Kloster Oberzell
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Das Kloster Oberzell wurde 1126 von Norbert von Xanten gegründet. Im 19. Jahrhundert entstand auf dem Areal des säkularisierten Klosters die Druckmaschinenfabrik Koenig & Bauer. Heute befindet sich hier das Mutterhaus der Oberzeller Franziskanerinnen (Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu). Teile des Geländes stehen der Montessori-Schule zur Verfügung.
Lage
Das Kloster liegt auf Gebiet der Gemeinde Zell a. Main, an der Grenze zum Würzburger Stadtbezirk Zellerau.
Geschichte
Gründung
Die Gründung des Prämonstratenserklosters Oberzell erfolgte durch den Heiligen Norbert von Xanten (Erzbischof von Magdeburg von 1126 bis 1134) im Jahr 1126 und wurde dem Hl. Michael geweiht. Der Legende nach hatte Norbert von Xanten eine Ostermesse im Würzburger Dom zelebriert, als eine anwesende blinde Frau wieder sehend wurde. Daraufhin stiftete ein wohlhabendes Würzburger Brüderpaar mit Namen Johannes und Heinrich Hof und Weinberge, um im Tausch mit Bischof Embricho ein Areal in Zell zur Gründung des Klosters zur Verfügung zu stellen. Johannes selbst war Domherr in Würzburg und wurde der erste Propst des Klosters. 1128 erfolgte die Bestätigung des Klosters durch Bischof Embricho. Ab 1141 forderte die Ordensregel eine Trennung des bisherigen gemeinsamen Männer- wie Frauenklosters. Eine explizite Nennung des eigenen Frauenklosters Unterzell ist jedoch erst für das Jahr 1218 belegt. Zwischen 1159 und 1351 war das Kloster Tückelhausen bei Ochsenfurt der Abtei unterstellt.
Klosterleben der Prämonstratenser
Hauptaufgaben des Prämonstratenserordens waren Seelsorge und Mission. Sie versorgten bald mehrere Pfarreien im umliegenden Gebiet: Zell a. Main, Hettstadt, Gaukönigshofen, Acholshausen, Wolkshausen und Gerlachsheim. Das Kloster mehrte rasch sein Ansehen und seine Besitzungen. Bereits der fünfte Vorsteher von Zell, Berthold von der Kere, führte in der Mitte des 12. Jahrhunderts den Abtstitel, was für die Bedeutung des Klosters spricht. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts wurde jedoch die Konkurrenz der neuen Bettelorden [1] spürbar, welche in der Bevölkerung damals höher angesehen waren. Zudem musste das Kloster über Jahrhunderte Rückschläge durch kriegerische Auseinandersetzungen und Plünderungen (Bauernkrieg, Dreißigjähriger Krieg) hinnehmen. Dabei war die Bibliothek ebenso verloren gegangen wie der Kirchenschatz. In der Zeit der Reformation erlebte das Kloster einen Niedergang und hatte damals weniger als zehn Mitglieder.
Mit Abt Leonhard Frank begann in den Jahren von 1614 bis 1648 der Aufschwung der Abtei; zudem durfte er als erster Abt die Pontifikalien (Ring, Stab und Mitra) tragen. Seine Blütezeit erlebte das Kloster zwischen 1747 und 1785 und hatte bis zu 57 Patres.
Äbte
Liste der Äbte nach Flachenecker/Weiß 2006 [2]:
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Die Äbte von Hetzer bis Loschert (39.-43.) haben an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg promoviert. [3]
Säkularisation
1796 diente das Kloster nach der Schlacht von Würzburg als Lazarett, 1801 erfolgten Truppeneinquartierungen. Nach dem Frieden von Lunéville wurde das Kloster am 4. Dezember 1802 säkularisiert. 1803 musste der Konvent die Gebäude verlassen, welche im Anschluss mit allen Besitzungen unter Wert veräußert wurden. Die Abtei ging zunächst an Gottfried Gmelin aus Nürnberg, war später Eigentum des Juliusspitals.
1817 erwarben Friedrich Koenig und Andreas Friedrich Bauer das Anwesen zur Errichtung einer Schnellpressenfabrik, dem Grundstock der renommierten Firma Koenig & Bauer. Bis 1901 erfolgte die Produktion in den Baulichkeiten des Klosters Oberzell, dann siedelte die Firma auf ein größeres Gelände in der Dürrbachau über.
Wiederaufnahme des Klosterlebens durch die Franziskanerinnen
Zum Pfingstfest 1855 eröffnete die Würzburgerin Antonia Werr eine „Anstalt zur Besserung verwahrloster Personen, insbesondere entlassener Sträflinge des weiblichen Geschlechts“ im sogenannten „Schlösschen“. Im selben Jahr erwarb sie das Gasthaus „Zu den zwei Greifen“ oberhalb des Klosters, welches heute das „Antoniushaus“ ist. Nach vielen Schwierigkeiten erhielt ihr Jungfrauenverein der heiligen Kindheit Jesu im Jahre 1888 die kirchliche Anerkennung.
Nachdem die Firma Koenig & Bauer den Klostertrakt geräumt und auf die gegenüberliegende Mainseite in ein neues Fabrikgebäude umgezogen war, erwarb die Schwesterngemeinschaft am 2. Juli 1901 die ehemalige Abtei und Kirche. Mit Übernahme des alten Abteigeländes machten sich die Schwestern an den Wiederaufbau der Abtei, um die alten Gemäuer wieder ihrem ursprünglichen Zweck zuzuführen: Im barocken Konventbau – später Mutterhaus – richteten die Schwestern zunächst ein Pensionat („Norbertusheim“) für betuchte Bürger ein; zugleich zog die Haushaltungsschule ein, die die Schwestern von 1893 bis 1992 unterhielten. Bis heute dient das Anwesen als Mutterhaus dieser Gemeinschaft, die auch unter dem Namen Oberzeller Franziskanerinnen bekannt ist.
Klostergebäude
Historische Klostergebäude
Im Jahre 1744 fanden zwischen Abt Georg Fasel (1738-1748) und seinem Architekten P. Sebald Appelmann (um 1685-1748) Gespräche mit Balthasar Neumann (1687-1748) für die Vorbereitung eines Neubaus der Abtei statt, veranlasst durch das stetige Anwachsen des Konvents, aber auch durch ihr gesteigertes Selbstbewusstsein. Der Neubau selbst geht auf Planungen von P. Sebald zurück. Erst Anfang des 21. Jahrhunderts wurden bei Arbeiten im Kloster Quellen gefunden, die ihn als „exstructor“, also Erbauer der Abtei, bezeichnen.
1746 begann man südlich mit dem Bau der Abtswohnungen und Gästezimmer. Als P. Sebald 1748 starb, war erst der Südflügel unter Dach gekommen. Bis zu den Mittelrisaliten plante P. Sebald auf einem freien Grundstück und unterkellerte daher den Südflügel vollständig. Die Arbeiten dafür dürften deshalb die aufwendigsten am gesamten Klosterbau gewesen sein. Es ist daher davon auszugehen, dass jeweils am südöstlichen wie auch südwestlichen Eckpavillon bereits Anschlüsse für die weiteren Flügel bis zum Tod Appelmanns von dem 23. August 1748 angelegt und somit auch die Vorgaben für die Architektur der jeweils noch zu bauenden Flügel gemacht waren. Es kann daher angenommen werden, dass Appelmann bei seinem Tod detailliert ausgearbeitete Pläne für den Klosterbau hinterließ, die einen reibungslosen Weiterbau ermöglichten. Eine Neuanstellung eines Architekten war daher nicht mehr nötig, das Kloster konnte so selbst die Bauaufsicht übernehmen. Die Bautätigkeiten wurden unter Abt Oswald Loschert (1747-1785) fortgeführt. Danach wurde der Ostflügel mit den Zellen der Chorherren (Konventbau) errichtet, der 1753 fertiggestellt war. Der Mittelbau wurde in den Folgejahren über den alten Mauern errichtet. Der Bau der Hälfte des Westflügels mit dem Treppenhauspavillon erfolgte bis zum Ende der 1750er Jahre. Mit der Stuckierung des Treppenhauses mit seiner doppelläufigen Treppe, die 1760 ihren Abschluss fand, wurden Antonio Giuseppe Bossi und seine Werkstatt beauftragt. Die ursprünglich geplante Vierflügelanlage, die zwei Höfe umschließen sollte, wurde nie vollendet.
Klosterkirche St. Michael
Die Klosterkirche St. Michael ist das geistige Zentrum des Klosters der Oberzeller Franziskanerinnen.
Bildergalerie
Historische Klostergebäude
Fresko des Klosterbaus im Treppenhaus des Westflügels, restauriert 1902 von Eulogius Böhler
Historische Abbildungen
Siehe auch
- Haus St. Klara (Oberzell)
- Heiligenfiguren (Oberzell)
- Klostermühle (Oberzell)
- Oberzell
- Prämonstratenser
- Gemeinschaft der Dienerinnen der hl. Kindheit Jesu zu Oberzell
- St. Michael (Oberzell)
Quellen und Literatur
- Jürgen Emmert: Sebald Appelmann (1684-1748) - Chorherr und Architekt von Kloster Oberzell. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 74. Band, Würzburg 2012, S. 543 ff.
- Kloster Oberzell. 4. Auflage, Verlag Schnell & Steiner GmbH, Regensburg 2010, ISBN: 978-3-7954-4361-0
- Helmut Flachenecker / Wolfgang Weiß (Hrsg.): Oberzell. Vom Prämonstratenserstift (bis 1803) zum Mutterhaus der Kongregation der Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, Bd. LXII), Würzburg 2006.
- Maria-Luise Feldhaus: Zur Geschichte des Klosters Oberzell. In: 175 Jahre Koenig & Bauer. Die Anfänge einer Weltfirma im Kloster Oberzell. Publikation zu einer Ausstellung des Stadtarchivs Würzburg 1992. (Stadtbücherei Würzburg Dhm Koe)
- Die Prämonstratenserabtei Oberzell. In: Georg Link: Klosterbuch der Diöcese Würzburg., Würzburg, 1876
Weblinks
Erläuterungen
- ↑ Dominikaner, Franziskaner, Karmeliten und Augustiner-Eremiten
- ↑ Helmut Flachenecker / Wolfgang Weiß (Hrsg.): Oberzell. Vom Prämonstratenserstift (bis 1803) zum Mutterhaus der Kongregation der Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, Bd. LXII), Würzburg 2006, S. 522-530
- ↑ Ludwig K. Walter, Der Lehrkörper der Theologischen Fakultät Würzburg, III. Teil 1, Die Graduierten der Theologischen Fakultät in Würzburg, S. 30