Viehhandelscompagnie Weikersheimer (Gaukönigshofen)

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Die Viehhandelscompagnie Weikersheimer war ein Viehhandelsunternehmen in Gaukönigshofen.

Geschichte und Entwicklung

Neben der Landmaschinenfabrik Weikersheimer der Gebrüder Ignaz und Vitus Weikersheimer stellte die Viehhandelscompagnie ihres Vetters Enslein Weikersheimer (* 15. September 1869 in Gaukönigshofen) den zweiten wichtigen Betrieb im Ort dar. Enslein erbte das Viehhandelsgeschäft seines Vaters Bernhard („Bär“) Weikersheimer (* 1828), schloss sich mit seinem Bruder Löb (* 1857), der ebenfalls Viehhändler war, zusammen und meldeten 1891 einen eigenen Viehhandel für Rinder an, welcher 1899 um einen Pferdehandel erweitert werden konnte. [1] [2] Er unternahm weite Reisen, um Rinder und Pferde zu kaufen. Diese wurden dann im Bezirksamtsblatt oder im Ochsenfurter Stadt- und Landboten inseriert, um die einheimischen Käufer darauf aufmerksam zu machen. [3] Enslein Weikersheimer unterhielt zudem Handelsbeziehungen zu Verwandten nach Augsburg und München. Aufgrund dieser weitverzweigten Verbindungen wurde ihm mit Bekanntmachung des Bezirksamtes vom 26. Juni 1916 die Stelle des Kommissärs der Fleischversorgung im Kommunalverband Ochsenfurt übertragen. In der Auflistung der in dessen Gebiet berechtigten Aufkäufer für Fleisch stechen die Namen von sieben jüdischen Viehhändlern aus Gaukönigshofen und Umgebung ins Auge, welche in Gaukönigshofen, Acholshausen und Marktbreit das Recht besaßen, Vieh aufzukaufen.

Interessanterweise standen diese alle in Beziehung zur Viehhandelscompagnie des Enslein Weikersheimer. So etwa der spätere Firmenpartner Eduard Wirth oder der Metzger und Viehhändler Ferdinand Weil (* 1889, „Schwarzbär“). Er wurde am 5. August 1916 vom 4. Infanterieregiment nach Würzburg versetzt, um als Aufkäufer bei der Vieheinkaufstelle des II. Armeekorps in Unterfranken seinen Dienst zu leisten. Zugleich war er jedoch im Amtsblatt als zuständiger Aufkäufer für die Ortschaft Acholshausen vorgesehen und wurde in seiner Kriegsstammrolle als Viehhändler für die Viehhandelscompagnie Weikersheimer genannt. Enslein Weikersheimer konnte also in diesem speziellen Fall sowohl Verbindungen zur einkaufenden Behörde, dem II. Armeekorps, als auch zur ihm unterstellten Riege der Aufkäufer nachweisen. Derlei Beziehungen scheinen seinem Geschäft sehr förderlich gewesen zu sein, was aus seinen steigenden Spendenbeiträgen bei Kriegssammlungen ersichtlich wird. Die während seiner Zeit als Kommissär geknüpften Verbindungen waren für ihn nach Kriegsende weiterhin von Vorteil, sodass er am 28. August 1922 nach Würzburg zog. Dort verbrachte er seinen Lebensabend als Teilhaber der Immobilienfirma Enslein Weikersheimer & Co., welche er in Partnerschaft mit dem ebenfalls aus Gaukönigshofen stammenden Viehhändler Eduard Wirth führte. Enslein Weikersheimer starb am 23. Februar 1935.

Die „Compagnie“

Bernhard („Billebär“) Weikersheimer (* 1896)

Sein Anwesen in Gaukönigshofen überließ Enslein Weikersheimer seinem Neffen Bernhard Weil (* 1894), dem Cousin seines Sohnes Bernhard Weikersheimer (* 1900). Die aus Acholshausen stammenden Bernhard und Ferdinand Weil, Söhne von Ensleins Schwester Malchem Weil (* 1859, geb. Weikersheimer) waren schon vor dem Ersten Weltkrieg nach Gaukönigshofen gezogen und bereits während des Ersten Weltkrieges für die Viehhandelscompagnie tätig gewesen.
Sigmund Krebs (* 1884 und verheiratet mit Sara Weil), Bernhard und Ferdinand Weil, sowie Bernhard Weikersheimer (* 1896, „Brillebär“, Neffe von Enslein Weikersheimer [4]) - Angehörige der fünften Generation der Familie Weikersheimer und zwischen 27 und 34 Jahre alt - gründeten zusammen mit einem fünften Viehhändler (Julius Rothstein, * 1872, der 1905 aus Allersheim nach Gaukönigshofen zog und eines der Anwesen der vor dem Krieg verzogenen Weikersheimer übernahm) die Firma „Löb Weikersheimer Nachfolger, Gaukönigshofen“, die im Dorf allgemein die „Compagnie“ genannt wurde. Sie eröffnete ein ständig mit einem Buchhalter besetztes Büro und unterschied sich dadurch wesentlich vom herkömmlichen jüdischen Viehhändler.

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg schon war am Gaukönigshofener Bahnhof der Gaubahn eine Viehverladerampe gebaut worden und mittels dieser Transportmöglichkeit entfalteten die Teilhaber der „Compagnie“ ein den gesamten deutschen Raum umfassendes Geschäftswesen. Damit unterschieden sie sich deutlich von den durchschnittlichen jüdischen Viehhändlern, die ihr Vieh von Verkäufer zu Käufer von Knechten treiben ließen.
Der Kopf der Firma, der 27jährige Bernhard Weikersheimer („Brillebär“), der eine höhere kaufmännische Ausbildung absolviert hatte, erkannte zum einen die Märkte, die sich aufgrund der Stadtzusammenballungen im Ruhrgebiet ergaben, wodurch er höhere Verkaufspreise für sein Schlachtvieh erzielen konnte. Zum anderen versorgte er landwirtschaftlich intensiv genutzte Gebiete, wie die Magdeburger Börde, mit dem im Ochsenfurter Gau eingewöhnten Spannvieh.

Aufgrund dieser überregionalen Perspektive war er wirtschaftlich sehr erfolgreich, und die „Compagnie“ nahm im Bezirk eine bedeutende Stellung ein. [5] Zumindest Bernhard Weikersheimer überwand damit die Situation des typischen „jüdischen Viehhändlers“ auf dem Land.
Er führte somit in der Weimarer Zeit zu Ende, was sein Vater Löb Weikersheimer (* 1857) und sein Onkel Enslein Weikersheimer mit der Firmengründung im Kaiserreich begonnen hatten.

Drittes Reich

Die Hetze des nationalsozialistischen Staates traf schon in den ersten Monaten die Familie Weikersheimer sehr hart: Nach der Veröffentlichung der gegen sie gerichteten Hetzartikel in der regionalen Presse mussten die beiden Söhne von Ignaz Weikersheimer, Kurt und Erwin, fliehen. Die „Compagnie“ führte ihr Geschäft bis Ende 1937 noch hoffnungsvoll fort, und erst ab Mitte 1938 betrieb Bernhard Weikersheimer seine Auswanderung, nachdem sein Bruder Max Weikersheimer, der als Arzt arbeitete, schon 1937 Deutschland verlassen hatte. Das Büro der „Compagnie“ wurde in der Pogromnacht vom 10. auf den 11. November 1938 zerstört, die Innenausstattung auf der Straße verbrannt, die Firma Ende 1938 zwangsaufgelöst und der Bürgermeister als Treuhänder für den Verkauf eingesetzt. Die christlichen Nachfolger betrieben wie die Großväter und -onkel von Bernhard Weikersheimer den Viehhandel wieder als Einzelne, und keiner der Nachfolger begründete einen in der Gegenwart noch bestehenden Betrieb, so dass mit dem Ende der „Compagnie“ auch das Ende des Viehhandels in Gaukönigshofen begann.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Für die freundliche Unterstützung danken wir Georg Menig und dem Gemeindearchiv Gaukönigshofen.
  • Georg Menig: Der Große Krieg im kleine Raum - Krieg und Kriegserfahrung im ländlichen Unterfranken am Beispiel des Ortes Gaukönigshofen 1914-1918/19. Mainfränkische Hefte 116, Spurbuchverlag, 2018, ISBN: 978-3-88778-533-8
  • Thomas Michel: Die Juden in Gaukönigshofen/Unterfranken (1550-1942). F. Steiner Verlag GmbH, Wiesbaden 1988 (Stadtbücherei Würzburg Dkl 1 Gau)
  • Thomas Michel: Die Familie Weikersheimer - Leben als Dorfjuden über sechs Generation. In: 741 - 1991. 1250 Jahre Gaukönigshofen. Gemeinde Gaukönigshofen (Hrsg.), S. 72 ff. (Stadtbücherei Würzburg Dem Gau) (Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis der Gemeinde Gaukönigshofen.)

Einzelnachweise und Hinweise

  1. Gemeindearchiv Gaukönigshofen (GDAG) G/ Ordner 1901/822 Register für Gewerbeanmeldungen pro 1891-1912. Jahrgang 1891. Vgl. GDAG G/ Ordner 1901/822 Register für Gewerbeanmeldungen pro 1891-1912. Jahrgang 1899.
  2. Durch den Zusammenschluss und die dadurch mögliche Erweiterung des Handels in Bezug auf Raum und Kapital bereiteten sie den Übergang vom traditionellen jüdischen Viehhändler zum Viehgroßhandel vor. Diese Entwicklung wurde durch den frühen Tod des 47jährigen Löb Weikersheimer im Jahr 1905 vorerst unterbrochen, da dessen erstgeborener Sohn Bernhard erst neun Jahre alt war.
  3. Etwa Ochsenfurter Stadt- und Landbote v. 8. Oktober 1918
  4. Bernhard Weikersheimer („Brillebär“) war 17jährig bei Kriegsausbruch im Viehgeschäft seines Onkels Enslein beschäftigt. Er meldete sich als Kriegsfreiwilliger und kehrte erst am Ende des Krieges nach Fronteinsatz in seiner Heimatgemeinde zurück.
  5. Das Geschäftsvolumen der Gaukönigshöfer Viehhändler (Das Folgende gilt für die „Compagnie“, in der Enslein und sein Neffe Bernhard Weikersheimer bis 1923 zusammenarbeiteten, ist aber dann nach 1923 auf die neugegründete „Compagnie“ übertragbar) schlug sich auch in den Auslastungsziffern der Gaubahn nieder. Nur für zwei Bahnhöfe auf der Strecke von Ochsenfurt nach Röttingen ist ein nennenswertes Viehtransportvolumen zu verzeichnen. Im Jahr 1920 sind es in Gaukönigshofen 46% und in Aub-Baldersheim - in Aub gab es ebenfalls bedeutende jüdische Viehhändler - 47% des Gesamtvolumens.
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