Heinz Schiestl

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Heinz Schiestl
Heinz Schiestl in seiner Werkstatt bei den Arbeiten für das Triumphbogenkreuz der Adalberokirche (1933/34)
Notgeld der Stadt Würzburg „Meister Dill" - Vorderseite (um 1915)
Notgeld der Stadt Würzburg „Meister Dill" - Rückseite (um 1915)

Heinz (Heinrich) Schiestl (* 23. Februar 1867 in Zell am Ziller; † 11. April 1940 in Würzburg) war Bildhauer und Grafiker.

Familiäre Zusammenhänge

Als erstes von vier Kindern des Tiroler Bildschnitzers Matthäus Schiestl d.Ä. wurde Heinrich, genannt Heinz Schiestl 1867 in Zell am Ziller in Tirol geboren. Alle drei Brüder (Heinz, Matthäus d.J. und Rudolf) besuchten zunächst die sieben Klassen der Peterer Schule und gingen anschließend beim Vater in die Lehre, der sich in seinen Söhnen tüchtige Mitarbeiter heranziehen wollte. Obwohl Matthäus d.J. und Rudolf Maler wurden, haben sie die Schnitzerlehre für wichtig gehalten. In der Stadt sahen sie zahlreiche Kunstwerke, vor allem die Figuren von Tilman Riemenschneider wurden eifrig studiert und abgezeichnet.

Leben und Wirken

Heinz ging zusätzlich vier Jahre in die Zeichen- und Modellierschule des Polytechnischen Zentralvereins. Hier unterrichteten ältere und erfahrene Kunsthandwerker an den Abenden und an Samstagnachmittagen, denn in der übrigen Zeit waren die Gesellen in der Werkstatt des Vaters unabkömmlich. Diese Studien hielt der Vater für völlig ausreichend für einen Bildschnitzer, nicht jedoch seine Freunde und Auftraggeber. Einer der Freunde, der energisch darauf drängte, dass die Söhne ein Kunststudium in München absolvieren müssten, war der Oberlehrer Grob, der einmal im Monat in seinem Schulhaus in Erlabrunn Maler, Zeichner, Lithografen und Bildhauer um sich versammelte, um über Kunst und Kunstwerke zu diskutieren, in vorgerückter Stunde vom Frankenwein beflügelt. Da der Vater zwischenzeitlich gut verdiente, konnte Heinz 1892 an die Mal- und Zeichenschule Schmid in München wechseln und studierte schließlich noch zwei Semester an der Münchner Kunstakademie bei Professor Syrius Eberle [1]. Genau wie seine jüngeren Brüder, die jeder drei Semester Malerei in München absolvierten, hat er von dieser Zeit wenig profitiert, denn dort erging man sich in Theorien und Allegorien.

Schaffen in Würzburg

Nach seiner Rückkehr nach Würzburg übernahm er die Werkstatt des Vaters. Beeinflusst wurde das Schaffen Schiestls durch die fränkische Spätgotik, insbesondere durch die Werke Tilman Riemenschneiders, die seine Liebe fanden und deren Formenschatz lange in seinen eigenen späteren Werken nachklang. Schiestl schuf meisterhafte kunstgewerbliche Plastiken, insbesondere zahlreiche Altäre, Kreuzwegstationen und weitere Ausstattungen für Kirchen im fränkischen Raum. Er schnitzte ganze Zimmerausstattungen, gestaltete Möbel, Leuchter, Glasfenster und vieles mehr. Die „Schiestl-Zimmer” wurden zu einem Begriff in Mainfranken. [2] Besonders schöne Beispiele finden sich auf Schloss Mainberg bei Schweinfurt, im Gasthaus „Zum Schwan” in Wertheim (heute verändert) und im Würzburger Ratskeller. Wie seine Brüder hat es auch Heinz Schiestl immer zum Malen und zur Grafik hingezogen. Bekannt wurde er als Gestalter der Kriegsnotgeldscheine. Seit Beginn des Ersten Weltkrieges musste das verschwundene Kleingeld, dessen Materialwert höher als der Geldwert lag, ersetzt werden. Dies geschah durch Gutscheine, die auf 5, 10, 25 oder 50 Pfennig lauteten. Da kein Papier mit Wasserzeichen verfügbar war, musste man Fälschungen durch komplizierte Aufdrucke verhindern. Heinz Schiestl konnte für die Gestaltung und Grafik gewonnen werden.

Dass Schiestl nach dem Ersten Weltkrieg kaum mehr für private Auftraggeber arbeitete, hatte seinen Grund in der immer schneller werdenden Inflation, die der Schicht der Kaufleute und Handwerker, Fabrikanten und Hausbesitzer sehr zusetzte oder sie ruinierte. Wer seinen Besitz verloren hatte oder wertlos gewordene Kriegsanleihen besaß, konnte sich den Luxus eines Schiestlzimmers oder auch nur einer Figur aus seiner Hand nicht mehr leisten.

In dieser sorgvollen Zeit erlag am 5. Mai 1922 seine Frau Linda (geb. Wölfel) nach langem Leiden einer heimtückischen Krankheit im Alter von 46 Jahren.

Im Jahre 1926 bezog er eine neue Werkstatt in der Dominikanergasse, die ihm die Augustiner direkt neben ihrer Kirche angeboten hatten. Seinen letzten und bedeutendsten Kreuzweg schnitzte Schiestl für ihre Kirche. Hier erreichte ihn der Gollhofener Pfarrer Wilhelm Sebastian Schmerl (* 1879 in Markt Einersheim), der 1926 an die Deutschhauskirche versetzt worden war, mit dem Auftrag, für die leergeräumte Kirche, die bis 1921/22 als Militäreffektendepot gedient hatte, einen Kruzifixus für den Altar zu schaffen. Es gelang Schiestl sehr realistisch den eben in den Tod eingehenden Christus und die Assistenzfiguren Maria und Johannes darzustellen.

Nachdem sein Bruder Rudolf am 30. November 1931 in Nürnberg gestorben war, wurde es um Heinz Schiestl stiller. Doch fanden sich immer noch Freunde, die ihn besuchten oder einluden, wofür er sich regelmäßig mit selbstgezeichneten Karten oder Skizzen aus seinem reichlichen Vorrat bedankte. Wenn es ihm an Anregung oder Zerstreuung fehlte, ging er zu den wöchentlichen Zusammenkünften der Roßperger oder zur Hetzfelder Flößerzunft. Schiestl war auch Mitglied der Blasmusiker-Vereinigung Ammerländer [3], deren Logo von ihm stammt. [4] Sein letztes Werk ist das Triumpbogenkreuz in der Adalberokirche, das er 1934 geschaffen hat.

Ehrungen und Auszeichnungen

1937 verlieh ihm die Stadt Würzburg den Tilman-Riemenschneider-Preis für Bildende Kunst und die Silberne Stadtplakette[5]

Letzte Ruhestätte

Ruhe- und Gedächtnisstätte der Familie Schiestl auf dem Würzburger Hauptfriedhof

Heinz Schiestl, der an Bauchwassersucht litt, wurde von den Ritaschwestern aufopfernd gepflegt. Er vermachte ihnen den ehemaligen Uhlschen Garten mit dem „Schiestlhaus” (Mittlerer Dallenbergweg 4), das bis zum Verkauf im Jahre 2019 „Marienfried” hieß. Über seinen Tod am 11. April 1940 in seiner Werkstatt an der Augustinerkirche berichtete am gleichen Tag Pfarrer Schmerl in einem Brief an seine Kinder:

„Zu ungewöhnlicher Stunde schreibe ich heute den Wochenbrief als Ersatz meines Mittagsschlafes. Heute ist mir der ganze Tag umgeworfen worden nach meinen 2 Schulstunden. Um 11½ Uhr ist der liebe Heinz Schiestl gestorben. Gestern nachmittag habe ich ihn noch besucht. Ich traf dort Stephan und die Frau Model. Heinz lag im Bett, war blaß und sehr müde. Er hatte zuletzt die Wassersucht. Als ich nach kurzem Besuch aufbrach mit der Bemerkung, ich wolle nicht länger stören, gab er mir die Hand und sagte fast stimmlos: 'Sie stören mich nicht.' Das war unser Abschied für dieses Leben. Uns allen geht sein Tod sehr nahe. Ich habe an diesem Mann in den 21 Jahren unserer Bekanntschaft nicht die Spur von Unlauterkeit gesehen [6].“

Heinz Schiestl wurde auf dem Würzburger Hauptfriedhof beigesetzt.

Werke

  • Neugotischer Hochaltar in der Burkarder Kirche (Gemeinsam mit dem Vater schnitzte er die Figuren. Die Gemälde schuf sein Bruder Matthäus.) 1895/96
  • Kreuzweg und Herz-Jesu-Altar und Herz-Mariä-Altar in St. Laurentius (Lengfeld) (Altäre gemeinsam mit seinem Vater Matthäus Schiestl d.Ä.) 1897
  • Schiestl-Stube im Würzburger Ratskeller, aus einem Blockhaus in der Annaschlucht stammend (nach 1900)
  • St.-Anna-Altar in der Adalbarokirche (alle Schiestl-Brüder gemeinsam) 1904
  • Tabernakel in der katholischen Pfarrkirche St. Laurentius in Marktheidenfeld (gemeinsam mit Matthäus Schiestl) 1904 [7]
  • Adalberokirche (Werke von 1894 bis 1934): Reliefs der Kirchenväter an der Kanzel, großes Abendmahlrelief des Herz-Jesu-Altars, Kreuzweg, Opferstock, St. Anna-Altar, Josefsaltar, Triumphbogenkreuz
  • Triumphkreuz für die Kirche in Grünmorsbach
  • Diverse Leuchter mit Brustbildern z.B. des Hl. Kilian
  • Altarbekrönungen des Hoch- und Josefsaltars in der katholischen Pfarrkirche St. Josef in Grombühl
  • Kirche Dorfprozelten: Altar und weitere Ausstattung ab 1907
  • Kilian, Kolonat und Totnan, Kopien der Riemenschneider-Holzfiguren in der Neumünster-Kirche 1910
  • Kirche St. Ludwig bei Wipfeld am Main: Zwei Hochreliefs für den Hochaltar und Figuren für die Seitenaltäre bis 1911
  • Ein weiterer Kreuzweg 1912
  • Große Bürgerstube im Weinhaus zum Stachel 1913
  • Vertäfelungen, Reliefs, Figuren, u.a. die Barbara-Statue und den Würzburger Dukatenscheißer [8] für den Würzburger Ratskeller 1914-1918
  • Kreuzweg in der katholischen Pfarrkirche Heilige Schutzengel und St. Jakobus der Ältere in Gaukönigshofen 1919
  • Pietà für das Kriegerdenkmal in Rieden 1923
  • Kreuzigungsgruppe in der Deutschhauskirche 1929/30
  • Fenster und Kruzifix im Frauenlandbäck 1930er Jahre
  • Verschiedene Figuren für die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul in Oberpleichfeld 1930er Jahre
  • Josefsaltar in der Herz-Jesu-Kirche (gemeinsam mit seinem Bruder Matthäus Schiestl) 1934

Bildergalerie

Werke in Würzburg

Neugotischer Hochaltar in der Burkarder Kirche
Schiestl-Stube im Würzburger Ratskeller
► Schiestl-Stube
Weinhaus zum Stachel

Werke außerhalb Würzburgs

Skulpturen in Eßfeld

Skupturen des Hl. Aloysius und Wendelin um 1900 in der kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul im Giebelstadter Ortsteil Eßfeld (gemeinsam mit seinem Vater Matthäus Schiestl d.Ä.).

Tabernakel in Marktheidenfeld

Tabernakel des Hochaltars aus dem Jahre 1904 in der katholischen Pfarrkirche St. Laurentius in Marktheidenfeld (Landkreis Main-Spessart).

Kreuzweg in Gaukönigshofen

Der Kreuzweg aus dem Jahre 1919 befindet sich in der katholischen Pfarrkirche Heilige Schutzengel und St. Jakobus der Ältere in Gaukönigshofen.

Pietà in Rieden

Pietà als zentrale Figur des Kriegerdenkmals für die Gefallenen beider Weltkriege in Rieden. Es befindet sich nahe der katholischen Pfarrkirche St. Ottilia.

Verschiedene Figuren in Oberpleichfeld

Auf der Orgelempore und an der südlichen Langhauswand der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul in Oberpleichfeld befinden sich verschiedene Figuren aus den 1930er Jahren.

Siehe auch

Quellen und Literatur

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Matrikeleintrag 00927 Heinrich Schiestl In: Matrikelbuch 1884-1920. Kunstakademie München, abgerufen am 4. November 2012.
  2. Heinz Schiestl nahm nur dort Aufträge für seine „Schiestl-Zimmer“ an, wo er den Hausherrn und die Gewohnheiten der Familie kannte, weil der Dutzendware nicht fertigen wollte. Seine Zimmer sollten einmalige, auf den Besitzer abgestimmte Kunstwerke sein, die in langen Sitzungen geplant wurden. Kommerzienrat Valentin Alois Fischer, der 1. Vorsitzende des Verschönerungsvereins Würzburg, zählte zu den Förderern Heinz Schiestls und ließ sich in seinem „Waldheim“ im Steinbachtal ein „Schiestl-Zimmer“ einbauen (Schreinerarbeiten Fritz Seitz), das die Bombennacht des Jahres 1945 überstand, von der Stadt Würzburg erworben und in den Würzburger Ratskeller eingebaut wurde. Trotz guter Angebote von Privatleuten war den Nachkommen von V.A. Fischer die öffentliche Verwendung ihrer „Waldheim“-Stube lieber. Siehe auch Main-Post: „Die ,Schiestl-Stube’ kommt aus einem Blockhaus“ (25. September 1972)
  3. Main-Post: „Musiker-Gesellschaft ganz ohne Frauen“ (14. März 2013)
  4. Bruno Rottenbach: Mosaik aus 100 Jahren. Würzburg von 1868 bis 1968. in: 15 Jahrhunderte Würzburg. Eine Stadt und ihre Geschichte. Hrsg. von Heinz Otremba, Würzburg 1979, S. 435-448, S. 446a
  5. Peter Weidisch: Würzburg im Dritten Reich. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. 2007, ISBN: 978-3-8062-1478-9, S. 196–289 und 1271–1290; hier: S. 212 und S. 1273, Anm. 60.
  6. Werner Dettelbacher: Meister Heinz Schiestl - ein Würzburger Bildhauer. Verlag Ingrid Beck, Würzburg 1990, S. 26
  7. Internetseiten der katholischen Pfarrkirche St. Laurentius in Marktheidenfeld [1]
  8. Der Würzburger Dukatenscheißer befindet sich heute in der Martinsklause.
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