Institut für Geschichte der Medizin

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Das Institut für Geschichte der Medizin ist Teil der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Geschichte des Instituts

Die Anfänge einer Auseinandersetzung mit der Geschichte der Medizin sind an der Universität Würzburg wohl ins 18. Jahrhundert zu datieren, als 1743 die Studienordnung bereits eine „Historia Medicinae“ erwähnt [1] und die 1749 herausgegebenen „Ordinationes Universitatis Wirceburgensis“ [2] [3] den historischen Unterricht für das Medizinstudium forderten. Erste belegte Unterrichtsveranstaltungen zur Geschichte der Medizin sind von Professor Friedrich Wilhelm von Hoven (Ordinarius am Juliusspital von 1803 bis 1806) [4], einem weitläufigen Verwandten Friedrich Wilhelm Joseph von Schellings und Freund Friedrich Schillers, 1804 nachweisbar. Um die Aufnahme des Faches in das Medizinstudium war auch bereits Johann Lukas Schönlein bemüht, aber erster, offiziell mit der Abhaltung von Vorlesungen im Fach Geschichte der Medizin beauftragter Professor Würzburgs wurde ab 1836 erst sein Nachfolger Carl Friedrich Marcus. [5] Doch weder Marcus noch seine Nachfolger, wie etwa der 1858 die Nachfolge Virchows antretende Anatom und ab 1863 als ordentlicher Professor für Geschichte der Medizin wirkende Johann Theodor August Förster (1822-1865), konnten oder wollten dem Fach eine bedeutende Rolle in der Medizinerausbildung schaffen. Lediglich der Würzburger Augenarzt und ab 1896 als außerordentlicher Professor für Geschichte der Medizin tätige Friedrich Christian Helfreich (1842-1927) [6] sorgte engagiert für ein Weiterbestehen der „Medizingeschichte“ und ebnete somit Georg Sticker den Weg. Im Sommersemester 1899 wurde ein Extraordinariat für „Geschichte der Medizin, medizinische Statistik und medizinische Geographie“ besetzt. [7]

Universitätsinstitut

Anfänge

Am 1. April 1920 wurde Georg Sticker zum Professor für Geschichte der Medizin ernannt und richtete sich im Sommer 1921 das erstmals so genannte Institut für Geschichte der Medizin im Gebäude des Pathologischen Instituts (Vorstand war damals Professor Martin Benno Schmidt), dem „Bau 21“ des Luitpoldkrankenhauses ein. Mit der Professur Stickers erhielt Würzburg eines der ersten Ordinariate Deutschlands für Medizingeschichte. Am 1. April 1934 erfolgte die Emeritierung Stickers. Der damalige Rektor der Universität, der Gerichtsmediziner Herwart Fischer, war maßgeblich daran beteiligt, die außerordentliche Professur für Geschichte der Medizin im Oktober 1934 in eine Professur für Vererbungswissenschaft und Rasseforschung umzuwandeln. Das Institut wurde, nachdem es am 1. November 1935 bereits auf einen Raum von 10 m² reduziert worden war, 1937 oder 1938 vorerst vollständig aufgelöst. [8]

Nach dem Zweiten Weltkrieg findet sich das Fach Geschichte der Medizin ab dem Wintersemester 1948/49 wieder offiziell im Vorlesungsverzeichnis. Als Dozent wirkte hierbei der Anatomie-Professor Curt Elze, der bereits 1942/43 eine solche Vorlesung angeboten hatte. Im Wintersemester 1951/52 holte Elze den in Münchsteinach eine Landarztpraxis innehabenden und zuvor bei Hermann Voss 1943 in Posen habilitierten Privatdozenten für Anatomie und Geschichte der Medizin Robert Herrlinger (* 24. April 1914; † 8. Februar 1968) nach Würzburg. Herrlinger war in Heidelberg zum Doktor der Medizin (1939) und in Jena in Kunstgeschichte (1941) promoviert worden. Unter Prof. Curt Elze habilitierte sich Herrlinger 1952 erneut. [9]

Koellikerstraße 6/R

Zunächst wurde Herrlinger in den Räumen des Anatomischen Instituts in der Koellikerstraße ein Zimmer zugewiesen. Die von ihm geplante Einrichtung eines neuen Instituts für Geschichte der Medizin, wurde am 13. März 1953 offiziell genehmigt. 1955 zog die Medizingeschichte dann von der Anatomie in ein kleines Gebäude in der Koellikerstraße 6 (Rückgebäude) neben dem Kollegienhaus um. Dieses Rückgebäude war ursprünglich 1911 für die Staatliche Bakteriologische Untersuchungsanstalt erbaut worden, ab 1926 Institutsgebäude der Gerichtsmedizin gewesen und diente auch als Sektionshaus für das Juliusspital. Zu Ehren von Sticker - und als eine Art Wiedergutmachung für dessen durch die nationalsozialistisch gefärbte Universitätspolitik mitbewirkte Emeritierung - wurde das Institut, wie von Herrlinger dem Rektor der Universität Max Meyer am 12. Februar 1953 bereits vorgeschlagen, „Georg Sticker-Institut für Geschichte der Medizin“ genannt, was jedoch den Unmut Stickers erregte. Auf unablässiges Drängen des mit 97 Jahren erstaunlich energischen Sticker wurde am 19. Juni 1957 auf Erlass des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus die Bezeichnung offiziell auf „Institut für Geschichte der Medizin“ reduziert. 1962 folgte Herrlinger einem Ruf nach Kiel und errichtete dort ein medizinhistorisches Institut an der Christian-Albrechts-Universität.  [10]

Ab da wurde das Institut zunächst kommissarisch geleitet: 1962 bis 1966 durch den Anatomie-Professor Kurt Neubert, dann durch den Altersforscher Hans Franke. Dozenten dieser Interimszeit waren der Münchner Medizinhistoriker Werner Leibbrand und anschließend der damals als Assistent der Neurologischen Klinik und Poliklinik arbeitende Michael Holler. Eine drohende erneute Schließung des Instituts oder Umwandlung des Lehrstuhls wurde durch die im Dezember 1972 erfolgte Berufung des Medizinhistorikers und Altgermanisten Gundolf Keil abgewendet. [11] Dem Institut gelang es in den folgenden Jahrzehnten, grundlegende, international anerkannte und gewürdigte Erkenntnisse beispielsweise auf den Gebieten der medizinischen Fachprosaforschung, der mittelalterlichen Fachgeschichte, der Medizingeschichte der Romantik und der Würzburger Fakultätsgeschichte zu gewinnen. Forschungsschwerpunkte zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren beispielsweise die Herausgabe medizinischer Standardwerke von der Spätantike bis zur frühen Neuzeit, lexikographische Arbeiten, Studien zur medizinischen Berufssoziologie, wissenschaftliche Regionalgeschichte Ostdeutschlands und Wissenschaftsgeschichte Würzburgs, Pharmaziegeschichte und Pflanzenheilkunde des Mittelalters, Seuchengeschichte des Spätmittelalters und Beiträge zum Verfasserlexikon zur deutschen Literatur des Mittelalters. 2003 verfügte die Bibliothek des Institituts über 135.000 Bände, 320 laufenden Zeitschriften, mehr als 100.000 Sonderdrucke sowie etwa 5000 Bildnisse und war somit eine der größten medizinhistorischen Institutsbibliotheken Europas. [12] Seit 2004 leitet Prof. Michael Stolberg das Institut.

Geschichte des heutigen Standorts

Das Gebäude des heutigen Instituts im Oberen Neubergweg beherbergte bis 1993 die Privatklinik der Eheleute Horst Ludwig und Sabina Wullstein. Einige Jahre nach dem Tod von Professor Wullstein wurde das Anwesen für 30 Jahre der Universität Würzburg überlassen. Die Räumlichkeiten wurden bis 2011 auch durch die medizinhistorische Gesellschaft genutzt. Im ehemaligen Operationssaal der Klinik finden heute Seminare statt.

Leitung

Forschungsgebiete

  • Frühneuzeitliche Ärztebriefe
  • Ärztliche Praxis und medizinisches Weltbild um 1650
  • Ambulante ärztliche Krankenversorgung um 1800
  • Praxeologien des Körpers
  • Geschichte der Palliativmedizin
  • Ärztliche Autorität in der Frühen Neuzeit
  • Der Umgang mit Schwerkranken 1500-1900
  • Forschergruppe Klostermedizin

Kontakt

Institut für Geschichte der Medizin
Oberer Neubergweg 10a
97074 Würzburg
Telefon: 0931 - 3183093

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Friedrich Karl von Schönborn, Fürstbischof von Würzburg und Bamberg: Studienordnung für die Universität Würzburg, Nachdruck der 1. Aufl. von 1743, mit einem Nachwort von Otto Meyer, Stürtz, Würzburg 1980, Blatt 38 recto
  2. Albert von Kölliker: Zur Geschichte der medicinischen Fakultät an der Universität Würzburg. Rede zur Feier des Stiftungstages der Julius-Maximilians-Universität [...] am 2. Januar 1871, Stahel, Würzburg 1871, S. 76
  3. Franz X. von Wegele: Geschichte der Universität Wirzburg, I-II, Stahel, Würzburg 1882, II (Urkundenbuch), S. 413 f.
  4. Werner E. Gerabek: Hoven, Friedrich Wilhelm von, in: Enzyklopädie Medizingeschichte, hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, S. 631
  5. Rudolf Wolf: Das Leben und Wirken von Carl Friedrich von Marcus (1802-1862), medizinische Dissertation, Würzburg 1980, S. 59-62 („Marcus als Professor für Geschichte der Medizin“)
  6. Andreas Mettenleiter: Selbstzeugnisse, Erinnerungen, Tagebücher und Briefe deutschsprachiger Ärzte. Nachträge und Ergänzungen. Würzburger medizinistorische Mitteilungen 19 (2000), S. 459-524; S. 482a
  7. Helmut Jäger: Die Geographie an der Universität Würzburg 1593-1981. In: Vierhundert Jahre Universität Würzburg. Eine Festschrift. Hrsg. von Peter Baumgart, Verlag Degener & Co., Neustadt an der Aisch 1982, S. 637-664; S. 640 und 648
  8. Michael Quick: Sticker versus Herrlinger. Zur Benennungsmotivation des Würzburger medizinhistorischen Instituts, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 5 (1987), S. 13-40, S. 15-21
  9. Michael Quick, a.a.O., S 22
  10. Michael Quick, a.a.O., S. 14 und 24-31
  11. Michael Quick, a.a.O., S. 32
  12. Gundolf Keil: Strukturplan des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 22 (2003), S. 584-591 (zitiert)

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