Rudolf Virchow

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Rudolf Virchow, porträtiert von Hanns Fechner (1891)

Prof. Dr. Rudolf Ludwig Karl Virchow (* 13. Oktober 1821 in Schivelbein/Hinterpommern, heute Świdwin in Westpommern; † 5. September 1902 in Berlin) war Arzt, Pathologe, Universitätsprofessor und Politiker sowie als Erforscher der Vor- und Frühgeschichte auch ein führender deutscher Anthropologe, Ethnologe und Prähistoriker. [1] Als Pathologie-Professor und Inhaber des ersten deutschen Lehrstuhls für Pathologie wirkte er von 1849 bis 1856 auch an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Familiäre Zusammenhänge

Rudolf Virchow wurde als Sohn der Johanna Maria Virchow, geb. Hesse, und deren Ehemann, dem Stadtkämmerer Schivelbeins Carl Christian Siegfried Virchow, geboren. Vier der sechs Kinder, die er mit Rose, der Tochter des Berliner Gynäkologen Mayer hatte, erblickten in Würzburg das Licht der Welt, darunter auch der Anatom Prof. Dr. Hans Virchow.

Leben und Wirken

Nach dem 1839 in Berlin begonnenen Medizinstudium und der im Oktober 1843 erfolgten Promotion in Pathologie, absolvierte Virchow 1846 das Staatsexamen und habilitierte sich 1847. Bereits 1844 wies er das Krankheitsbild der Thrombose nach, einer bis dahin wenig erforschten Krankheit (nach ihm benannt: Virchowsche Trias - die typischen Thrombose-Ursachen), und 1847 erkannte und zeigte Virchow, dass entzündliche Vorgänge bei thrombosebedingten Gefäßverschlüssen gegenüber mechanischen Mechanismen nur eine sekundäre Rolle spielen. [2]

Durch seine Forschungsergebnisse, die er nach einer 1848 in Oberschlesien durchgeführten Untersuchung einer durch Kleiderläuse übertragenen Fleckfieber-Epidemie (seinerzeit wohl fälschlich als Typhusepidemie aufgefasst) mitteilte und als deren Ursache er - im Gegensatz zu Ansichten der preußischen Bürokratie - vor allem soziale Bedingungen und mangelhafte Hygiene ansah, gilt Virchow als Begründer der modernen Sozialmedizin [3] sowie auch als Mitbegründer der demokratischen Bewegung in Deutschland.

1869 begründete er die Berliner Anthropologische Gesellschaft und 1871 war er Mitbegründer der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft. Zudem war er Förderer der deutschen Volkskunde und der Bildungseinrichtungen des preußischen Staates wie beispielsweise der Berliner Museen.

Professor in Würzburg

Nachdem er anlässlich der Märzrevolution 1848 an Berliner Straßenkämpfen teilgenommen, sich der preußischen Bürokratie verhasst gemacht hatte und an der Berliner Charité keine freie Kost und Logis mehr erhielt, folgte er im November 1849 einem Ruf an die freiere Universität Würzburg als Ordinarius für Pathologische Anatomie. Virchow musste zuvor schriftlich versichern, sich nicht mehr radikal-politisch zu betätigen. Der Lehrstuhl für pathologische Anatomie, der 1845 in Würzburg eingerichtet worden war, war der erste dieser Fachrichtung in Deutschland (1844 war in Wien ein Ordinariat für Pathologische Anatomie entstanden). [4] [5]

Von 1849 bis 1856 arbeitete Virchow als ordentlicher Professor für pathologische Anatomie in Nachfolge Adam Bernhard Mohrs am Juliusspital. Sein pathologisch-anatomisches Institut ließ er sich im südlichen Seitenflügel des Theatrum anatomicum neu einrichten. Auf seinen 1850 in Würzburg gewonnenen Erkenntnissen beruht beispielsweise die operative und strahlentherapeutische Behandlung des Gebärmutterhalskrebses. [6] Auch für die Neuropathologie hatte er wertvolle Beiträge geleistet. [7] und auch in seiner Würzburger Zeit setzte er sein sozialmedizinisches und gesundheitspolitisches Engagement fort. [8]

In Würzburg entwickelte Virchow auch sein, ihn ab 1858 weltweit bekannt machendes Konzept der - auch mit dem Namen Franz von Leydig als weiterem Pionier verbundenen - Zellularpathologie, welche die gesunde bzw. kranke Zelle in den Mittelpunkt der medizinischen Forschung und der Betrachtungsweise des kranken Menschen rückte und auf dieser Grundlage die Medizin revolutionierte. 1855 veröffentlichte Rudolf Virchow hierzu seinen Aufsatz „Cellular-Pathologie“. [9] Einer seiner Studenten in Würzburg war der spätere Arzt und Zoologe Ernst Haeckel (1834-1919) [10], welcher sich mit der Zellularpathologie Virchows intensiv auseinandersetzte und letztlich zu einem Gegner der Theorien seines Lehrers wurde. Virchows Nachfolger in Würzburg wurde Johann Theodor August Förster.

Politische Laufbahn

Virchow kehrte nach seiner Würzburger Zeit 1856 nach Berlin zurück und engagierte sich erneut politisch. Von 1859 bis zu seinem Tod war er Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Als solches erreichte er um 1870 seinen größten Erfolg mit dem Bau einer modernen Kanalisation für die ganze Stadt. Dies hatte enorme gesundheitliche Folgen für große Teile der Bevölkerung. Auch sorgte er für die Einführung der obligatorischen Trichinenschau in Preußen. 1861 gründete er mit anderen die Deutsche Fortschrittspartei. Von 1862 bis 1902 gehörte er als Gegner Otto von Bismarcks (bezüglich des Budgetrechts und anderer demokratischer Grundrechte) auch dem Preußischen Abgeordnetenhaus und von 1880 bis 1893 dem Deutschen Reichstag an (Virchow galt im Kaiserreich als führender Bildungspolitiker, der sich für die Bildungsmöglichkeiten aller Bürger einsetzte).

Lebensende

Auf dem Weg zu einer Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde sprang er am 4. Januar 1902 aus der fahrenden Straßenbahn. Er brach sich einen Oberschenkelhals, kam danach nie wieder auf die Beine und starb acht Monate später am 5. September 1902. [11]

Publikationen (Auswahl)

Seit 1847 gab er mit seinem Freund Benno Reinhardt in Berlin das Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medicin heraus, das bis heute, inzwischen als Virchows Archiv in über 450 Bänden erschienen ist. 1850 begründete er mit Koelliker und J. Scherer die Verhandlungen der Physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Würzburg.

  • Die Einheitsbestrebungen in der wissenschaftlichen Medicin. Berlin, 1849.
  • Über die Verbreitung des Cretinimus in Unterfranken. Verhandlungen der Physikalisch-medicinischen Gesellschaft Würzburg 3 (1852), S. 247
  • Die Hungerepidemie in Unterfranken. Verhandlungen der Physikalisch-medicinischen Gesellschaft Würzburg 3 (1852), S. 161
  • Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Verlag von August Hirschwald, Berlin 1858.
  • Canalisation oder Abfuhr? 1869.
  • Gesammelte Abhandlungen auf dem Gebiete der öffentlichen Medicin und der Seuchenlehre. 2 Bände, Berlin 1879.
  • Gegen den Antisemitismus. 1880.
  • Die Gründung der Berliner Universität und der Uebergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche Zeitalter. (Rede als Rektor) Verlag August Hirschwald, Berlin 1893.
  • Zur Geschichte des Aussatzes (und der Spitäler), besonders in Deutschland. Virchows Archiv für pathologische Anatomie 18 (1860), S. 138-162, 273-329; 19 (1860), S. 43-93; 20 (1861), S. 166-198 und 459-512 - in diesen Artikeln, schrieb Virchow am 21. April 1860 an den Oberbibliothekar Ruland, ist „Würzburg ... besonders vertreten“. [12]

Ehrungen und Auszeichnungen

Posthume Würdigung

Nach ihm wurde die Virchowstraße im Stadtbezirk Sanderau benannt und das Rudolf-Virchow-Zentrum für Biomedizin im Universitätsklinikum Würzburg.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Thomas Sauer und Ralf Vollmuth: Rudolf Virchow. In: Briefe von Mitgliedern der Würzburger Medizinischen Fakultät im Nachlaß Anton Rulands. Quellen zur Geschichte der Medizin im 19. Jahrhundert mit Kurzbiographien. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 9 (1991), S. 135-206; S. 197-201
  • Ernst Werner Kohl: Virchow in Würzburg. Medizinische Dissertation Würzburg, Pattensen/Hannover (und Würzburg) 1976 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 6) ISBN: 3-921456-05-3
  • R. Schwab: Über die Bedeutung des Juliusspitals für die Entwicklung der Inneren Medizin. Sonderdruck aus der Festschrift zur Einweihung der wiederaufgebauten Pfarrkirche des Juliusspitals 1593, S. 21 f.
  • Manfred Vasold: Rudolf Virchow. Der große Arzt und Politiker. Stuttgart 1988
  • Christian Andree: Virchow, Rudolf, in: Enzyklopädie Medizingeschichte. Hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, S. 1445-1447
  • Christian Andree: Rudolf Virchow. Leben und Ethos eines großen Arztes. München 2002
  • Rudolf Virchow: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Christian Andree, Bern und Berlin, 1992-2003
  • Gundolf Keil: Rudolf Virchow. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 22 (2003), S. 524 f.
  • Hans-Werner Altmann: Pathologie und Pathologen in Würzburg. In: Vierhundert Jahre Universität Würzburg. Eine Festschrift. Hrsg. von Peter Baumgart, Verlag Degener & Co., Neustadt an der Aisch 1982, S. 1011-1025; S. 1013-1017
  • Heidrun Alzheimer, Volkskunde in Bayern - Ein biobibliographisches Lexikon der Vorläufer, Förderer und einstigen Fachvertreter, Würzburg 1991, S. 284.
  • Artikel über Rudolf Virchow bei Wikipedia

Einzelnachweise

  1. Christian Andree: Rudolf Virchow als Prähistoriker, I-III, Köln und Wien 1976-1986
  2. Axel W. Bauer: Kardiovaskuläre Erkrankungen und Phlebologie sowie Schlaganfall. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. Hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, S. 725 und S. 1154 sowie S. 1300
  3. Werner E. Gerabek: Der Weg zur Bismarckschen Invaliditäts- und Altersversicherung aus medizinhistorischer Sicht. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 10 (1992), S. 331-356; S. 339-344
  4. Christian Andree: Virchow, Rudolf. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. Hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, S. 1445-1447; S. 1446b
  5. Axel W. Bauer: Pathologie. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. Hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, S. 1112 f.; S. 1113
  6. Horst Kremling: Würzburger Beiträge zur gynäkologischen Urologie. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 5 (1987), S. 5-11; S. 5
  7. Joachim Gerlach: Perspectives in International Neurosurgery: Neurosurgery in West Germany. Neurosurgery 10 (1982), S. 785-787; S. 785; aus dem Englischen übersetzt von Christoph Weißer: Neurochirurgie in der Bundesrepublik Deutschland. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 1 (1983), S. 173-180; S. 173
  8. Werner E. Gerabek: Die Entwicklung der Sozialmedizin in Franken. In: Der Weg zur Bismarckschen Invaliditäts- und Altersversicherung aus medizinhistorischer Sicht. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 10 (1992), S. 331-356; S. 341-345
  9. Rudolf Virchow: Cellular-Pathologie. Virchows Archiv 8 (1855), S. 3-39
  10. L. Belloni: Haeckel als Schüler und Assistent von Virchow und sein Atlas der pathologischen Histologie bei Prof. Rudolf Virchow, Würzburg, Winter 1855/56. Physis 15 (1973), S. 5-39
  11. Burkhard Madea: Rudolf Virchow. - Vorstellung des Buches „Rudolf Virchow. Leben und Ethos eines großen Arztes“ von Christian Andree. In: Deutsches Ärzteblatt 2002; 99(47): A-3176 / C-2496
  12. Thomas Sauer und Ralf Vollmuth, a.a.O., S. 200 f. mit Anm. 169
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