Landmaschinenfabrik Weikersheimer (Gaukönigshofen)
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Die Landmaschinenfabrik Weikersheimer war ein Unternehmen für landwirtschaftliche Maschinen, welches vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre in Gaukönigshofen existierte.
Anfänge und Ausbau der Fabrik bis 1914
Einen besonderen Betrieb in Gaukönigshofen stellte die Landmaschinenfabrik Weikersheimer dar. Sie wurde 1898 von den ortsansässigen Gaukönigshöfer Juden Ignaz und Vitus Weikersheimer [1] als „landwirtschaftliches gewerbliches Maschinengeschäft und Commissionsgeschäft“ gegründet und spezialisierte sich einige Jahre später auf den Verkauf und die Instandhaltung von vornehmlich aus den USA importierten Geräten, wie etwa Mähmaschinen. [2] Ihren späteren Erfolg verdankten sie unter anderem der in den 1840er Jahren in den USA erfundenen Mähmaschine des Systems McCormick [3], für deren Verkauf sie im Ochsenfurter Stadt- und Landboten inserierten. [4] 1904 beschäftigten die beiden Brüder zwei Schlosser und entschieden sich, dass ihr Geschäft in Maschinenbauanstalt Gaukönigshofen umbenannt werden sollte. Die Firma ging nach Erschließung eines Kundenkreises zur Eigenproduktion von einfachen handverschraubten Geräten über. Diese wurden auf den landwirtschaftlichen Ausstellungen in Unterfranken angeboten. [5] Die Produktionspalette der Firma erweiterte sich über den Krieg beständig, so dass in den zwanziger Jahren zehn verschiedene Maschinentypen in Bayern sowie in den Zweigniederlassungen Hamburg und München angeboten und nach Verkauf auch gewartet und mit Ersatzteilen versorgt werden konnten. [6]
Klaus Herrmann vermutet, dass die unterfränkischen Landwirte jener Zeit technischen Neuerungen reserviert gegenüberstanden und deshalb eine charismatische Verkäuferpersönlichkeit nötig war, um ihnen neue Landmaschinen zu verkaufen. [7] Eine Persönlichkeit, über welche die beiden in Gaukönigshofen geborenen und aufgewachsenen Brüder Weikersheimer zweifellos verfügt haben müssen. Durch die Mechanisierung der Landwirtschaft gelang es der Fabrik Weikersheimer auf ihrem begrenzten Firmengelände in Gaukönigshofen einige neue Arbeitsplätze für Schlosser, Lackierer und Schmiede zu schaffen. [8] 1908 brannte die Lackiererei vollständig ab, sodass am Rande der Ortschaft ein neues Betriebsgelände entstand, welches Bürogebäude, Werkstatt, Lagerhalle, Schreinerei und Lackiererei umfasste. 1913 wurde der Betrieb nochmals um eine Werkstatt erweitert und stellte damit eine gewichtige Manufaktur am Ortsrand in Richtung Rittershausen dar. [9] Der Betrieb beschäftigte bei Kriegsausbruch 1914 20 Arbeiter. Die Expansion von zwei auf 20 Arbeiter innerhalb von 11 Jahren ist der Geschäftspolitik der beiden Brüder Weikersheimer zuzuschreiben, welche die beginnende Mechanisierung der Landwirtschaft erkannt und darauf gesetzt hatten. [10]
Die Fabrik während des Ersten Weltkriegs
In Gaukönigshofen waren vor allem zwei Unternehmen besonders von den Auswirkungen des Krieges betroffen: Die Maschinenbauanstalt Weikersheimer und die Viehhandelscompagnie Weikersheimer. Die Maschinenbauanstalt fertigte während des Krieges weiterhin landwirtschaftliche Geräte wie Pflüge, Eggen und Mähbinder, oder bezog diese vom Großhändler zum Weiterverkauf an die Landwirte. [11] Die positiven Auswirkungen des Krieges auf die deutschen Landmaschinenhersteller machten sich auch bei der Firma bemerkbar. Mit Kriegsbeginn musste Ignaz Weikersheimer ebenso wie ein Teil der Belegschaft einrücken. [12] Sein Bruder Vitus Weikersheimer war zwar Reservist, wurde aufgrund der Firmenführung jedoch „unabkömmlich“ (uk) gestellt und konnte die Geschäfte weiterführen. Den Landmaschinenherstellern kam es zu, die wegfallenden Lebensmittelimporte auszugleichen und die fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzen. Deshalb wurde der Kauf von Landmaschinen vom landwirtschaftlichen Kreisausschuss sogar bezuschusst. [13] Die Produktion scheint über den Krieg stark gewachsen zu sein, womit auch in Gaukönigshofen der reichsweit steigende Trend des allgemeinen deutschen Landmaschinenausstoßes sichtbar wird. [14] Dies lässt sich auch daran erkennen, dass die Firma im Jahre 1917 Schlosser, Schmiede und Tagelöhner suchte, welche sie per Hilfsdienstgesetz zu beschäftigen gedachte. Alleine im Kriegsjahr 1916 stellte der Betrieb acht und im darauffolgenden Jahr wieder vier neue Arbeiter ein. [15]
Die Fabrik in der Weimarer Republik
Nach Kriegsende sollte die Firma der weithin größte Arbeitgeber der Region werden. [16] Die meisten Soldaten aus Gaukönigshofen kehrten nach dem Krieg in die Landwirtschaft zurück oder suchten Arbeit bei der Fabrik Weikersheimer, welche im Sommer 1919 bereits 80 Mitarbeiter aufwies. Im Herbst desselben Jahres kam es zu einem „Lohnstreik“ innerhalb der Fabrik. Von zu Beginn 40 Arbeitern ausgelöst, wuchs die Masse der Streikenden im September 1919 erst auf 60 und dann auf 80 Mitarbeiter an. Als Ergebnis des etwa 2 Wochen dauernden Streiks wurde der Acht-Stunden-Tag eingeführt. [17] Zu Beginn der zwanziger Jahre rutschten die deutschen Landmaschinenhersteller in eine Krise, die als „Scherenproblem“ bekannt wurde. Die Preise der landwirtschaftlichen Produkte stagnierten, beziehungsweise stiegen nur langsam, während für die landwirtschaftlichen Maschinen ein stetiger Preisanstieg zu verzeichnen war. Durch das Sinken der Einnahmen der Betriebe mittels zu billigem Weizen ging deren Kaufkraft und somit zugleich der Absatz der produzierten Landmaschinen zurück. Dieser Prozess konnte durch die Inflation in Deutschland zuerst aufgefangen werden, machte sich jedoch nach dem Stabilisieren der Währung umso stärker bemerkbar.
Die Maschinenbauanstalt Weikersheimer expandierte bis zum Jahr 1923 stetig und bot zu ihrem 25jährigen Jubiläum 106 Arbeitnehmern eine Arbeitsstätte. [18] Als einzige regionale Landmaschinenfabrik konnte die Firmenleitung weitgehend konkurrenzlos agieren und versorgte die Dörfer und Kleinstädte im Umkreis von 80 Kilometern. Zugleich unterhielt die Firma ihre Exportniederlassungen in Hamburg und Berlin. Die Arbeit innerhalb der Fabrik wurde strukturiert in verschiedene Abteilungen. So etwa eine für Walzen, eine für Putzmühlen, für Mähwerkzeuge, etc. Für jeden Bereich war ein Werkmeister zuständig und den Abteilungen ein Abteilungsleiter vorstehend. Allen Abteilungen stand ein Betriebsleiter vor. Eine eigene Stromversorgung wurde ebenso angelegt, wie eine Betriebsschreinerei, zudem wurden eigene LKWs zur Reparatur und Kundenbetreuung beschafft. Der Betrieb der Firma erfolgte durch Zweischichtsystem. Ihre Arbeiter rekrutierten sich nicht nur aus dem Ochsenfurter Gau, sondern auch aus dem Württembergischen und den Maintalgemeinden. Anfang der zwanziger Jahre stellte die Maschinenbauanstalt Weikersheimer die mit Abstand größte Fabrik im Bezirksamt Ochsenfurt dar. Diese schien so wichtig zu sein, dass der Bezirksamtmann über den erwähnten Streik sogar dem Innenminister berichtete. [19]
Zunehmend schlechtere Geschäftslage und Konkurs
Im Jahre 1924 begann der wirtschaftliche Niedergang der Firma. Durch die oben beschriebene Scherenproblematik waren Missstände entstanden, die durch die Währungsreform erst richtig spürbar wurden. Um konkurrenzfähig zu bleiben, wurden Rationalisierungen notwendig. Der schwerste Fehler der Gebrüder Ignaz und Vitus Weikersheimer war das Versäumnis, den Wert der Serienproduktion nicht zu erkennen. In ihrer Firma wurden Produkte mit zu vielen Einzelteilen, die mühsam von Hand zusammengeführt werden mussten und viele Arbeitsschritte erforderten, hergestellt. Der Rückgang der Verkaufszahlen führte zu massiven Kürzungen und daraus folgenden Kündigungen. 1927 beschäftigte die Firma nur noch 46 Mitarbeiter. [20]
Zu jener Zeit stellte die Fabrik die „Held“-Fabrikate Stahlackerwalzen, Saat- und Ackereggen, Federzahn-Kultivatoren, Getreide-Putzmühlen und Handhacken her oder verkaufte diese als Importe. Vitus Weikersheimer hatte in den USA viele Maschinen auf Kredit gekauft und somit hohe Betriebsschulden angehäuft. Mit dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre forderten die amerikanischen Gläubiger ihre Verbindlichkeiten ein. Solche hohen Ausgaben konnte die Firma nicht verkraften. Vitus Weikersheimer stellte daraufhin ungedeckte Wechsel in Höhe von 120.000 Reichsmark für die Firma aus. Dazu kam 1928 ein ungedeckter Großauftrag von 10 Eisenbahnwaggons „Held“-Kultivatoren nach Bulgarien. Diese Lieferung wurde vom Geschäftspartner aus Hamburg nie bezahlt. Wohl aus Angst vor der Insolvenzverschleppung und rechtlichen Folgen floh Vitus Weikersheimer im Oktober 1930 nach Brasilien und ließ Gläubiger und Heimatland hinter sich. Am 10. November 1930 eröffnete das Amtsgericht Aub das Konkursverfahren gegen die Firmeninhaber Ignaz und Vitus Weikersheimer. Da Vitus sich abgesetzt hatte, wurde Ignaz, der von der prekären Finanzsituation nichts gewusst haben wollte, verpflichtet, sein Privatvermögen zur Verfügung zu stellen und durfte den Ort nicht mehr verlassen. [21]
Als Konkursverwalter wurde der Rechtsantwalt Dr. Kraemer in Ochsenfurt bestellt. Nach einigen Recherchen wurde eine Aufstellung der Forderungen in Höhe von 365.000 Reichsmark festgestellt. Diese unterteilte sich in 137.000 RM Waren- und 228.000 RM Bankschulden. Zuerst wurde beschlossen, die Fabrik weiterzuführen, um die vorhandenen Rohmaterialien und Halbzeuge fertigzustellen. Am 1. April 1931 wurden hierfür noch 18 Arbeiter und sieben Angestellte vom Konkursverwalter beschäftigt. Der Verkauf der verbliebenen landwirtschaftlichen Geräte kam jedoch nur schleppend voran, sodass auch dazu übergegangen wurde, die Wagenflotte des Betriebs zu veräußern. Aufgrund der beginnenden Depression innerhalb der Wirtschaft konnte jedoch ein PKW der Firma, ein „Studebaker“, überhaupt nicht verkauft werden und wurde 1935 für 200 Mark zum Ausschlachten gegeben. Die Konkursverhandlungen zogen sich durch verschiedene Prozesse mit Gläubigern und Schuldnern bis Frühjahr 1935 hin. Bei der im Dezember 1935 endlich stattfindenden Schlussverteilung standen 18.361 RM zur Verfügung. Hiervon gingen an die Gläubiger mit Vorrecht jedoch 1.995 RM und an den Konkursverwalter 6.340 RM. Für die nicht bevorrechtigten Gläubiger verblieben somit nur noch 8.691 RM der ehemaligen Gesamtforderungen von 365.140 RM. Dies entspricht einer Quote von 2,38 Prozent. [22]
Durch den Konkurs der Maschinenbauanstalt Weikersheimer endeten über dreißig Jahre Landmaschinenbau im Ochsenfurter Gau und die Gemeinde Gaukönigshofen verlor die größte Firma die sie in ihrer Geschichte jemals hatte. Die hohe Summe an Gläubigerschulden, welche nicht bezahlt wurden sowie das Absetzen des Vitus Weikersheimer nach Brasilien, schürten unterdessen den Unmut der Bevölkerung gegen die jüdischen Geschäftsleute und trieben der immer stärker werdenden NSDAP wohl auch im Ochsenfurter Gau neue Wähler zu.
Produktkatalog und Schriftstück
Siehe auch
- Die Familie Weikersheimer in Gaukönigshofen
- Geschichte der jüdischen Gemeinde Gaukönigshofen
- Viehhandelscompagnie Weikersheimer (Gaukönigshofen)
Quellen und Literatur
- Für die freundliche Unterstützung danken wir Georg Menig und dem Gemeindearchiv Gaukönigshofen.
- Georg Menig: Der Große Krieg im kleine Raum - Krieg und Kriegserfahrung im ländlichen Unterfranken am Beispiel des Ortes Gaukönigshofen 1914-1918/19. Mainfränkische Hefte 116, Spurbuchverlag, 2018, ISBN: 978-3-88778-533-8
- Thomas Michel: Die Juden in Gaukönigshofen/Unterfranken (1550-1942). F. Steiner Verlag GmbH, Wiesbaden 1988 (Stadtbücherei Würzburg Dkl 1 Gau)
Einzelnachweise und Erläuterungen
- ↑ Die jüdische Familie Weikersheimer lebte über sechs Generationen in Gaukönigshofen. 1789 heiratete Ensel Levi aus Weikersheim die Tochter eines Fürstbischöflichen Schutzjuden und kam so nach Gaukönigshofen. Im Mai 1817 - alle Juden stehen seit der Säkularisation „unter dem Schutz“ des neuen Landesherrn, dem König von Bayern - werden alle Juden des Dorfes Gaukönigshofen ins „Amte“ nach Röttingen bestellt und dort müssen sie bezeugen, „daß sie der Constitution und den Gesetzen des Reiches gehorchen und dem König treu seyn wollen“ so wie einen Familiennamen annehmen. Bisher waren sie, meist mit dem Zusatz „Jud“ versehen, nur mit ihrem Vornamen genannt worden. Ensel Levi nennt sich nach seinem Geburtsort „Weikersheimer“.
- ↑ Vgl. GDAG (Gemeindearchiv Gaukönigshofen) Ordner 1901/880 Register für Gewerbeanmeldungen pro 1891 – 1912. Papiereinlage Jahrgang 1900. Vgl. auch Thomas MICHEL: Die Juden in Gaukönigshofen/Unterfranken (1550-1942). Wiesbaden 1988, S. 287
- ↑ Vgl. Illustriertes Landwirtschafts-Lexikon. 4. neub. Aufl.. Berlin 1910. Stichwort „Mähmaschine“ S. 565-566
- ↑ BAB (Bezirksamt Ochsenfurt) 55/1902. S. 251. Annonce Firma Weikersheimer
- ↑ Vgl. MICHEL, Juden in Gaukönigshofen, S. 289
- ↑ Vgl. Verband der Deutschen Landmaschinenindustrie (Hg.): Die Standorte und Erzeugnisse der Deutschen Landmaschinen-Industrie. Berlin 1927, S. 67
- ↑ Vgl. Klaus HERRMANN: Regionale Schwerpunkte in der Herstellung landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen. In: POHL, Hans (Hg.): Gewerbe und Industrielandschaften vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Stuttgart 1986. S. 497
- ↑ GDAG G/ 1901/822 Betriebszählung 1908
- ↑ GDAG G/ 600 Baupläne. Errichtung einer Werkhalle v. 30. August 1913 Vgl. auch MICHEL, Juden in Gaukönigshofen, S. 291
- ↑ Vgl. MICHEL, Juden in Gaukönigshofen, S. 289
- ↑ OSLB (Ochsenfurter Stadt- und Landbote) v. 19. Juni 1918
- ↑ Vgl. GDAG G/ 080 Liste der Kriegsteilnehmer Gaukönigshofen
- ↑ Vgl. MICHEL, Juden in Gaukönigshofen, S. 292., vgl. BAB 13/1918. S: 50. Bekanntmachung betreffend Landwirtschaftliche Maschinen v. 20. April 1918
- ↑ Vgl. Rudolf AHRENS: Die deutsche Landmaschinenindustrie. Ihre Entwicklung und ihre heutige Lage. Greifswald 1926. S. 81
- ↑ Vgl. OSLB v. 27. August 1917. GDAG Ordner 1901/822 Verzeichnis der Einkommen- und Gewerbesteuerzugänge in Gaukönigshofen 1912 -1931. Jahrgang 1916
- ↑ Vgl. 741 - 1991. 1250 Jahre Gaukönigshofen. Gemeinde Gaukönigshofen (Hg.) S. 202
- ↑ Vgl. MICHEL, Juden in Gaukönigshofen, S. 351
- ↑ Vgl. Ders. Ebd. S. 351
- ↑ Vgl. Ders. Ebd. S. 351-352
- ↑ Ders. Ebd. S. 357
- ↑ Ders. Ebd. S. 357-362
- ↑ Vgl. Ders. Ebd. S. 362-365