Fassung vom 31. August 1943 folgende Regelung für die Kennzeichnung der Luftschutzräume getroffen: betreffende Kennzeichnung der Luftschutzräume und Entfernung von Kellerfenstergittern wird den Eigentümern von Gebäuden als zusätzliche Maßnahme zu den angeordneten Lageplänen die Kennzeichnung der Lage der Luftschutzräume an den Außenwänden der Häuser aufgegeben, soweit diese Kennzeichnung im Luftschutzort noch nicht durchgeführt ist. Die Durchführung dieser Maßnahmen ist erforderlich, um den Bergungskräften die Möglichkeit zu geben, bei eingestürzten Häusern die Luftschutzräume schnell feststellen zu können. [...][4]
Die Luftschutzzeichen waren zwar reichsweit einheitlich geregelt, allerdings geht aus der Literatur und aus Bildern hervor, dass es durchaus regionale Unterschiede in der Ausführung gab. In Würzburg fielen die Luftschutzzeichen im Vergleich zu anderen deutschen Städten vergleichsweise dezent aus, wie zahlreiche historische Aufnahmen belegen. Die Lage der Zugänge für Luftschutzräume und Schutzräume, Mauerdurchbrüche sowie Notausstiege waren auf den Hauswänden mit - teils auch fluoreszierenden - weißen Buchstaben und Pfeilen gekennzeichnet. Unter anderem folgende Luftschutzzeichen/Luftschutzmarkierungen gab es:
- KS = hier kein Schutzraum!
- NA = Notausstieg (oft in Kombination mit Pfeilen)
- MD = Mauerdurchbruch (zu einem benachbarten Keller)
- SR = Schutzraum
- Rg = Rückgebäude (zum Beispiel Gebäude in zweiter Reihe)
In der Altstadt wiesen darüber hinaus zahlreiche Schilder auf die Luftschutzräume (LS-Räume) und deren Kapazitäten hin.
Beleuchteter Hinweispfeil an der Kurie Heideck. Der nächstgelegene Luftschutzraum befand sich in der Domerschulstraße 2.
Auch heute noch sind vereinzelt alte Luftschutzzeichen an Gebäuden zu finden, beispielsweise an der Jägerstraße 5, am Friedrich-Ebert-Ring 17 oder an der Huttenstraße 2. Ehemalige Schutzräume erkennt man auch oft an den massiven Stahlklappen vor den Kellerfenstern (splittersichere Raumabschlüsse).
Hoch- und Tiefbunker
Da Würzburg offiziell als Lazarettstadt anerkannt war und somit als nicht besonders luftgefährdet galt, wurden keine massiven Luftschutzbauten wie beispielsweise in Schweinfurt oder anderen Industriestädten geschaffen. Es gab somit keine Hochbunker, Tiefbunker oder gar Flakbunker im Stadtgebiet. Eine Ausnahme bildete ein Hochbunker aus massivem Beton am Letzten Hieb für das Personal der Luftschutz-Befehlsstelle und Kommandozentrale. Auch am Gestapo-Notgefängnis Friesstraße waren zwei kleinere Bunker. Kleinere Tiefbunker befanden sich im Bereich der Kirchbühlstraße im Frauenland sowie unter dem Neumannplatz (Platz an der heutigen Ernst-Reuter-Straße) in Grombühl. Am Bahnbetriebswerk gegenüber des Hauptbahnhofs steht ein besonders geschützten Beobachtungsturm.
Luftschutzkeller und -stollen, Schutzräume, Splittergräben
Man beschränkte sich in Würzburg Ende der 1930er und Anfang der 1940er Jahre vielmehr auf den Bau und Ausbau von Luftschutzkellern und Schutzräumen in Amtsgebäuden und Privathäusern sowie auf den Ausbau von Stollen sowie von Bier- und Felsenkellern.
Unter folgenden Plätzen/Orten befanden sich öffentliche Luftschutzkeller (hier lediglich eine Auswahl): [5] [6]
- Marktplatz
- Sternplatz
- Neumannplatz (Platz an der heutigen Ernst-Reuter-Straße)
- Platz'scher Garten (zwei Luftschutzkeller/Brauereikeller, unter anderem der Gäbhards-Keller)
- Kriegerdenkmal im Husarenwäldchen (unter dem Hügel hinter dem Denkmal, der Zugang befand sich möglicherweise in der Husarenstraße. Ein Notausgang nach oben ist gegenwärtig noch vorhanden, die Öffnung aber mit einem Gitter zugeschweißt) [7]
- Karmelitenkloster Maria Magdalena (Reuererkloster) [8]
- Hauptfriedhof, dort wiederum an der Siligmüllerstraße
- Friedenstraße
- Unter dem Hofgartenwall (Zugang vom Hofgarten und vom Rennweg)
- Unter dem Zeller Torhaus
Bunkereingang des öffentlichen Luftschutzkellers Neumannplatz in Grombühl 1956 (Platz an der heutigen Ernst-Reuter-Straße)
Bier- und Felsenkeller sowie Stollen als Luftschutzkeller (Auswahl): [5] [9] [6] [10]
- Felsenkelleranlagen im Schlossberg (Tellsteige)
- Beer'scher Felsenkeller (Leistenstraße)
- Luftschutzkeller An der Jahnhöhe (Jahnhöhe-Luftschutzkeller) Heidingsfeld (es gab dort insgesamt drei Bierkeller)
- Gäbhardskeller unter dem Platz'schen Garten [11]
- Hutten'scher Felsenkeller (Randersackerer Straße)
- Stollen hinter der Spitalgasse 8
- Stollen im Nikolausberg hinter der Köster-Klinik für ca. 1.000 Personen (Mergentheimer Straße, auf Höhe der Löwenbrücke) [12]
- Stollen in der Füchsleinstraße hinter der Nervenklink für ca. 2.500 Personen [12]
- Stollen hinter dem Vinzentinum für ca. 2.500 Personen [12]
- Stollen an der Veitshöchheimer Straße im Steinberg [12]
Ein Splittergraben, auch Deckungsgraben (im Sinne der Luftschutz-Bauvorschriften) oder Splitterschutzgraben genannt, ist ein einfaches Luftschutzbauwerk, das Schutz vor Trümmern, Splittern und Gaseinwirkung bieten sollte. In Würzburg gab es folgende Splitterschutzgräben (Auswahl):
- im Ringpark [6]
- in der Hindenburg-Siedlung, dort zwischen Bodelschwinghstraße und Bauriedlstraße (heute Gartenstadt Keesburg) [13]
- am Äußeren Neubergweg, dort wo die steile Treppe vom Alandsgrund über die Schrebergärten mündet. [13]
Mauerdurchbrüche, Leitwege
Da die Würzburger Altstadt sehr eng bebaut war, wurden zum Main hin als Luftschutzmaßnahmen mehrere Durchbrüche, sogenannte Brandgassendurchbrüche, geschaffen. Ein Mauerdurchbruch erfolgte neben dem Holztor durch Abriss der Stallung des Gasthauses Zum Matrosen, ein zweiter Durchbruch wurde durch den Abriss eines kleinen Hauses neben dem Hotel Schwan in der Büttnergasse erzielt. [5] Einen dritten Durchbruch gab es möglicherweise nördlich des Mühltores.
Die Fluchtwege aus der engbebauten Innenstadt, beispielsweise an den Main oder in den Ringpark, wurden auch als Leitwege bezeichnet. Die Wege waren mit großen aufgemalten Pfeilen gekennzeichnet. In der Regel wurde dafür fluoreszierende Farbe verwendet.
Löschwasserversorgung
Das Feuerlöschwesen wurde den Erfordernissen des Luftschutzes entsprechend organisiert; dazu zählte z.B. die dezentrale Unterbringung der Fahrzeuge und der Mannschaften in verschiedenen Stadtteilen und die Anschaffung moderner Geräte. Zur Verbesserung der Löschwasserversorgung in den gefährdeten Stadtbereichen wurden Löschwasserbehälter angelegt, z.B. unter dem Residenzplatz (insgesamt 1.200 m³, unterirdisch), am Wagnerplatz und am Platz vor der Gehörlosenschule (jeweils oberirdisch). Ebenso wurden u.a. in den Glacis-Anlagen gegenüber der Augenklinik, beim Zeller Tor, vor dem Luitpoldkrankenhaus und auf dem Paradeplatz, Marktplatz (Unterer und Oberer Markt), in der Neutorstraße sowie Dominikanerplatz offene Löschwasserbehälter errichtet. Auf den von der RAF gefertigten Luftbildern waren auch die Löschteiche vor der Stephanskirche (heutiger Wilhelm-Schwinn-Platz), in der Valentin-Becker-Straße (Ecke Kliebertstraße), der Sedanstraße und in der Weißenburgstraße erkennbar. [6] Ihre Bewährung haben diese zum Teil auch verkehrshindernden Löschwasserbecken am 16. März 1945 bestanden, zwar nicht im Sinne ihrer eigentlichen Bestimmung zum Löschen von Bränden, sondern als Oasen im Feuersturm, zu denen sich die gejagten Menschen flüchteten, um Haut und Kleidung zu kühlen oder Decken und Mäntel voll Wasser saugen zu lassen und damit den Weg ins Freie zu erkämpfen. [6]
Scheinstraßen Residenzplatz
1944 legten die Nationalsozialisten auf dem Residenzplatz falsche, mit Holzgeländer versehene „Straßen“ zum Schein an. Ziel war es, die Luftaufnahmen von Aufklärungsflugzeugen der Alliierten zu täuschen. [14]
Psychologische Luftschutzmaßnahmen
Bereits 1935 wurden auf dem Barbarossaplatz und dem Paradeplatz durch den Reichsluftschutzbund silbergrau gestrichene Fliegerbomben aus Blech auf einem Sockel aufgestellt. Sie trugen die Inschrift „Luftschutz tut not“ und sollten die Bevölkerung für das Thema Luftschutz sensibilisieren. In den 1930er und 1940er Jahren wurde außerdem mit Würzburger Poststempeln für den Reichsluftschutzbund geworben: „Luftschutz ist nationale Pflicht. Werdet Mitglied im Reichsluftschutzbund.“ war auf den Stempeln zu lesen.
Siehe auch
- Würzburg im Zweiten Weltkrieg
- Würzburg in der Zeit des NS-Regimes
- Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945
- Kriegsspuren und Kriegsruinen des Zweiten Weltkriegs
- In Zeiten des Kalten Krieges: Zivilschutzanlagen
Literatur
- Heinrich Dunkhase: Würzburg, 16. März 1945, 21.25 Uhr – 21.42 Uhr. Hintergründe, Verlauf und Folgen des Luftangriffs der No. 5 Bomber Group. in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 32, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte, Würzburg 1980
- Max Domarus: Der Untergang des alten Würzburg im Luftkrieg gegen die deutschen Großstädte. Siebente erweiterte Auflage, Verlag Franz Teutsch, Gerolzhofen 1995 (1. Auflage 1982). S. 31 ff.
Weblinks
- Luftschutzgesetze, Durchführungsbestimmungen und weitere Bestimmungen von 1935 bis 1944
- Schutzraumbestimmungen vom 4. Mai 1937
Einzelnachweise
- ↑ 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Würzburg. Festschrift zur 100-Jahr-Feier vom 2. mit 4. August 1958. Würzburg 1958, S. 55
- ↑ Löschzug 3 Sanderau (Hrsg.): Chronik. Würzburg, Eigenverlag, 2000.
- ↑ XXX. Verwaltungsbericht der Stadt Würzburg, S. 111
- ↑ Luftschutzgesetz in der Fassung vom 31. August 1943, Erste Durchführungsverordnung, Az. 2a 15.28 Nr. 10 225/44 L. in 13 L II Da/2 I B vom 15.3.1944
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Heinrich Dunkhase: Würzburg, 16. März 1945, 21.25 Uhr - 21.42 Uhr. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 32, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. (Hrsg.), Würzburg 1980, S. 4
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 Max Domarus: Der Untergang des alten Würzburg im Luftkrieg gegen die deutschen Großstädte. Siebente erweiterte Auflage, Verlag Franz Teutsch, Gerolzhofen 1995 (1. Auflage 1982). S. 31 ff.
- ↑ Hans Oppelt (Hrsg. im Auftrag des Stadtrates Würzburg): Würzburger Chronik 1945. Schöningh, Würzburg 1947. S. 21
- ↑ Der Luftschutzraum befand sich in der Krypta unter der Kirche und bot ca. 500 Personen Platz.
- ↑ Ratsprotokoll Nr. 402, Ratssitzung am 22. Dezember 1944 (im Stadtarchiv Würzburg)
- ↑ Einige der Stollen wurden bis 1945 nicht vollständig fertiggestellt (Grund: Kriegsbedingter Mangel an Bohrgeräten und Arbeitern)
- ↑ Main-Post: „Baustelle über dem Luftschutzkeller“ (29. September 2014)
- ↑ 12,0 12,1 12,2 12,3 genaue Lage und Zustand/Verbleib des Stollens bisher noch ungeklärt
- ↑ 13,0 13,1 Erwin Schmollinger: Geschichte und Chronik der Keesburg und ihrer Umgebung. Würzburg, 2013, S. 126/127
- ↑ In dieser Aufnahme zeigt sich, dass die Täuschung aus der Luft betrachtet nur bedingt erfolgreich war.