Franz Josef Michel
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Franz Josef Michel (* 10. September 1890 in Gaukönigshofen; † 20. Dezember 1961 in Ochsenfurt) war von 1933 bis Mitte April 1945 Bürgermeister von Gaukönigshofen und einer der wichtigsten Funktionsträger der NSDAP in der Gemeinde.
Leben und Wirken
Jugend und Erster Weltkrieg
Franz Josef Michel entstammte einer katholisch verwurzelten Bauernfamilie des Ortes. Er ergriff den Beruf des Landwirts und lernte am Hof des Vaters. Vom 20. Oktober 1911 bis 20. September 1913 leistete er seinen Wehrdienst beim 9. Infanterieregiment in Würzburg ab und kehrte anschließend wieder auf den Hof seines Vaters zurück.
Kurz nach der Mobilmachung des bayerischen Heeres wurde Michel am 6. August 1914 zum Ersatzbataillon des 9. Infanterieregiments nach Würzburg eingezogen und an der Westfront eingesetzt. Im Februar 1915 wurde er bei Ypern verwundet und ausgezeichnet. Nach seiner Genesung bildete man ihn in Würzburg zum MG-Schützen aus und schickte ihn wieder an die Westfront. Nach nochmaliger Verwundung in Flandern am 21. September 1917 wurde er ins Lazarett nach Stendal eingeliefert. Er erlebte das Kriegsende im November 1918 als dreifach dekorierter Gefreiter.
Politische Entwicklung
Michel betätigte sich bereits bei der Gemeinderatswahl 1924 politisch, als er sich mit einer Christlichen Liste gegen eine andere Liste stellte, auf welcher auch Gaukönigshöfer Juden platziert waren. Dieser bereits hier zu Tage tretende Antisemitismus dürfte jedoch eher konfessioneller, als rassistischer Natur gewesen sein, da er ja BVP-Mitglied blieb. Michel scheint bereits seit den zwanziger Jahren einen Ehrgeiz auf das Bürgermeisteramt entwickelt zu haben. [1] Dieses Ziel konnte er durch einen Beitritt der zur regierenden Partei NSDAP im Juni 1933 erfüllen. [2]
Bürgermeister von Gaukönigshofen
Bei der Bürgermeisterwahl vom 24. April 1933 wurde der Kandidat der Bayerischen Volkspartei (BVP) [3] Franz Mark zum 1. Bürgermeister gewählt. Dieser wurde seitens der Sonderkommission am Bezirksamt Ochsenfurt jedoch nicht bestätigt, da er als „Schwarzer“ galt. Die Kreisleitung in Ochsenfurt schlug unterdessen Anfang Juni den kurz zuvor der NSDAP beigetretenen Franz Josef Michel vor.
Bei der Neuwahl am 19. Juni 1933 erhielt der Landwirt Franz Josef Michel die meisten Stimmen. Michel war selbst ursprünglich BVP-Mitglied und trat erst am 1. Juni 1933 unter der Mitgliedsnummer 2676867 in die NSDAP ein, eventuell war das der Grund, warum er als Bürgermeister bestätigt wurde. Seine Tätigkeit als Amtsleiter führte er wohl eher passiv aus. Die NS-Weltanschauungspolitik wurde vor allem durch die Ortsfremden, den Lehrer Emil Fritz und den Arzt Richard Baumeister, vertreten und wirkte sich somit nicht unmittelbar auf das dörfliche Zusammenleben aus. Michels politischen Ambitionen im Ort konnten aus den Gemeinderatsprotokollen teilweise rekonstruiert werden.
Judenfrage in Gaukönigshofen
Am 23. September 1934 erfolgte die Vereidigung des Bürgermeisters und der Gemeinderäte aufgrund des Reichsgesetzes vom 12. September 1934 auf den Reichskanzler und sogenannten „Führer“ Adolf Hitler. Im August 1935 - also noch vor den „Nürnberger Gesetzen“ [4] [5] - verabschiedete der Gaukönigshofener Gemeinderat ohne Druck von oben eine „ortspolizeiliche Vorschrift bezüglich der Judenfrage“:
- Der Zuzug von Juden in hiesiger Gemeinde ist verboten.
- Der Ankauf von Haus und Grundbesitz durch Juden ist in hiesiger Gemeinde verboten.
- Besuche bei Juden haben sich innerhalb 3 Tagen bei der Ortspolizeibehörde anzumelden.
Am 5. Juli 1936 verabschiedete der Gemeinderat die Entscheidung zu einer Flurbereinigung, in welcher die bisherige Grenze der Steuergemeinde geändert wurde. Am 22. November 1936 kam es zu Grundabtretungen an das Deutsche Reich anlässlich des Bau der Flugplatzbahn von Gaukönigshofen zum Fliegerhorst Giebelstadt.
Bei der nur noch pro Forma durchgeführten Gemeindewahl vom 7. März 1937 kam es zur Wiederberufung des 1. Bürgermeisters Michel durch die NSDAP-Kreisleitung. In jenen Jahren begannen sich auch die antijüdischen Tätigkeiten des Gemeinderats weiter auszubilden. Es mutet als einen absichtlichen Vorgang an, dass am 15. August 1937 im Gemeinderat beschlossen wurde, im Kontor der ehemaligen Firma Weikersheimer ein Hitlerjugendheim einzurichten. Im Januar 1937 wurde Michel zum Amtswalter der neu im Ort gegründeten NSV-Ortsgruppe [6] ernannt und besuchte dafür einen Lehrgang der Gauschulungsburg in Königsberg/ Bayern vom 17. Januar 1937 bis 23. Januar 1937.
In den Jahren 1938 bis 1939 mussten schließlich alle im Ort lebenden Juden ihre Immobilien und ihren Grund und Boden zu Spottpreisen an die deutsche Bauernsiedlung verkaufen. Ca. 20 Hektar wurden somit „arisiert“. Auch die Gemeinde bediente sich am jüdischen Besitz. So kaufte der Gemeinderat am 15. April 1939 das jüdischen Anwesens der Kleemanns, das sogenannte „Schlössle“ mit der Hs. Nr. 93 als Gemeindehaus an. Mit Kriegsbeginn hatte die Gemeindeverwaltung für reibungslosen Briefverkehr zwischen Angehörigen, eingezogenen Soldaten und verschiedenen Ämtern, dem Erstellen von RFU-Bescheiden und der Aufbringung der Kriegsumlagen zu sorgen. Das Kleemannshaus wurde währenddessen ab 9. September 1941 als Kriegsgefangenenunterkunft genutzt.
Zweiter Weltkrieg
Von den Auswirkungen des von den Nationalsozialisten entfesselten Krieges, den Michel als kleines Rädchen im System unter Millionen anderen durch seine Tätigkeit als NS-Amtsträger mit vorbereitet und unterstützt hatte, wurde er direkt und schmerzvoll getroffen. Sein ältester Sohn Stefan Michel fiel am 25. August 1943 in der Ukraine, sein nachgeborener Sohn Martin verstarb am 27. Oktober 1944 auf einem Verbandsplatz in Ungarn. Beim Herannahen der Amerikaner am 1. April 1945 hatte die Parteileitung in Gaukönigshofen bereits ihre Uniformen und Fahnen verbrannt und versteckte sich in „Zivil“ im Keller, während einige fanatisierte Luftwaffensoldaten den amerikanischen Panzern mit einem Maschinengewehr und einigen Panzerfäusten am Hang zwischen Gaukönigshofen und Wolkshausen Paroli bieten wollten. 4 von ihnen mussten diesen sinnlosen Versuch mit dem Leben bezahlen, außerdem brannten mehrere Scheunen und Häuser des Ortes durch den amerikanischen Panzerbeschuss nieder.
Zeit nach 1945
Kurz nach der Befreiung des Dorfes traf der ehemalige Gaukönigshöfer Werner Kleemann dort ein. Er hatte als Jude 1938 das Deutsche Reich verlassen und war 1941 der US-Army beigetreten. Nun kehrte er als Sergeant in seinen Heimatort zurück und verhaftete die früheren NS-Mitglieder. So wurde Franz Josef Michel von Mai 1945 bis Herbst 1946 in ein Internierungslager der US-Armee eingewiesen. Am 24. Juni 1948 hat ihn die Spruchkammer Ochsenfurt im Zuge des Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus in die Gruppe III der „Minderbelasteten“ eingereiht. Er wurde zu einer Geldsühne von 100 Mark verurteilt, außerdem musste er die Kosten des Verfahrens tragen.
Siehe auch
- Bürgermeister Gaukönigshofen
- Emil Fritz
- Geschichte der jüdischen Gemeinde Gaukönigshofen
- Landmaschinenfabrik Weikersheimer (Gaukönigshofen)
- Martin Michel
- Personen, die in Gaukönigshofen geboren sind
- Richard Baumeister
- Stefan Michel
Quellen und Literatur
- Georg Menig/Gemeindearchiv Gaukönigshofen
- Thomas Michel: Die Juden in Gaukönigshofen/Unterfranken (1550 - 1942). Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Band 38, Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH 1988 (Stadtbücherei Würzburg Dkl 1 Gau)
Hinweise und Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Michel, Juden in Gaukönigshofen, S. 448
- ↑ Vgl. Michel, Juden in Gaukönigshofen, S. 449
- ↑ Informationen zur Bayerischen Volkspartei im Historischen Lexikon Bayerns
- ↑ Am 15. September 1935 erließ Adolf Hitler die sogenannten Nürnberger Gesetze. Mit ihrem Inkrafttreten war die rechtliche Grundlage für die Verfolgung der Juden in Deutschland geschaffen. Antisemitismus war fortan nicht nur legal, sondern gesetzlich verordnet.
- ↑ Bundeszentrale für politische Bildung: „1935: Nürnberger Gesetze treten in Kraft“
- ↑ Informationen zur Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt bei Wikipedia [1].