Geschichte der jüdischen Gemeinde Gaukönigshofen

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Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Gaukönigshofen geht bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück.

Die Entstehung der jüdischen Gemeinde im 16. Jahrhundert bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts

Während des Heiligen Römischen Reiches [1] war der Kaiser der sogenannte „Schutzherr“ der Juden, d.h. er gewährte ihnen gegen Zahlung das Recht, sich z.B. in den Reichsstädten niederzulassen. Ebenso erlaubte er aber gegen Zahlung entsprechender Gebühren die Ausweisung der Juden, was sich viele Städte und Fürstentümer zu Nutze machten, um die wirtschaftliche Konkurrenz der Juden auszuschalten. So zogen die Juden aufs Land, wo meist nicht so wohlhabende Landadelige (wie früher der Kaiser) den Juden sogenannte „Schutzbriefe“ ausstellten, d.h. sie gegen Geld in ihren Besitzungen wohnen ließen.
So ließen sich auf einem solchen adeligen „Freihof“, einem abgeschlossenen Wohnbereich innerhalb des Ortes (dieser war nicht wie das übrige Dorf dem Würzburger Bischof verpflichtet), in Gaukönigshofen um 1550 wohl die ersten Juden nieder. Erstmals erwähnt wird der Jude „Samuel aus Gew Könighouen“ 1555 in einem Gerichtsbuch der Stadt Ochsenfurt. Die meisten Juden des Dorfes lebten bis um 1800 im durch eine Mauer abgeschlossenen Bereich des Freihofes, so dass man hier durchaus von Ghetto sprechen kann.
Erst die großen Verluste des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) führten dazu, dass auch der Fürstbischof Juden erlaubte, sich auf den Dörfern (nicht in seiner Residenzstadt Würzburg) niederzulassen, um die vielen leerstehenden Gehöfte wieder mit (steuerzahlenden) Bewohnern zu besiedeln. So wurde beim Hochgerichtstag des Jahres 1636 der erste Jude (außerhalb des Freihofes) im Dorf als Bürger aufgenommen. Das bedeutete für jenen „Moises Jud und seine Hausfrau“ jedoch nicht auch gleiche Rechte wie für die Nichtjuden. So kam es um 1770 z.B. zu einem Streit um die Brunnen: die Juden durften nur den Brunnen im Freihof benutzen, was zu Handgreiflichkeiten führte, als dieser zeitweise nicht genügend Wasser führte und die Juden daher versuchten, Wasser von außen zu holen.

Wirtschaftliche Verhältnisse

Mit dem Schutzbrief erhielten die Juden die Erlaubnis zum Handel, während ihnen Handwerk und Landwirtschaft verboten waren. Daher konnten sie sich nur durch Hausieren zu ernähren versuchen oder den Viehhandel und Kreditgeschäfte betreiben (den Christen war das Zinsnehmen durch die Kirche verboten).
Da nicht nur die Juden hausieren gingen, sondern auch viele verarmte Nichtjuden so ihr Brot verdienen wollten, kam es zu großer Konkurrenz. So beschwerte sich z.B. der Gaukönigshofener Pfarrer 1768 darüber, dass die Juden jeden Sonntag (der für sie normaler Arbeitstag war) nutzen, um Geschäfte zu betreiben. Dies konnten die christlichen Händler natürlich nicht tun. Die Bauern nutzten offenbar aber gerne die Gelegenheit, ihre Einkäufe am arbeitsfreien Tag zu erledigen. Durch Hausierer wurde die ländliche Bevölkerung in jener Zeit mit den Gütern versorgt, die sie nicht selbst herstellten, da der Gang in die Stadt ein besonders und äußerst seltenes Ereignis war.
Die Beschränkung auf den Handel führte dazu, dass die meisten Juden in Gaukönigshofen in recht ärmlichen Verhältnissen lebten: Um 1790 wohnten mindestens 13 Familien innerhalb des Freihofes, d.h. auf engstem Raum in kleinen einstöckigen Häusern, wie sie auf dem ehemaligen Freihofgelände im Ansatz heute noch zu erkennen sind. Dass Juden aufgrund ihrer Religion verpflichtet waren, umherziehende Betteljuden für einige Nächte zu beherbergen und zu verköstigen, belastete die kleine jüdische Gemeinde zusätzlich.
Einige, wie z.B. der Jude Aaron um 1655, handelten „zu Zeiten auch mit einem Stückchen Vieh“, wozu jedoch mehr Kapital notwendig war. Dies aber hatten nur wenige Juden im Dorf. Der Viehhandel war von lebenswichtiger Bedeutung für die Landwirtschaft, weil das Vieh für den Ackerbau als Zugtier gebraucht wurde. In den kriegerischen Zeiten am Ende des 18. Jahrhunderts gab es daneben eine großen Bedarf an Reitpferden und Schlachtvieh, wodurch der Viehhandel noch wichtiger wurde und mit ihm manche Familien wirtschaftlich aufstiegen.
Die Juden war für die Bauern gleichzeitig die einzige Quelle, um Geld zu leihen, z.B. eben für die Anschaffung eines Zugochsens. Der schon genannte Aaron beispielsweise hatte 1655 „über 10 Gulden an einnehmenden Schulden mit unter den Leuten stehen“, d.h. verschiedene Bürger schuldeten Aaron über 10 Gulden. Verschuldete sich nun ein Bauer zu hoch, so war es der jüdische Gläubiger, der letztlich den Hof versteigern ließ. Diese Tatsache trug viel dazu bei, den Juden bei den Bauern das Image des Ausbeuters zu geben.
Da den Juden nur Fleisch von geschächteten Tieren zu essen erlaubt war (und auch noch ist), gab es im Freihof auch einen jüdischen Metzger. Nach einem Streit im Jahr 1688 wurde es ihm verboten, sein Fleisch auch an Nichtjuden zu verkaufen, da dies das Geschäft der christlichen Dorfmetzger einschränkte.

Religiöse Verhältnisse

In ihrem kultischen Leben sind die Juden ebenfalls auf den Freihof beschränkt: nach 1768 führten Prozessionen, die die Juden den Gebräuchen entsprechend mit neuen Zehn-Gebote-Tafeln abhalten wollten, mehrere Male zu Auseinandersetzungen mit dem Dorfpfarrer. Auf dem Freihofareal befand sich auch die Synagoge der jüdischen Gemeinde, die 1768 erstmals erwähnt ist. Als die Gemeinde weiter anwuchs, wurde die Synagoge 1790 gegen den heftigen Widerstand des Pfarrers erweitert.
Während des 18. Jahrhunderts lebte in Gaukönigshofen ein Rabbiner, der vermutlich auch jüdische Gemeinden in der näheren Umgebung betreut hat. Ob die Gemeinde auch einen für den Synagogendienst zuständigen Vorsänger beschäftigte, lässt sich nicht rekonstruieren.

Die Gleichstellung der Juden im 19. Jahrhundert

Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass die Lebensumstände für die Juden verbessert werden mussten. Die Regierung ging davon aus, dass die Juden „zu nützlichen Staatsbürgern herangebildet“ werden müssen und verabschiedete am 10. Juni 1813 ein Gesetz („Judenedikt“ [2]), das die Juden davon befreite, einen Schutzbrief haben zu müssen. Gleichzeitig aber schrieb es die Zahl der Juden an einem Ort auf dem Iststand fest, der in einem sogenannten „Judenmatrikel“ festgehalten wurde. Nur wer einen „Matrikelplatz“ hatte, durfte eine Familie gründen. Dies zwang viele Söhne und Töchter, auch Gaukönigshofener Juden, die Heimat zu verlassen, um sich entweder an anderen Orten oder im Ausland (v.a. Amerika) niederzulassen. Bei gleichbleibender Einwohnerzahl (550) verringerte sich so die Zahl der jüdischen Bürger Gaukönighofens von 117 (21% der Dorfbevölkerung) im Jahr 1834 auf 89 (16%) im Jahr 1867. Als sich die Gaukönigshofener Juden am 27. Mai 1817 beim Landgericht in Aub einzufinden hatten, um sich in die Matrikel eintragen zu lassen, mussten sie erstmals auch einen Familiennamen annehmen. Die Auswahl war beschränkt, so dass sich viele Juden nach ihrem Herkunftsort - z.B. Weikersheimer, Mainzer - benannten. 22 jüdische Haushaltsvorstände wurden eingetragen, womit die Zahl der jüdischen Familien in Gaukönigshofen bis (zur Abschaffung des „Matrikelparagrafen“) 1861 auf 22 beschränkt war.

Wirtschaftliche Entwicklung

Von den 22 eingetragenen Familien ernährten sich im Jahr 1817 19, also beinahe alle, vom Handel. Einer lebte nur vom „Schmusen“, also dem Geschäftsvermitteln, einer von „Handarbeiten“ und einer wurde von seinen Söhnen unterhalten.
Durch das Edikt vom 10. Juni 1813 standen den Juden nun - zumindest formal - alle bürgerlichen Nahrungszweige (wie Feldbau, Handwerk, kleine Fabriken und „ordentlicher“, d.h. Nichthausier-Handel) offen. Gleichzeitig war ein solcher Erwerbszweig - neben einem Matrikelplatz - auch gefordert, um sich verheiraten und ansässig machen zu dürfen. Von 26 Juden, die im betreffenden Zeitraum in Gaukönigshofen eine Familie gründeten, übten ihrem Antrag gemäß dann auch 14 ein anderes Gewerbe als den Handel aus: je einer die Rotgerberei, Metzgerei, Garküchnerei, Schneiderei, Seilerei und Schuhmacherei sowie sieben den Feldbau. Die Juden hatten dabei gegen den Widerstand und das Misstrauen der Dorfverwaltung zu kämpfen, die zum einen angesichts des schon vorhandenen Überangebotes zusätzlich jüdische Konkurrenz vermeiden wollte. Zum anderen sprach sie den Juden den Willen zu „echter“ Arbeit ab und befürchtete, dass die Juden das Gewerbe „nach erlangter Ansässigmachung nicht mehr selbst ausführen“, sondern sich überwiegend vom Handel ernähren. Und in der Tat ist in Gaukönigshofen die Wirkung des Edikts im wesentlichen nur kosmetischer Natur: Als die Juden 1871 die völlige rechtliche Gleichstellung erlangten, lebten wie 1817 praktisch alle vom Handel (im großen oder kleinen). So handelten alle sieben Juden, die sich auf Feldbau niederließen, gleichzeitig mit Vieh und wurden auf diesem Weg einer Verordnung von 1814 gerecht, die bloßen Viehhandel als Voraussetzung für die Ansässigmachung ausdrücklich ausschloss. Sechs gingen vom beantragten Gewerbe mehr und mehr auf reinen Handel über und nur einer blieb bei seinem ursprünglichen Beruf als Gastwirt (Garküchner), fand jedoch bei Übergabe seines Anwesens an seinen Schwiegersohn keinen Nachfolger für sein Gewerbe.
Das Edikt erlaubte den Juden auch Haus- und Grundbesitz zu erwerben. Wohnten vor 1817 nur zwei jüdische Familien im Dorf außerhalb des Freihofes, so waren es 1832 bereits neun. D.h. sieben Anwesen wechselten von christlichen Vorbesitzern auf Juden. Bis 1864 waren es weitere vier, so dass dann nur noch 9 alleinstehende Juden in den kleinen Häusern des Freihofgeländes wohnten.
Es ist dieser wirtschaftliche Aufstieg und Erfolg, der die Nichtjuden mit Neid und Aggression erfüllte und zum sogenannten wirtschaftlichen Antisemitismus am Ende des 19. Jahrhunderts führte.

Religiöse Verhältnisse

Mit dem Edikt verlor die Judengemeinde Gaukönigshofen ihre Selbstständigkeit, die sich in einer eigenen Verwaltung und einer eigenen Gerichtsbarkeit für innerjüdischen Angelegenheiten ausgedrückt hatte. Die sogenannte „Kultusgemeinde“ war nun auf religiöse Funktionen und soziale Aufgaben beschränkt.
So konnte die Gemeinde auch den eigenen Lehrer nur noch vorschlagen, angestellt wurde dieser jedoch von der Kreisregierung, die hierfür bestimmte Voraussetzungen vorschrieb.
Als die jüdischen Gaukönigshofener 1831 nach dem Tod von Abraham Stern, dessen Sohn als Nachfolger bestellen wollten, erlaubte dies die Kreisregierung aufgrund fehlenden Studiums nicht und bestellte den „geprüften Religionslehrer Maier Strauß“. Dies führte zu einem lang andauernden Streit, der die Gemeinde nicht nur finanziell stark belastete, sondern auch in ihrem Gemeindeleben empfindlich störte. In der Synagoge kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, und Maier Strauß bat schließlich 1842 um seine Versetzung, was auch der Ortspfarrer befürwortete, „damit er von seinem traurigen Mißstande befreit würde“. Die Regierung lehnte jedoch ab und die beiden Parteien fanden sich miteinander ab. Wohl mehr schlecht als recht, denn der Streit führte dazu, dass nicht nur die Familie Stern, sondern auch die Familie Strauß vom Armenpflegschaftsrat unterstützt werden musste.
Sandel Stern und Maier Strauß standen dabei auch für die religiösen Inhalte: Auf der einen Seite „die alte talmudische Lehre“, die sich auf die im Talmud überlieferten Traditionen und Gesetze stützt. Auf der anderen Seite „die rein mosaische Religionslehre“, die versucht, sich auf die Thora (5 Bücher Mose) zu besinnen und die vom bayerischen Staat überwacht und gefördert wurde.

Zusammenleben von Juden und Christen

Bis zur Jahrhundertwende lebten Juden und Christen weitgehend getrennt im Dorf.
Auch nach 1800 herrschte im Dorf eine weitgehende Distanz. Die Gemeindeverwaltung sah in den Juden eine Art „Dorfbewohner zweiter Klasse“, deren Zahl beschränkt bleiben musste und deren Anliegen (z.B. Antrag ein Gewerbe zu betreiben) nur dann verwirklich wurden, wenn christliche Interessen dadurch nicht gefährdet waren oder gefördert wurden. Die Gemeinde bestrafte die jüdischen Ortsbürger, wenn sie am Sonntag arbeiteten. Noch 1817 wurde ein von den Juden aus religiösen Gründen am Ortseingang aufgestellter „Schlachbaum“ mehrmals mutwillig zerstört. Bis 1871 gab es eine eigene jüdische Gastwirtschaft (Garküche), weil, wie es 1831 im Gemeindeprotokoll heißt, die Juden „bey christlichen Wirthen weder essen noch trinken dürfen“. Aber es gab nach dem Edikt auch ein Mehr an Kontakt: Nach 1817 zogen die meisten jüdischen Dorfbewohner aus dem „Ghetto“ des Freihofes in „normale“ Anwesen und damit in unmittelbare Nachbarschaft zu den christlichen Dorfbewohnern, wodurch gewisse Beziehungen unvermeidbar wurden. Wobei der sich durch diesen Umzug ausdrückende wirtschaftliche Erfolg auch den Neid der Nichtjuden erwecken musste. Dies baute das Misstrauen, das die Bauern den (ausschließlich) jüdischen Viehhändlern und Kreditgebern entgegenbrachten, wohl eher noch auf als ab.
Ein weiteres Sichnäherkommen geschah in der Schule: ab 1817 besuchten auch die jüdischen Kinder die Dorfschule, wobei es aber auch hier zu Konflikten kam, die sich dann in kindlichen „Streichen“ (Beschmieren der Stühle der jüdischen Kinder mit Schweinefett) ausdrückten, die dem Verhalten der Erwachsenen nicht unähnlich waren.

Die Juden während des Deutschen Kaiserreiches (1871 - 1918)

Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 [3] erreichten auch die Juden in Bayern die völlige rechtliche Gleichstellung. Dies schloss die freie Wahl des Wohnortes ein, was zu einem Zug der Landjuden in die Stadt führte. Auch in Gaukönigshofen wurde dies spürbar: Obwohl die Bevölkerung von 550 (1867 auf 739 (1910) anstieg, nahm die Zahl der Juden von 99 im Jahr 1880 auf 80 im Jahr 1910 ab.

Wirtschaftliche Entwicklung

Zeitungswerbung der Maschinenbau-Anstalt Gaukönigshofen

Die Industrielle Revolution [4] wurde in Gaukönigshofen durch ein Vordringen der Maschine auch in die Landwirtschaft und durch die Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten spürbar (Zeitung, Anschluss an das Eisenbahnnetz 1907, Elektrizitätsversorgung 1911). Die jüdischen Ortsbewohner nutzten diese Situation:

  • Im Jahr 1898 gründeten die Gebrüder Ignaz und Vitus Weikersheimer ein Geschäft für landwirtschaftliche Geräte. Die ab 1904 sogenannte Maschinenbau-Anstalt Gaukönigshofen expandierte sehr schnell, beschäftigte 1909 bereits 14 Arbeiter und wurde 1912/13 baulich sehr stark erweitert. Die Kriegszeit wirkte sich förderlich auf die Geschäftsentwicklung aus, und im September 1919 standen 80 Arbeiter auf den Lohnlisten der Gaukönigshofener Maschinenbauer. Durch diese Entwicklung der Firma war es möglich, die durch die Maschinisierung in der Landwirtschaft arbeitslos werdenden Hilfskräfte zu beschäftigen und so blieb die Bevölkerungszahl ab der Jahrhundertwende in Gaukönigshofen leicht steigend, während sie in rein bäuerlichen Gemeinden abnahm.
  • Die jüdischen Geschäftsleute warteten nicht auf Kundschaft, sondern versuchten sie durch aktive Werbung anzuziehen. Dies fand seinen Niederschlag besonders in der Zeitungswerbung, die von den Gaukönigshofener Juden intensiv, von den Nichtjuden dagegen kaum genutzt wurde. Besonders häufig inserierte z.B die Maschinenbau-Anstalt in der Lokalzeitung, dem „Ochsenfurter Stadt- und Landboten“.
  • Wie ihre Väter handelten viele jüdische Ortsbewohner mit Vieh, aber sie schlossen sich - wie z.B. die Gebrüder Löb und Enslein Weikersheimer - zusammen, um den Handel ausdehnen zu können, denn hierzu war mehr Kapital und Arbeitskraft notwendig. Damit bereiteten sie den Übergang vom traditionellen Viehhändler zum Viehgroßhändler vor, der durch die Transportmöglichkeit mit der Gaubahn möglich wurde.
  • Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges nahm der Pferdehandel eine besondere Stellung innerhalb des Viehhandels ein, weil er sehr viel Handelskapital (ein Pferd kostete den Jahresverdienst eines Arbeitnehmers um die Jahrhundertwende) erforderte. Die drei Gaukönigshofener Juden, die Pferdehandel betrieben, unternahmen selbst weite Reisen, um Einkäufe zu tätigen und inserierten ihre Rückkunft dann im Bezirksamtsblatt.
  • Nach dem Wegfall aller Beschränkungen verstärkte sich die Handelstätigkeit der jüdischen Dorfbewohner. Am deutlichsten wurde dies im Warenhandel: Im Jahr 1900 schließlich konkurrierten sieben von Juden geführte Gemischtwarenläden um Käufer. Darauf reagierten die Händler verschieden und waren entsprechend erfolgreich bzw. -los:

Faust Braunschild spezialisierte sich auf eine Produktgruppe, nämlich auf Tuche und Stoffe.
Manche, wie Mitglieder der Familie Mainzer/Sichel, wanderten aus dem Dorf in die Stadt ab.
Die Gebrüder Weikersheimer nutzten die neuen Möglichkeiten. Die, die beim Kleinhandel blieben, versuchten das Einkommen durch Hausieren oder gelegentlichen Viehhandel aufzubessern. Dennoch führte dies, wie bei den Familien Thalheimer, Grünebaum, Vorchheimer und Strauß, zur allmählichen Verarmung.

  • Der Immobilienhandel war den Juden nach 1871 ebenfalls ohne Beschränkungen erlaubt und wurde drei Gaukönigshofenern recht erfolgreich betrieben. Das bedeutete, dass sie den Grundbesitz überschuldeter Bauern durch Aufteilen mit recht hohem Gewinn verkaufen konnten. Diese sogenannte „Güterzertrümmerung“ oder „Güterschlächterei“ erhielt judenfeindliche Einstellungen am Leben, da die Schuld am Bankrott der Bauern oft allein den jüdischen Geldverleihern gegeben wurde, ohne die eigentlichen Ursachen für den Bankrott der Bauern (gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, persönliche Misswirtschaft) zu berücksichtigen. Selbst im aufgrund größerer Höfe und besserer Bodenqualität (im Vergleich mit den Nachbargemeinden) wohlhabenden Gaukönigshofen gingen so am Anfang des 20. Jahrhunderts drei Hofanwesen aus christlichen in jüdischen Besitz über.

Zwei der Immobilienhändler, Marx Rosenbusch und Heß Mainzer, leisteten zusammen mit den Gebrüdern Weikersheimer im Jahr 1904 beinahe 30% der Gewerbesteuer, die die Gemeinde einnahm.
Durch die Gewerbeaktivität der jüdischen Bürger war Gaukönigshofen im Jahr 1917 mit fast 15.000 Mark die steuerstärkste Gemeinde des Bezirksamtes Ochsenfurt (zum Vergleich die Stadt Ochsenfurt: 39.000 Mark).

Religiöses Leben

Als 1874 Julius Lippmann als neuer Lehrer in die Synagoge einzog, brach für die Gaukönigshofener jüdische Gemeinde eine neue Ära der Kontinuität an. Vorbei waren die Streitigkeiten, die mit der Einsetzung von Maier Strauß begonnen hatten. Julius Bravmann, der 1891 mit 25 Jahren die Nachfolge antrat, lehrte gar für 40 Jahre in der Gemeinde und genoss das Vertrauen und sehr hohen Respekt aller Gemeindemitglieder. Er wurde zum geistigen Führer in der Gemeinde und mit Pfarrer Ulsamer (er war ab 1923 Pfarrer in Gaukönigshofen) verband ihn ein sehr gutes Verhältnis. Im Jahr 1900 baute die jüdische Gemeinde neben die Synagoge ein neues stattliches Schulhaus mit Lehrerwohnung, wodurch nicht nur vorbildliche Schulräume, sondern mit einer angemessenen Lehrerwohnung auch die früheren Streitpunkte zwischen Gemeinde und Lehrer aus der Welt geschaffen wurden.

Das Amt des 1. Kulturvorstandes war eine sehr ehrenhafte Aufgabe, die demjenigen übertragen wurde, der das höchste Ansehen genoss und das Amt dann auch lebenslang ausführte. Faust Braunschild wurde 1887 gewählt und wurde erst 1912, als er sich auch geschäftlich zu Ruhe setzte, durch Felix Mainzer abgelöst, der das Amt bis zu seiner Deportation im März 1942 innehatte.

Der jüdischen Gemeinde in Acholshausen erging es wie so vielen anderen, die von der Abwanderungsbewegung in die Städte getroffen wurden: sie konnte keinen Minjan (zehn religionsmündige Männer), der für einen jüdischen Gottesdienst notwendig war, mehr bilden und wurde so im Jahr 1895 mit der Gaukönigshofener Gemeinde vereinigt.

Zusammenleben von Juden und Christen

Von 1869 an konnten Juden das Bürgerrecht in Gaukönigshofen ohne jede Vorbedingung erwerben und am 30. November 1888 wurde der Vieh- und Immoblienhändler Heß Mainzer als erster jüdischer Ortsbürger in den „Gemeindeausschuß“ (früher Gemeinderat) gewählt. Als 1882 die Freiwillige Feuerwehr gegründet wurde, waren fünf jüdische Ortsbürger ebenso mit dabei wie zwei beim Festausschuss anlässlich des 25jahrigen Stiftungsfestes im Jahr 1908. In Schützenvereinen, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg in nationaler Gesinnung gegründet wurden, konnten Juden ihr Deutschsein und ihre Vaterlandsliebe, die ihnen zum Teil von den Nichtjuden abgestritten wurden, beweisen. So engagierten sich auch im Gaukönigshofener Schützenverein die jüdischen Bürger sehr stark: 1911 wurde Max Sichel zum 1. Vorstand und Felix Mainzer zum Kassier gewählt. Das Amt des Schützenwartes übernahm Eduard Wirth.
So lebten Juden und Christen nach 1870 enger zusammen als vorher: Dennoch gab es starke Hindernisse für eine Integration:

  • Am stärksten wirkte sich wohl die judenfeindliche Haltung der Kirche aus, die sich im Dorf am Beispiel von Pfarrer Alzheimer, der die Gemeinde von 1900 bis 1920 betreute, dokumentierte. Er begann seine Christenlehre am Sonntagnachmittag in der Kirche mit dem Ausspruch „Heiden und Juden raus“. Der Einfluss einer solchen Haltung auf eine völlig durch die Religion geprägte christliche Dorfgemeinschaft war wohl kaum zu überschätzen.
  • Der wirtschaftliche Erfolg und damit einhergehende wachsende Wohlstand erregte das Misstrauen der Nichtjuden. Der Handel, von dem sich alle Juden ernährten, wurde von den Bauern nicht als ehrliche Arbeit akzeptiert. In den für die Landwirtschaft harten Zeiten um die Jahrhundertwende fühlten sie sich vielmehr als Opfer der Juden, deren Wohlstand nur auf ihre Kosten gehen konnte.
  • Auch der Lebensstil der jüdischen Dorfbewohner unterschied sich von dem der Nichtjuden: Die Juden legten mehr Wert auf Schulausbildung ihrer Kinder, die nicht selten in städtische Schulen gingen. Ebenso waren die Häuser der Juden vom Baustil wie von der Einrichtung her städtischer als die der Bauern.

Die Juden während der Weimarer Republik

Die Zahl der jüdischen Dorfbewohner sank von 80 (1910) auf 54 (1933), da viele junge Juden, nachdem sie ihre (Schul)Ausbildung in den Städten erhielten, nicht mehr in das Dorf zurückkehrten und diese Abwanderung nicht mehr durch Zuzüge aus kleineren jüdischen Gemeinden (wie z.B. Acholshausen) ausgeglichen wurde. Jüdische Familien hatten zudem mit zwei oder drei Kindern deutlich weniger Nachwuchs als die bäuerlichen Familien im Dorf.

Wirtschaftliches Leben

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg wurde am Gaukönigshofener Bahnhof der Gaubahn eine Verladerampe gebaut, was den Viehhandel mittels Bahn sehr erleichterte. Dies nutzte Bernhard Weikersheimer, der von seinem Onkel die „Compagnie“ übernahm und mit 4 Teilhabern ausbaute, für einen das Reichsgebiet umfassenden Viehhandel. Durch die Firma wurde Gaukönigshofen ein Umschlagplatz für Jungvieh aus der Oberpfalz und der Ingolstädter Gegend sowie Milchkühe aus Ostfriesland und der Altmark. Mit Zugochsen und Schlachtvieh aus der Gaukönigshofener Gegend versorgte die „Compagnie“ dann Güter in der Magdeburger Börde und im Regensburger Gebiet sowie die Schlachtviehmärkte in Frankfurt und im Ruhrgebiet. Andererseits gab es noch die traditionellen jüdischen Viehhändler im Dorf, die sich auf die nähere Gegend beschränkten.
Die Maschinenbau-Anstalt Gaukönigshofen entwickelte sich nach dem Krieg weiter und war regional konkurrenzlos. Als größte Fabrik im Bereich des Bezirksamtes Ochsenfurt spielte sie als Arbeitgeber eine wichtige Rolle und das Dorf profitierte insgesamt einerseits durch das Steueraufkommen und andererseits durch die Anregung der übrigen dörflichen Wirtschaft (z.B. durch den Lebensmittelbedarf der Beschäftigten).
Da Vitus Weikersheimer viele seiner Maschinen aus Amerika auf Kredit kaufte, wirkte sich die Weltwirtschaftskrise [5] auch auf die Gaukönigshofener Firma aus. Die amerikanischen Gläubiger forderten kurzfristig Verbindlichkeiten ein, was zu hohen Zinsbelastungen führte. Nachdem Vitus Weikersheimer infolge der Misere im Oktober 1930 nach Brasilien geflohen war, wurde kurze Zeit später das Konkursverfahren über die Firma eröffnet. Durch diesen Konkurs verlor Gaukönigshofen das größte Unternehmen, das es in seiner Geschichte je hatte.

Louis Kleemann betrieb den Landwarenhandel im Dorf und sorgte so - wie später auch dann der Darlehenskassenverein - für den Absatz von Gerste und Weizen der Gaukönigshofener Bauern. Daneben führte er in seinem Anwesen, dem „Schlößchen“, d.h. dem Herrensitz des ehemaligen Freihofes, einen großen Laden mit Tuchen und Stoffen, die für die Herstellung der bäuerlichen Kleidung gebraucht wurden. Einige jüdische Familien führten noch Gemischtläden fort, was jedoch vor allem in den 1920er Jahren zunehmend zur Verarmung führte, die sich z.B. in Steuerschulden bei der Gemeinde niederschlug.

Religiöses Leben

Das Leben in der jüdischen Gemeinde lief streng orthodox ab. [6] Trotzdem aber waren einige ihrer Mitglieder, vor allem die junge Generation, schon nicht mehr ganz so streng z.B. im Beachten des Sabbats. Sie waren wie Bernhard Weikersheimer aus geschäftlicher Notwendigkeit auch schon mal am Sabbat unterwegs oder benutzten wie Kurt und Erwin Weikersheimer am Sabbatnachmittag das Auto für einen Ausflug.
Einige aus der jungen Generation zogen in die Stadt und entzogen sich damit auch den strengen religiösen Verpflichtungen einer kleinen ländlichen Gemeinde.

Zusammenleben von Juden und Christen

Im Ersten Weltkrieg waren jüdische Dorfbewohner genauso wie ihre christlichen Altersgenossen beteiligt. Und doch wurde ihnen danach, da keiner von ihnen fällt, vorgeworfen, „die Juden drückten sich vom Fronteinsatz“.
Als Vitus Weikersheimer im Januar 1921 eine Gedenktafel mit den Kriegsteilnehmern für das Rathaus stiftete, sprach die Gemeinde ihm den „geziemenden Dank“ aus. Als sie selbst aber einen Monat später ein Kriegerdenkmal plante, sah sie dafür ein christliches Motiv vor. Dem konnte der jüdische Gemeinderat nicht zustimmen. Es kam zum Streit, der dazu führte, dass das Denkmal letztlich der Inflation zum Opfer fiel.

Bei den Gemeindewahlen 1919 wurden zwei jüdische Bürger (Enslein und Vitus Weikersheimer) in den achtköpfigen Gemeinderat gewählt. Dass dies zu Spannungen führte, lässt sich aus einem Spottvers schließen, den ein Gaukönigshofener auf seinen Stimmzettel schrieb:

„Hohe Berge, Wasserfluten,
wo du hinschaust nix wie Juden,
krumme Nasen weit und breit
alles riecht nach unsere Leit.
Geh, laßt me aus,
geh, laß me ei,
I wähl' ken Jud' ins Rathaus nei.“

Bei den Wahlen im Dezember 1924 verschärften sich diese Spannungen. Es gab einen eigenen jüdischen Wahlvorschlag und es waren gegen die Juden gerichtete Gedichte im Umlauf.
Da in der Weimarer Zeit viele jüdische Kinder Schulen außerhalb des Dorfes besuchten, gab es in der jungen Generation weniger Kontakt, als in den Jahren von 1860 bis zum Ersten Weltkrieg.
Zwar besuchten Juden die Wirtshäuser im Dorf, aber sie blieben meist unter sich oder tranken nur auf einen Geschäftsabschluss. Viele der jüdischen Dorfbewohner - mit Ausnahme des ärmeren Drittels der jüdischen Gemeinde - unterschieden sich auch in ihrem Lebensstil von den Bauern des Dorfes: Sie hatten viele Gäste, gingen mal auf Reisen oder zu Kur, ihre Häuser waren konfortabler (z.B. mit Teppichen und Sesseln) oder sie hatten z.B. das erste Radio in Gaukönigshofen.
Trotz allem gab es in der Weimarer Zeit ein nachbarschaftliches Zusammenleben zwischen Juden und Christen. Einige Juden genossen allgemein eine hohe Achtung in der Gemeinde: So galt z.B. der Kulturvorstand Felix Mainzer im Dorf als „ehrenwert und vornehm“ und Julius Bravmann wurde anlässlich seines 40jährigen Dienstjubiläums die Ehrenbürgerurkunde der Gemeinde verliehen.
Juden und Christen hatten sich miteinander eingerichtet, aber ihre Eigentümlichkeit als Gruppe bewahrt. Wie sich nach 1933 zeigte, fühlten sich die Gaukönigshofener Juden wohl mehr als Deutsche und „normale Gaukönigshofener“, als es ihnen je von ihren christlichen Nachbarn zugestanden wurde.

Die Juden während des Dritten Reiches (1933 - 1942)

März 1933 bis zur Pogromnacht im November 1938

Die Nationalsozialisten gingen nach dem Prinzip der „rechtmäßigen Unterdrückung“ der Juden vor, d.h. sie schufen Gesetze, um Juden in einem allmählichen Vorgang mehr und mehr Rechte zu nehmen und sie von der übrigen Bevölkerung zu isolieren.
Die jüdischen Bürger der Ortes Gaukönigshofen wurden noch 1933 vom öffentlichen Leben, d.h. von allen Vereinen und Gemeindeämtern ausgeschlossen. Im August 1935 - also noch vor den „Nürnberger Gesetzen“ [7] [8] - verabschiedete der Gaukönigshofener Gemeinderat ohne Druck von oben eine „ortspolizeiliche Vorschrift bezüglich der Judenfrage“:

  1. Der Zuzug von Juden in hiesiger Gemeinde ist verboten.
  2. Der Ankauf von Haus- und Grundbesitz durch Juden ist in hiesiger Gemeinde verboten.
  3. Besuche bei Juden haben sich innerhalb von 3 Tagen bei der Ortspolizei anzumelden.

Selbst ein Geschenk von jüdischer Seite will die Gemeinde nicht annehmen: Als ein im Ausland wohnender Gaukönigshofener das Konkurs-Anwesen der Landmaschinenfabrik Weikersheimer in Gaukönigshofen kaufen und der Gemeinde schenken wollte, beschloss der Gemeinderat im September, das Angebot könne nur angenommen werden, „wenn der fragliche Käufer Arier sei“. Einzelne jüdische Dorfbewohner, die durch eine Maßnahme oder ein Gesetz speziell getroffen wurden, ergriffen die Flucht: So sahen sich die Gebrüder Karl und Erwin Weikersheimer im Sommer 1933 durch eine Hetzkampagne gezwungen, auszuwandern, was im „Fränkischen Volk“ wenige Tage später mit „Die Juden Weikersheimer Kurt und Erwin haben das Weite gesucht“ kommentiert wurde. Die Mehrheit aber richtete sich unter den erschwerten Bedingungen ein, denn schließlich sahen sie in Gaukönigshofen ihre Heimat. Ihnen wurde nicht klar, dass es für sie als Juden keine Zukunft im Deutschland des Dritten Reiches geben konnte. Sie wehrten sich gegen den Versuch der Nationalsozialisten, sie zur Auswanderung zu zwingen.
Dies zeigte sich vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht: Die meisten jüdischen Gaukönigshofener versuchten trotz vieler Einschränkungen ihrem Geschäft nachzugehen, was aber vor allem nach 1935 zunehmend schwieriger wurde.
Im Juli 1938 erließen die Nationalsozialisten ein Gesetz, nach dem alle Juden eine Kennkarte beantragen mussten, auf der innen und außen ein großen J gestempelt war und auf der die jüdischen Empfänger ihre Fingerabdrücke abgeben mussten, d.h. sie wurden wie Kriminelle behandelt. Zudem mussten sie auch zusätzlich zu ihrem Namen noch den „jüdischen Vornamen“ Sarah oder Israel annehmen. Die jüdischen Kinder konnten die Gaukönigshofener Schule vermutlich nur bis 1936 besuchen und mussten dann in städtische Schulen wechseln. Aber schon die Zeit bis 1936 war sehr hart: Der Lehrer war Ortsvorsitzender der NSDAP, machte abfällige Bemerkungen über Juden und ließ die jüdischen Kinder getrennt sitzen. Die anderen Schüler hänselten die jüdischen Kinder mit „Judenstinker“, und es waren nur noch wenige bereit, mit ihnen zu reden.
Einige, vor allem der jüngeren Mitglieder der jüdischen Gemeinde, machten sich bis Ende 1938 zwar Gedanken über eine mögliche Auswanderung, aber nur 4 der 53 jüdischen Gaukönigshofener wanderten vor der Pogromnacht aus.

Nach der Pogromnacht

In der Pogromnacht mussten die jüdischen Dorfbewohner, zum Teil am eigenen Leibe, schmerzlich erfahren, dass es für sie keine Zukunft mehr in Deutschland gab: In der Nacht vom 10. auf den 11. November 1938 gab es einen großen Menschenauflauf im Dorf, und zusammen mit SA-Truppen aus Ochsenfurt und verschiedenen Nachbargemeinden, verwüsteten und plünderten christliche Ortsbürger die jüdischen Anwesen. Vor dem Büro der Viehhandelscompagnie Weikersheimer wurde ein Feuer entfacht, in dem auch der Thoraschrein der Synagoge verbrannt wurde, den zwei Gaukönigshofener Bauernsöhne mit Schlegeln entzwei schlugen. Das Niederbrennen der Synagoge wurde auf Grund des Widerstandes des Bürgermeisters Franz Josef Michel und des Bauern Stephan Mark (früherer Feuerwehrkommandant des Dorfes) verhindert. Beide befürchteten ein Übergreifen der Flammen auf weitere Gebäude. Eine Thorarolle konnte in der Nacht vor dem Pogrom von Louis Kleemann aus der Synagoge gebracht und somit gerettet werden. Er versteckte sie in seinem Haus und nahm sie bei der Auswanderung in die USA mit. [9]
Einige jüdische Dorfbewohner wurden brutal zusammengeschlagen und ins Ochsenfurter Gefängnis in sogenannte „Schutzhaft“ [10] [11] gebracht. Von dort wurden sie in das KZ Dachau [12] eingeliefert und nur gegen das Versprechen der Angehörigen, Deutschland zu verlassen und den Grundbesitz zu veräußern, wieder freigelassen.

Nach der Pogromnacht durften die jüdischen Ortsbürger kein Geschäft mehr betreiben und wurden im Dezember gezwungen, ihren Besitz weit unter Wert zu verkaufen. Sie waren nur noch Mieter in ihren eigenen Häusern und wurden dann in sogenannte „Judenhäuser“ zusammengezwängt. Hierzu wurden die Häuser im Dorf ausgewählt, die sich im schlechtesten Zustand befanden.
Die Gemeinde erwarb im Juni 1939 die Synagoge, das jüdische Gemeindehaus und das daneben liegende Schlösschen von Louis Kleemann, um daraus eine Art „Schulzentrum“ zu machen, in dem die Synagoge dann als Turnhalle genutzt werden sollte. (Diese Pläne wurden jedoch infolge des Krieges nicht mehr umgesetzt.)

Die meisten jüdischen Ortsbürger zogen aus diesen Erfahrungen die Konsequenz und bemühten sich, wenn auch schweren Herzens, um ihre Auswanderung.
21 Mitglieder der jüdischen Gemeinde konnten noch rechtzeitig ein Land finden, das sie aufnahm. Für alle jene, die finanziell nicht so gut gestellt waren und keine Verwandten im Ausland und dadurch Schwierigkeiten hatten, einen Bürgen zu finden (dies war für ein Visum notwendig), war es ein hartes Ringen um das rettende Visum. Als letzte gelang es Heinrich Mainzer und seiner Ehefrau im Juli 1941 Gaukönigshofen zu verlassen.
Ab 1. November 1941 gab es für die 29 im Dorf verbliebenen Juden keine Chance mehr: Die Nationalsozialisten verboten die Auswanderung. In drei „Judenhäusern“ und jeweils einem Stockwerk von drei vormals jüdischen Anwesen isoliert, erwarteten sie ihre Deportation und „Neuansiedlung“ im Osten.
Kontakte von Juden zu Nichtjuden standen unter Strafe. Die jüdischen Einwohner wurden von der Gemeinde zu Arbeiten, z.B. auf Feldern, eingeteilt.
Nach Kriegsbeginn brachte die Lebensmittelrationierung weitere Härten für die Juden, die keine Sonderration erhielten und deren Karten insgesamt gekürzt waren.
Insgesamt herrschte ein Klima der Misstrauens und selbst die Familien, die das Haus mit einer nichtjüdischen Familie teilten, wagten kaum mehr einen Kontakt, aus Angst bespitzelt zu werden. Ab September 1941 mussten die Juden auch noch den gelben Stern tragen, um sie zu „brandmarken“. Damit wurde die Deportation vorbereitet.
Am Donnerstag, den 19. März 1942 erhielten 25 der 29 jüdischen Bewohner die Nachricht von der zwei Tage später am Sabbatmorgen erfolgenden Deportation über einen Bekannten. Die Gaukönigshofener Juden waren „durcheinander und bestürzt“, obwohl sie wussten, dass der Tag kommen würde.

Die Gaukönigshofener Juden auf dem Weg in den Tod

Gedenktafel für die ermordeten jüdischen Mitbürger von Gaukönigshofen

Die 25 jüdischen Gaukönigshofener wurden in Kitzingen zusammen mit den mainfränkischen Juden gesammelt und von dort aus in das Durchgangslager Izbica [13], ca. 15 Kilometer südlich von Lublin [14], gebracht. Sie bekamen ihr Gepäck nicht und lebten vermutlich in bitterer Not.

Die vier im Dorf verbliebenen Juden mussten im März und Juli 1942 in das Altersheim nach Würzburg einziehen. Nachdem der 68jährige Max Mainzer am 20. Juli 1942 noch einige Angelegenheiten geregelt hatte, verließ mit ihm der letzte jüdische Einwohner Gaukönigshofen. Am 23. September wurden alle vier nach Theresienstadt [15] deportiert, wo sie im Laufe des Jahres 1943 aufgrund der völlig unzureichenden Lebensbedingungen starben.

Bevölkerungsentwicklung 1786 bis 1942

Jahr Einwohner davon Juden %
1786 393 73 18,0
1816 546 108 19,8
1837 583 100 17,2
1867 550 89 16,2
1880 595 99 16,6
1900 622 91 14,6
1910 739 80 10,8
1925 741 67 9,0
1933 723 54 7,5
04.1937 - 51 -
1939 692 41 5,9
1941 - 26 -
07.02.1942 - 37 -
21.03.1942 - 29 -
22.03.1942 - 4 -
13.07.1942 - 3 -
14.07.1942 - 0 -

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Georg Menig: Der Große Krieg im kleine Raum - Krieg und Kriegserfahrung im ländlichen Unterfranken am Beispiel des Ortes Gaukönigshofen 1914-1918/19. Mainfränkische Hefte 116, Spurbuchverlag, 2018, ISBN: 978-3-88778-533-8
  • Thomas Michel: Die Juden in Gaukönigshofen/Unterfranken (1550 - 1942). Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Band 38, Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH 1988 (Stadtbücherei Würzburg Dkl 1 Gau)
  • Thomas Michel: Ein Streifzug durch die jüdische Geschichte von Gaukönigshofen. In: 741 - 1991. 1250 Jahre Gaukönigshofen. Gemeinde Gaukönigshofen (Hrsg.), S. 54 ff. (Stadtbücherei Würzburg Dem Gau) (Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis der Gemeinde Gaukönigshofen.)
  • Jutta Sporck-Pfitzer: Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Landkreis Würzburg. Hrsg.: Landkreis Würzburg, Echter Verlag, Würzburg 1988

Weblinks

Erläuterungen und Hinweise

  1. Heiliges Römisches Reich (lateinisch Sacrum Imperium Romanum oder Sacrum Romanum Imperium) war die offizielle Bezeichnung für den Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser vom Spätmittelalter bis 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen römisch-deutschen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Weitere Informationen bei Wikipedia [1].
  2. haGalil.com: „Die Bayerische Judengesetzgebung von 1813“
  3. Bundeszentrale für politische Bildung: „Das Deutsche Kaiserreich“
  4. Bundeszentrale für politsiche Bildung: „Industrielle Revolution“
  5. Deutsches Historisches Museum: „Die Weltwirtschaftskrise“
  6. Das orthodoxe Judentum auf christen-und-juden.de
  7. Am 15. September 1935 erließ Adolf Hitler die sogenannten Nürnberger Gesetze. Mit ihrem Inkrafttreten war die rechtliche Grundlage für die Verfolgung der Juden in Deutschland geschaffen. Antisemitismus war fortan nicht nur legal, sondern gesetzlich verordnet.
  8. Bundeszentrale für politische Bildung: „1935: Nürnberger Gesetze treten in Kraft“
  9. Heute befindet sich die Thorarolle in einer Synagoge in Baltimore.
  10. Deutsches Historisches Museum: Die „Schutzhaft“
  11. Bundesarchiv: „Haftanstalten der Gestapo und der Orpo (Deutsches Reich)“
  12. KZ-Gedenkstätte Dachau
  13. Das Ghetto Izbica war im Zweiten Weltkrieg ab 1942 für deportierte Juden eine Durchgangsstation, auch Transit-Ghetto oder Durchgangsghetto genannt, in die Vernichtungslager des Holocausts. Weitere Informationen bei Wikipedia [2].
  14. Das Ghetto Lublin war ein während der deutschen Besetzung Polens eingerichtetes jüdisches Ghetto in Lublin, der Distrikthauptstadt des damaligen Distrikts Lublin im Generalgouvernement. Es bestand von März 1941 bis April 1942 und war eines der ersten Ghettos im besetzten Polen, die im Zuge der Aktion Reinhardt „liquidiert“ wurden. Weitere Informationen bei Wikipedia [3]
  15. Ghetto Theresienstadt 1941 - 1945
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