Harmonie-Gesellschaft
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Die Harmonie-Gesellschaft ist die älteste bestehende bürgerliche Vereinigung in der Stadt Würzburg. Heute tritt die Gesellschaft insbesondere durch Vergabe eines Förderpreises für junge Wissenschaftler bzw. Künstler in Erscheinung. 1803 wurde sie als Lesegesellschaft (wieder)gegründet. Im Lauf der Zeit wurde das Angebot durch zahlreiche unterhaltsame Veranstaltungen ergänzt. Die Harmonie war lange Zeit wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens der Stadt. Beheimatet war die Gesellschaft zunächst im Hof Zum Ablass in der Sanderstraße 9 und seit 1824 im der ehemaligen Kurie Rannenberg in der Hofstraße 3, der sodann auch den Namen Harmonie trug und mit einem prachtvollen runden Ballsaal ausgestattet war.
Geschichte
Lesegesellschaft „Museum”
Die Gründung einer Lesegesellschaft in Würzburg datiert nicht zufällig kurz nach der Wende zum 19. Jahrhundert. Die zuvor herrschenden Fürstbischöfe, insbesondere Franz Ludwig von Erthal, hatten das Entstehen von öffentlichen Lesegesellschaften und Bibliotheken unterdrückt, da sie die Verbreitung von religionsfeindlichen oder revolutionären Inhalten fürchteten. Gleich nachdem Würzburg 1802 unter kurpfalzbayerische Regierung kam verstärkte sich die Bemühung um eine öffentliche Lesegesellschaft. Diese wurde sodann mit Zustimmung der Regierung am 16. Januar 1803 ins Leben gerufen und erhielt zunächst den Namen „Museum”. Seit 1812 trägt die Gesellschaft, welche bereits 1789 gegründet, aber vom Fürstbischof wieder aufgelöst wurde, den Namen Würzburger Harmoniegesellschaft. [1]
Das Angebot der Gesellschaft umfasste eine Bibliothek, die hauptsächlich mit einer Großzahl diverser Zeitungen und Zeitschriften sowie wissenschaftlichen Nachschlagewerken bestückt war. Die beiden Lesezimmer waren von morgens um 9 bis abends um 21 Uhr geöffnet und dienten dem Schriftstudium in Stille. Weitere Räume waren der Konversation vorbehalten. Auch das Entleihen einzelner Ausgaben war möglich.
Die Gesellschaft war Männern aller Stände zugänglich. Jedoch war für die Teilhabe ein hoher Mitgliedsbeitrag erforderlich (anfangs 12, später ca. 17 Gulden), wodurch die wohlhabenden Bürger unter sich blieben. So blieb die Zahl der Mitglieder in den ersten Jahren recht gering, 1810 waren nur 94 ordentliche Mitglieder eingeschrieben.
„Harmonie”
Um weitere Bevölkerungskreise anzusprechen wurde ab 1810 das Konzept verändert und das Angebot der Gesellschaft um zusätzliche Unterhaltungen - Vortragsabende, Spiel, Musik und Tanz - erweitert. Das führte zu einem deutlichen Mitgliederzuwachs und zur Umbenennung des Geselligkeitsvereins „Museum“ in „Harmonie” im Jahr 1812. Neben den ordentlichen Mitgliedern waren nun auch Damen in der Gesellschaft zugegen. Bekannt wurden insbesondere die ab 1813 stattfindenden großen Abendgesellschaften und Harmonie-Bälle. [2]
Da die bisherigen Mieträume für die wachsende Mitgliederzahl nicht mehr ausreichten, wurde ab 1822 der ehemalige Domherrnhof Rannenberg („Fechenbach-Palais“ [3]) durch Kreisbaurat Johann Nepomuk Drischütz umgebaut [4] und 1824 feierlich eröffnet. Die Konzerte der „Harmonie“ fanden nun hier statt, und es wurde im 2. Stock die Bibliothek angesiedelt, die nach Themen und Alphabet sortiert war. Im Katalog von 1848 ist ein Gesamtbestand von 8350 Bänden und 343 Flugschriften aufgeführt; darunter hauptsächlich Zeitungen, Zeitschriften, Jahrbücher und Enzyklopädien, jedoch keine Romane.
Im Laufe der Jahre trat der Aspekt einer reinen Lesegesellschaft immer weiter in den Hintergrund, dafür wurde die Harmonie zu einem bedeutenden geselligen Treffpunkt gelehrter Kreise. Bei der Organisation von „musikalischen Abend-Unterhaltungen“ [5] wurde die „Harmonie“ besonders durch den Musikprofessor Franz Joseph Fröhlich unterstützt.
Die musikalische Leitung der „Harmonie“ übernahm 1838 der Komponist Johann Valentin Hamm (1811-1874). [6]
Entwicklung nach 1945
Mit und nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Gesellschaft einen großen Mitgliederverlust zu verzeichnen. Zudem war das Harmonie-Gebäude mit dem prachtvollen Festsaal nach dem Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 nurmehr eine Ruine. Dennoch sah man sich der großen Tradition der Vereinigung verpflichtet und nahm die Tätigkeit wieder auf. 1955 wurde erstmals eine Frau mit in den Vorstand gewählt. Ab 1961 konnten Räume im Obergeschoss des Stachel mitgenutzt werden. Nach der Eröffnung der Städtischen Galerie (Neubau am Standort des ehemaligen Harmonie-Gebäudes) waren dort auch Räume für kulturelle Vereinigungen vorgesehen, welche die Harmonie kostenfrei nutzen konnte.
1967/68 gab sich die Harmonie eine neue Satzung. Zu den Tätigkeiten des Vereins zählen seitdem insbesondere Vorträge und „Plaudereien” zu gesellschaftlichen und politischen Themen. Dabei werden ebenso geschichtliche wie aktuelle Fragen behandelt. Außerdem bietet die Harmonie Ausstellungsbesuche, Führungen, Konzerte und Studienfahrten.
Liste der Vorsitzenden
Erste Direktoren bzw. Vorsitzende der Harmonie-Gesellschaft seit der Gründung 1803 [7]:
Jahr | Erster Direktor / Vorsitzender |
1803 | Prof. Köl |
1804-05 | Hofrat Prof. Kleinschrod |
1812 | Friedrich Karl Ludwig von Guttenberg |
1813-15 | Prof. Dr. Wilhelm Joseph Behr |
1818 | Seiling, App.Gerichts-Raht |
1820 | Arnold Friedrich Ritter von Mieg, Regierungsdirektor |
1823 | Von Halbritter, Regierungsrat |
1827 | Wilhelm Joseph Behr, Hofrat und I. Bürgermeister |
1829 | Wilhelm Joseph Behr, Hofrat und I. Bürgermeister |
1836 | Franz Friedrich Carl von Giech, k. Kämmerer, Regierungsdirektor, Ministerial-Kommissär an der Universität |
1839-40 | Dr. Bohonowsky, Regierungsrat |
1842 | Frh. von Du Prel, Regierungsrat |
1846-81 | Frh. (ab 1874 Graf) Franz Ludwig Schenk von Stauffenberg, k. Kämmerer, erblicher Reichsrat |
1882-83 | Graf Clemens Schenk von Stauffenberg, erblicher Reichsrat |
1884-1891 | Frh. Ludwig Fuchs von Bimbach und Dornheim, k. Kammerjunker und Regierungsrat |
1892-1901 | Frh. Carl von Groß zu Trockau, k. Kämmerer und Landgerichtsrat |
1902 | Frh. Theodor von und zu Guttenberg, kgl. bayr. Kämmerer, erblicher Reichsrat |
1904 | Frh. Theodor von und zu Guttenberg, kgl. bayr. Kämmerer, erblicher Reichsrat |
1905-11 | Graf Berthold Schenk zu Stauffenberg, erblicher Reichsrat |
1912-13 | Georg Schuster, Regierungsdirektor a.D. |
1914-24 | Felix Grimm, Regierungsdirektor / Geheimrat |
1925 | Dr. J. Sturm, Oberstudiendirektor a.D. |
1926-32 | Von Etzel, Generalleutnant a.D. |
1934-52 | Hermann Friedreich, Oberstleutnant a.D. (1950-53 Leofried Schürer) |
1953-59 | Rudolf Zipperlin, Notar i.R. |
1960-67 | Ferdinand Maria Hornung, Generalmajor a.D. |
1967-68 | Dr. Hubert Kunz, Rechtsanwalt |
1969-70 | Karl Rexroth, Oberstleutnant i.R. |
1971-82 | Dr. Hans-Werner Colhoun, Dipl.-Kfm. |
1983-2006 | Walter Beer, Maler und Graphiker |
2006-2017 | Rüdiger Praun |
Mitgliedszahlen
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde bei den Mitgliedern unterschieden in „ordentliche Mitglieder”, „abonnirte Damen” und „außerordentliche Mitglieder”. Im Folgenden die Gesamtmitgliedszahlen aus einzelnen Jahren [8]:
- 1849: 880
- 1871: 1021
- 1888: 1270
- 1894: 1247
- 1912: 490
- 1954: 86
- 2002: 160
Für das Jahr 1818 ist die Sozialstruktur der ordentlichen Mitglieder (ges. 311) überliefert [9]:
- 8 Adelige ohne nähere Angabe
- 38 Adelige im Fürstendienst oder Beamte
- 17 Adelige Offiziere
- 13 Bürgerliche Offiziere
- 20 Personen des Hohen Klerus (11 Adelige, 9 Bürgerliche)
- 3 Personen des Niederen Klerus
- 120 Bürgerliche Beamte (ohne Geistliche und Militär)
- 22 Professoren (Universität und Gymnasium)
- 13 Freiberufliche Akademiker (Apotheker, Ärzte, Advokaten)
- 5 Künstler
- 6 Unternehmer, Bankiers, Partikuliere
- 4 Kleinunternehmer, Hoteliers
- 40 Handeslsmänner
- 2 ohne Angabe
Förderpreis der Harmonie-Gesellschaft
Seit 2006 vergibt die Harmonie-Gesellschaft Würzburg alle zwei Jahre einen Förderpreis für junge Wissenschaftler bzw. Künstler, „die sich mit dem kulturellen Erbe Würzburgs befassen oder das künstlerische Leben der Stadt bereichern” [10].
Den Preis erhielten bislang:
- 2006 der Museums- und Stadtführer John-Christoph Baalmann
- 2008 der Musikwissenschaftler Christoph Beck
- 2010 die Archäologin Vilma Gedzeviciute
- 2012 die Musik- und Sprachheilpädagogin Evelyn Schenk. Sie war maßgeblich an der Entwicklung der fühlbaren Notenschrift für Menschen mit Sehbehinderung beteiligt. [11]
Würdigung
1977 wurde der Harmonie-Gesellschaft durch Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeitler die Goldene Stadtplakette verliehen.
Literatur
- Franz Bandorf: 200 Jahre Harmonie-Gesellschaft Würzburg. Alteste Bürgervereinigung Würzburgs. Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V., Würzburg 2003. ISBN: 3-00-010894-7 (Stadtbücherei Würzburg Dnk Ban)
Quellen
- Karl-Heinz Pröve:Von der ersten Lesegesellschaft zur Stadtbücherei. Mainfränkische Hefte Nr. 48, 1967
- S. Göbl: Würzburg. Ein kulturhistorisches Städtebild. Kgl. Univ.-Druckerei Stürtz, 7. Auflgabe, Würzburg 1904, S. 163
- Peter Moser: Würzburg. Geschichte einer Stadt. Babenberg Verlag, Bamberg 1999. ISBN: 3-933469-03-1
- Bernhard Janz: Konzertwesen, in: Ulrich Konrad: Musikpraxis, Musikerziehung und musikalisches Gewerbe, S. 193-195, in: Unterfränkische Geschichte, hrsg. von Peter Kolb und Ernst-Günter Krenig, Band 5/2, Echter Verlag, Würzburg 2002, S. 191-246, S. 197-199
Einzelnachweise
- ↑ Bruno Rottenbach: Die geheimnisvolle Pariser Droschkennummer 10416. Spaziergang durch das Würzburger Vereinsleben ..., in: 15 Jahrhunderte Würzburg. Eine Stadt und ihre Geschichte., hrsg. von Heinz Otremba und Bruno Rottenbach, Echter Verlag, Würzburg 1979, S. 442-461, S. 447
- ↑ Bernhard Janz: Konzertwesen, in: Ulrich Konrad: Musikpraxis, Musikerziehung und musikalisches Gewerbe, S. 193-195, in: Unterfränkische Geschichte, hrsg. von Peter Kolb und Ernst-Günter Krenig, Band 5/2, Echter Verlag, Würzburg 2002, S. 191-246, S. 197
- ↑ Bernhard Janz, a.a.O., S. 198
- ↑ Josef Kern: Die Bildende Kunst abseits der Zentren, in: Unterfränkische Geschichte, hrsg. von Peter Kolb und Ernst-Günter Krenig, Band 5/2, Echter Verlag, Würzburg 2002, S. 247-316, S. 250
- ↑ Intelligenzblatt für den Unter-Mainkreis des Königreichs Bayern (1831), Nr. 39 (Anhang), Würzburg: C. A. Bonitas'sche Buchdruckerei, Sp. 902
- ↑ Bernhard Janz, a.a.O.
- ↑ Franz Bandorf: 200 Jahre Harmonie-Gesellschaft Würzburg. Alteste Bürgervereinigung Würzburgs. Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte, Würzburg 2003. S. 258 f.
- ↑ Franz Bandorf, a.a.O., S. 140 f.
- ↑ Franz Bandorf, a.a.O., S. 255
- ↑ Bericht der Main-Post am 26. Dezember 2008 zur Vergabe des Förderpreises 2008
- ↑ Bericht der Main-Post am 16. Dezember 2012 zur Preisverleihung