Barbara Stamm
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Dr. h.c. Barbara Stamm, geb. Stocker (* 29. Oktober 1944 in Bad Mergentheim; † 5. Oktober 2022 in Würzburg) war Erzieherin, Politikerin der CSU, bayerische Sozialministerin und Präsidentin des Bayerischen Landtags. Bei der Landtagswahl 2008 war sie als einzige Listenkandidatin des Wahlkreises Unterfranken für die CSU in den Landtag eingezogen.
Familiäre Hintergründe
Sie war verheiratet mit Ludwig Stamm, der beim Würzburger Arbeitsamt Berater für behinderte Menschen war. Das Ehepaar hat drei Kinder. Ihre Tochter Claudia Stamm ist ebenfalls in der Landespolitik engagiert.
Leben und Wirken
Gleich nach der Geburt gab die gehörlose Mutter ihre Tochter in eine Pflegefamilie. Dort wurde sie liebevoll umsorgt. Barbara Stamm war acht, als sie plötzlich von einer ihr bis zu diesem Tage völlig fremden Frau aus dieser Umgebung geholt wurde: ihrer eigenen leiblichen Mutter. Dramatische Jahre folgten, die Mutter war mit der Erziehung überfordert, der Stiefvater gewalttätig. Immer wieder landete die jugendliche Barbara nun im Heim. Es gibt Menschen, die zerbrechen an solchen Erfahrungen. Bei Stamm stachelte sie den Ehrgeiz an. 1966 zog Barbara Stamm nach Würzburg, absolvierte eine Ausbildung in Gemünden zur Erzieherin und übte diesem Beruf bis 1978 aus. Zudem war sie ehrenamtlich in der Diözese Würzburg aktiv. Nach Geburt des ersten Kindes arbeitete sie in Teilzeitarbeit weiterhin als Erzieherin.
Von 1974 bis 1989 war Barbara Stamm Heimleiterin im Schifferkinderheim in Würzburg. Ihr beruflicher Hintergrund trug dazu bei, dass sie die ehrenamtliche Funktion der Vorsitzenden des Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern [1] innehatte.
Politische Laufbahn
1969 trat sie in die CSU bei und war von 1972 bis 1987 Mitglied des Würzburger Stadtrats. 1976 zog sie als Nachrückerin über die Liste in den Bayerischen Landtag ein, dem sie insgesamt 42 Jahre bis 2018 angehörte. Im Landtag arbeitete sie zunächst im Umweltausschuss, daran anschließend im Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik.
Ab 1978 gehörte sie dem Fraktionsvorstand der CSU-Landtagsfraktion an und war von 1986 bis 1987 stellvertretende Fraktionsvorsitzende. 1987 wurde sie Staatssektretärin im Arbeits- und Sozialministerium und 1994 von Ministerpräsident Edmund Stoiber zur bayerischen Sozial- und Gesundheitsministerin ernannt. Von 1993 bis 2017 war sie stellvertretende Parteivorsitzende der CSU und von 1998 bis 2001 stellvertretende Ministerpräsidentin.
1990 trat Barbara Stamm für die CSU als OB-Kandidatin für Würzburg an, bekam aber mit Jürgen Weber Konkurrenz aus der eigenen Partei, der nach seinem Austritt aus der CSU mit der neu gegründeten Würzburger Liste als OB-Kandidat antrat. Stamm kam hinter Jürgen Weber (40,1% der Stimmen) und Walter Kolbow von der SPD (28,2%) mit 25,6% der Stimmen nur auf den dritten Platz und zog deshalb nicht in die Stichwahl ein. [2]
Im Januar 2001 trat sie wegen des BSE-Skandals als Ministerin zurück, blieb aber stellvertretende Parteivorsitzende. 2003 wählte sie der Landtag zu seiner Vizepräsidentin.
Landtagspräsidentin
Am 20. Oktober 2008 wurde sie als Nachfolgerin von Alois Glück Präsidentin des Bayerischen Landtags und war damit die erste Frau in diesem Amt. Am 7. Oktober 2013 wurde sie in ihrem Amt für die 17. Legislaturperiode des Landtages bestätigt. Bei der Landtagswahl am 14. Oktober 2018 trat Barbara Stamm erneut auf Listenplatz 1 ihrer Partei in Unterfranken an, konnte aber trotz vieler Zweitstimmen nicht wieder in den Landtag einziehen, das der CSU aufgrund der vielen Direktmandate kein Listenmandat zustand.
Soziales Engagement (Auswahl)
- Von 1989 bis 1999 war Barbara Stamm Vizepräsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes.
- Seit 1990 war sie Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Rumänien.
- Sie war Mitglied des Beirat des Bayernbunds.
- Barbara Stamm war 21 Jahre ehrenamtliche Vorsitzende der Lebenshilfe Bayern und jahrzehntelang Mitglied der Lebenshilfe Würzburg. Sie hat sich vehement für die Belange von Menschen mit Behinderungen und ihre Familien eingesetzt, hat für gleichberechtigte und selbstbestimmte umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderung gekämpft.
Ehrungen und Auszeichnungen (Auswahl)
- 1997: Ehrendoktorwürde der Medizinischen und Pharmazeutischen Universität Victor Babeș in Timișoara/Rumänien
- 1997: Ehrenbürgerin der Stadt Timișoara/Rumänien
- 1999: Bayerische Verfassungsmedaille in Gold
- 2004: Medaille für besondere Verdienste um den Freistaat Bayern in Europa und der Welt
- 2009: Bayerische Staatsmedaille für Verdienste um die Bayerische Justiz
- 2010: Ehrenring der Stadt Würzburg
- 2015: Till von Franken
- 2015: Bayerischer Verdienstorden
- 2019: Ehrensenatorin der Universität Würzburg
- 2019: Ehrenbürgerin der Stadt Würzburg
- 2019: Gregoriusorden des Papstes
- 2022: Bayerische Sozialmedaille
Ehrenbürgerin der Stadt Würzburg
Mit dem Namen der Landtagspräsidentin a.D. Barbara Stamm ist der Titel „soziales Gewissen“ bereits eng verwoben. Ab 29. Mai 2019 darf die Würzburger Politikerin, deren Karriere sie in hohe Staatsämter geführt hat, aufgrund ihres Einsatzes für ihre Heimatstadt und ihres beispiellosen ehrenamtlichen Engagements den Titel „Ehrenbürgerin der Stadt Würzburg“ tragen. Der Stadtrat entschied im Januar, Barbara Stamm die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. Sie habe sich über lange Jahre durch hervorragende Leistungen um die Stadt besonders verdient gemacht und sich in herausragender Weise für die Interessen der Stadt Würzburg und ihrer Bürger eingesetzt.
„Fast ein halbes Jahrhundert lang haben Sie die Geschicke unserer Stadt maßgeblich mitgestaltet und sich große und bleibende Verdienste um Würzburg und die hier lebenden Menschen erworben“, sagte Oberbürgermeister Christian Schuchardt im voll besetzten Ratssaal zur Ehrung Barbara Stamms in seiner Laudatio. „Dafür wollen wir Ihnen heute danken, indem wir Ihnen die höchste Auszeichnung verleihen, die wir als Stadt zu vergeben haben.“ Im Rahmen der Verleihung der Ehrenbürgerschaft trug sich die sehr berührte Landtagspräsidentin a.D. in das Goldene Buch der Stadt Würzburg mit den bescheidenen Worten ein, die sie in ihrer Dankesrede wiederholte: „Es steht nicht in meiner Geburtsurkunde.“ Dies belegte sie mit einer kurzen Zeitreise in ihr Leben und betonte: „Es ist wichtig, zu wissen, wo man hingehört und man erfährt nie etwas umsonst im Leben.“ Sie habe in dieser Stadt, in der sie 1990 Oberbürgermeisterin werden wollte, immer mitgelebt und geprüft, „wo können wir uns einsetzen.“ Die Ehrenbürgerwürde sehe sie nun geradezu als neue Herausforderung an, sich weiterhin einzusetzen.
Barbara Stamm trägt sich als neue Ehrenbürgerin der Stadt Würzburg in das Goldene Buch ein, flankiert von Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake, Bürgermeister Dr. Adolf Bauer (v.li.). Foto: Claudia Lother
Pontifikalrequiem und Trauerstaatsakt
Mehr als 1000 Personen füllten den Kiliansdom bei Pontifikalrequiem und Trauerstaatsakt am 14. Oktober 2022. Unter ihnen waren ihre Familie sowie Landtagspräsidentin Ilse Aigner, der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Außerdem nahmen die Bundestagspräsidentin a. D. Professorin Dr. Rita Süssmuth, Landtagspräsident a. D. Alois Glück, die ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein und Edmund Stoiber (Bayern), Volker Bouffier (Hessen), Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sowie zahlreiche weitere ranghohe Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche teil. In emotionalen Worten erinnerte Stamms älteste Tochter Claudia an ihre Mutter. Besonders habe diese sich über die Bezeichnung „Präsidentin der Herzen“ gefreut. Ihren drei Kindern habe sie das Mitgefühl und den Einsatz für Menschen in Not nahegebracht, aber auch das Gespür, dass es wichtig sei, das Schöne im Leben zu genießen. [3] [4] Die ehemalige bayerische Sozialministerin und Landtagspräsidentin war am 5. Oktober im Alter von 77 Jahren in ihrer Heimatstadt einem Krebsleiden erlegen.
Bereits am Vormittag hatten rund 800 Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit genutzt, der CSU-Politikerin die letzte Ehre beim Defilee im Kiliansdom zu erweisen. Der Sarg im Altarraum war mit einem weiß-blauen Rauten-Banner bedeckt.
Letzte Ruhestätte
Barbara Stamm wurde am 15. Oktober 2022 auf dem Würzburger Hauptfriedhof beigesetzt.
Stückfass „Barbara Stamm“
Am 29. Oktober 2022 wäre Barbara Stamm 78 Jahre alt geworden. Noch zu Lebzeiten hatte Stamm eine sogenannte Fasspatenschaft übernommen und rund um die Fertigstellung des Fasses ihren Geburtstag geplant. Das Stückfass von Barbara Stamm ziert das große bayerische Staatswappen sowie das Würzburger Stadtwappen. Dazwischen ist ein Baumstamm in den Fassboden geschnitzt, auf dem Stationen aus Stamms Leben festgehalten sind. In der Baumkrone stehen unter ihrem eigenen Namen, die Namen ihres Ehemanns sowie der drei Kinder Claudia, Thomas und Sissi. [5]
Erinnerungen in Bildern
- Momentaufnahmen von Barbara Stamm in der Zeit von 1985 bis 1990
Fotos: © Roland Pleier
Barbara Stamm mit Christian Will, Dr. Helmut Kohl und Dr. Wolfgang Bötsch (19. Dezember 1986)
Barbara Stamm mit Winfried Kuttenkeuler, Dr. Helmut Kohl und Dr. Wolfgang Bötsch (19. Dezember 1986)
Barbara Stamm bei der Podiumsdiskussion zu Kommunalwahl 1990 im RASch-Haus (22. Februar 1990)
Siehe auch
Quellen
- Pressemitteilung Stadt Würzburg: „Barbara Stamm ist Ehrenbürgerin der Stadt Würzburg - OB Schuchardt verlieh höchste Auszeichnung der Stadt“ (29. Mai 2019)
Weblinks
- Barbara Stamm auf den Internetseiten des Hauses der Bayerischen Geschichte
- Main-Post: „Stamm wieder Präsidentin“ (7. Oktober 2013)
- Main-Post: „Nachruf für Barbara Stamm: Bayern verliert eine große Menschenfreundin“ (5. Oktober 2022)
- Pressemitteilung der Stadt Würzburg: „Ehrenbürgerin Barbara Stamm verstorben - Oberbürgermeister Schuchardt: Würzburg verliert eine Konstante“ (5. Oktober 2022)
Hinweise und Einzelnachweise
- ↑ Internetseiten der Lebenshilfe-Landesverband Bayern
- ↑ Eberhard Schellenberg: 40 Jahre Studio Mainfranken - Dramatische OB-Wahl 1990 in Würzburg“ auf br.de
- ↑ Pressestelle Ordinariat Würzburg (POW): „Verneigung vor einer großen Frau“ (14. Oktober 2022)
- ↑ Main-Post: „Große Anteilnahme bei Trauerstaatsakt für Barbara Stamm: Bayern hat Abschied von einer Kämpfernatur genommen“ (14. Oktober 2022)
- ↑ Main-Post: „Bereits zu Lebzeiten geplant: An Barbara Stamms Geburtstag enthüllte die Familie ein Stückfass im Würzburger Hofkeller“ (31. Oktober 2022)