St. Gertraud (Altstadt)
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Die katholische Pfarrkirche St. Gertraud in Würzburg in der Altstadt/Innere Pleich wurde im 12. Jahrhundert erbaut.
Lage
Die Pfarrkirche liegt am Pleicherkirchplatz, dem zentralen Platz in der Inneren Pleich nördlich der Juliuspromenade.
Patrozinium
Heilige Gertrud von Nivelles (* um 626 in Nivelles (Belgien); † 17. März 659 ebenda), Äbtissin im dortigen Kloster. Gertruds außerordentlicher Eifer für die Betreuung von Kranken, Witwen, Pilgern und Gefangenen ließ sie zur besonderen Patronin von Spitälern werden, die im Mittelalter allenthalben ihren Namen tragen. Früher berührte man in der (früher auch „Pleichacher Kirche“ genannten [1]) Pleicher Kirche bei Augenleiden mit der „heiligen Gertrudisschürze“ die Augen des Erkrankten. [2] Patrozinium ist am 17. März.
Geschichte
St. Gertraud wurde ca. 1130 vom Brücken-, Dom- und Stadtbaumeister Enzelin als Eigenkirche erbaut und 1133 von Bischof Embricho zur Pfarrkirche erhoben. 1248 ging das Patronat auf das Frauenkloster St. Markus über. 1250 wurde der frühgotische Chor errichtet und durch Konrad von Hochstaden, Erzbischof von Köln, im gleichen Jahr konsekriert. Am 12. März 1612 wurde die Kirche bis auf den Chor abgebrochen und unter Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn 1612/1613 in seiner heutigen Gestalt und den Abmessungen neu erbaut. Die Konsekration erfolgte durch Weihbischof Eucharius Sang am 18. November 1613.
Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 wurde die Kirche mit der Inneneinrichtung zerstört; erhalten blieb nur die Sakristei und ihre Einrichtung. Am 22. Oktober 1950 konnte der erste Gottesdienst in der wieder aufgebauten Kirche gehalten werden. Am 1. März 1953 weihte Bischof Julius Döpfner die neuen Altäre. Es folgten die Orgel von Weiß/Zellingen (1954), die Echterhaube des Turmes und die vier neuen Glocken (1956) und die Turmuhr (1965). Dreimal machte der Dachstuhl Sorgen, und zwar in den Jahren 1957, 1963 und 1971. In den harten Aufbaujahren hatte man ihn zu sparsam berechnet. Er musste mit hohen Kosten verstärkt, die Kirchendecke neu eingezogen und das Dach neu gedeckt werden. 1978 erfolgte die Doppelverglasung der Fenster, 1981 eine vollständige Innenrenovierung.
Baubeschreibung
St. Getraud ist ein einschiffiger, nachgotischer Bau. Das Langhaus ist flachgedeckt und besitzt vier Fensterachsen mit Spitzbogenfenstern. Die Sakristei befindet sich nördlich vom Chor. Der Westturm ist ausspringend und erhebt sich quadratisch. Über dem hohen Untergeschoss erheben sich zwei durch Gurten getrennte Obergeschosse mit anschließendem Spitzhelm als Dach. Die Höhe des Turms beträgt ca. 35 Meter.
Am Westportal befinden sich Steinplastiken der Hl. Gertraud (links) und des Hl. Adrianus (rechts), ursprünglich Arbeiten von Michael Kern, heute ersetzt durch Kopien von 1885. Über dem Portal ist das Wappen des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn angebracht. Der Ölberg aus grünem Sandstein zwischen Turm und Langhaus stammt aus der Zeit um 1500, das Eisengitter von 1630. 1991 wurde der Ölberg renoviert.
Pumpbrunnen neben der Pfarrkirche
Innenraum
Der Altar aus Muschelkalk wurde am 1. März 1953 zu Ehren der Hl. Gertraud von Bischof Julius Döpfner konsekriert und 1972 in die Chormitte (versus populum) verschoben.
Der Tabernakel, der 1952 geschaffen wurde, stammt aus der Werkstatt von Max Bessler. Das mächtige Chorkreuz mit Korpus (Holz mit Kupfer beschlagen) wurde 1962 von Julius Bausenwein, der rechte Seitenaltar mit der Schutzmantelmadonna aus Muschelkalk ebenfalls 1962 von Otto Sonnleitner geschaffen. An der linken Stirnseite des Langhauses Muschelkalkplastik der Heiligen Gertraud von Lothar Bühner aus dem Jahre 1981, darunter zwei Reliquien-Pyramiden von 1806 und der neue Adriansschrein von Michael Amberg aus dem Jahre 1978. In dem kleinen Schrein werden die 1945 dem Feuer zum Opfer gefallenen Reste vom Schrein mit dem „Heiligen Leib“ des Märtyrers Adrianus aufbewahrt. Die Reliquien wurden 1628 von Rom über die Dominikanerinnen des Marxer Klosters nach Würzburg übergeführt, 1631 von dem schwedischen Obristen Storch im Dreißigjährigen Krieg geraubt und 1657 wieder zurückgegeben. Bei der Säkularisation 1803 wurden sie in die Sakristei von St. Gertraud gerettet und 1806 von Pleicher Bürgern neu gefasst und in der Pfarrkirche St. Gertraud aufgestellt.
Die 14 Relief-Kreuzwegstationen aus Terrakotta an der linken Seitenwand des Langhauses fertigte Willi Röder; sie befinden sich seit 1955 in der Kirche.
An der südlichen Innenwand der Kirche befinden sich zahlreiche Epitaphien (von vorne nach hinten aufgeführt):
- Gedenkstein für den Hl. Albert
- Hans Schiler († 24. März 1492) und Frau, Metzgerobermeister, Mitglied des Stadt-Oberrates. Der Stein wurde schon zu Lebzeiten angefertigt. 1981 in 60 cm Tiefe innerhalb des rechten Seitenportals gefunden.
- Familie Baiß: Kilian († 1531), Anna († 1537), Hans († 1543), Kunigunde († 1544). Aus der Werkstätte von Georg Riemenschneider.
- Fragment aus dem Trümmerschutt von 1945, 1981 wieder angebracht.
- Epitaph ohne Inschrift, um 1630 - 1650.
- Johann Ankenbrand, Senior der Bürgerschaft, Viertelschreiber in der Pleichach, Organist († 27. Mai 1705, 92 Jahre alt).
- Ehepaar, um 1620. Zeitweise als Altarplatte verwendet, wodurch die Umschrift teilweise verdorben wurde.
- Johann Michael Planck, Schulmeister zu Pleichach von 1690.
Die fünf zuletzt genannten Grabdenkmäler waren bis 1981 an der Außenwand der Kirche angebracht.
Die Orgel mit 29 Registern fertigte die Fa. Weiß (Zellingen) 1954. Unter der Empore befindet sich ein Taufstein von Franz Martin aus dem Jahre 1956, der zugehörige Metalldeckel stammt von der Fa. Gredel aus Würzburg. Im Eingangsbereich ist eine Kreuzigungsgruppe aus Sandstein aus der Zeit nach 1475 angebracht, die ehemals mit der Rückseite nach außen im linken Seitenaltar eingemauert war und nach 1945 wieder entdeckt wurde; sie dient heute als Gedenkstein für die Opfer des Krieges.
Geläut
Die vier Glocken stammen alle von der Gießerei F.W. Schilling aus Heidelberg und wurden 1956 gegossen.
- Gl. 1 | e' | 1591 kg | 1330 mm | F.W. Schilling, Heidelberg (1956)
- Gl. 2 | fis' | 1102 kg | 1180 mm | F.W. Schilling, Heidelberg (1956)
- Gl. 3 | gis' | 753 kg | 1040 mm | F.W. Schilling, Heidelberg (1956)
- Gl. 4 | h' | 415 kg | 860 mm | F.W. Schilling, Heidelberg (1956)
Glockengeläut (Video)
„Die vier Glocken der Pfarrkirche Sankt Gertraud in der Pleich (Turmaufnahme)“ von glockenzeit
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Pfarreiengemeinschaft
Die Kirche St. Gertraud gehört zur Pfarreiengemeinschaft Würzburg Innenstadt-Nord.
Seelsorger (Auswahl)
- Georg Michael Renck (1664-1685)
- Johannes Georg Schunck (1685-1686)
- Georg Christian Krieg (1692-1696)
- Caspar Bernhard (1696-1700)
- Johann Kissner (1700-1704)
- Joannes Conradus Schwab (1704-1721)
- Johann Paul Lehrieder (um 1754)
- Anton Dominicus Bonn (1766-1775)
- Franz Thomas Bauer (1778-1805)
- Johann Jakob Heydenreich (1805-1835)
- Johann Michael Beringer (1836-1843)
- Ludwig Wickenmayer (1844-1861)
- Christian Joseph Kopp (1862-1877)
- Adam Joseph Sebold (1878-1879)
- Dr. Engelbert Lorenz Fischer (1893-1920)
- Franz Werthmann (1923-1945)
- Alfons Kempf (1945-1959)
- Otmar Wiedemann (1960-1977)
- Alfred Rost (1977-2000)
- Erhard Kroth (2009-2011)
- Jürgen Vorndran (2011-2021)
- Stefan Gessner (seit 2021)
Pfarreiengemeinschaft
Die Pfarrei St. Gertraud gehört zur Pfarreiengemeinschaft Würzburg Innenstadt-Nord.
Siehe auch
- Baudenkmäler in Würzburg
- Kirchengebäude in Würzburg
- Neues Licht Würzburg
- Pastoraler Raum Würzburg Nord-Ost
- Pfarrhaus St. Gertraud
Quellen und Literatur
- Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Baudenkmäler in Würzburg, Nr. D-6-63-000-429
- Felix Mader: Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern. Band XII, Hrsg.: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, R. Oldenbourg Verlag München/Wien, Würzburg 1915, S. 196 ff.
- Rudolf Edwin Kuhn: 850 Jahre St. Gertraud in der Würzburger Pleich, Würzburg 1984, S. 8 ff. (Onlinefassung)
- Anton Ruland, Engelbert Lorenz Fischer: Die Kirche und die Pfarrherren von St. Gertraud in Würzburg von 1248-1920. Würzburg 1919.
- St. Gertraud - Würzburg. Festschrift vom Katholischen Pfarramt St. Gertraud zum Jubiläum 1983.
- Thomas Wehner (Bearb.): Realschematismus der Diözese Würzburg. Dekanat Würzburg-Stadt, 1992, S. 87 ff.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Intelligenzblatt für den Unter-Mainkreis des Königreichs Bayern (1831), Nr. 15 (Anhang), Würzburg: C. A. Bonitas'sche Buchdruckerei, Sp. 303
- ↑ G. Lammert: Volksmedizin und medizinischer Aberglaube in Bayern und den angrenzenden Bezirken, begründet auf die Geschichte der Medizin und Cultur. Würzburg 1869, S. 25