Verladebahnhof Aumühle

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Verladebahnhof Aumühle (1981)

Der Verladebahnhof Aumühle (auch bezeichnet als Verladehof Aumühle, Güterbahnhof Aumühle, Städtischer Verladehof Aumühle, Ladehof Aumühle, Freiladehof Aumühle) war ein Güterbahnhof an der Nürnberger Straße (ehemals Aumühlstraße), der insbesondere in seiner Funktion als Deportationsbahnhof für viele mainfränkische Juden traurige Bekanntheit erlangte. Von der Bahnanlage zweigte westlich ein etwa 2,5 Kilometer langes Industriegleis (auch bezeichnet als Industriegleis Aumühlwiesen) ab, das wiederum bis Mitte der 2000er Jahre das heutige Gewerbegebiet Nürnberger Straße bahntechnisch erschloss.

Lage

Das Gelände des ehemaligen Verladebahnhofs befindet sich südlich oberhalb des Kaufland SB-Warenhauses am westlichen Beginn der Nürnberger Straße im Stadtbezirk Grombühl. Nördlich verläuft die Bahnstrecke Würzburg-Nürnberg. Nördlich oberhalb des Verladehofs liegt das Wohngebiet Heimgarten.

Namensgeber

Namensgebend ist die Aumühle. Ein Verladebahnhof oder Freiladehof [1] ist eine Einrichtung zum Güterumschlag zwischen Schiene und Straße. Er besteht aus Freiladegleisen und daneben liegenden Freiladestraßen, die ein unmittelbares (freies) Überladen zwischen Eisenbahnwagen und Landfuhrwerken bzw. LKWs ermöglichen. [2]

Geschichte

Verladebahnhof Aumühle 1971. Zu sehen ist der Portalkran des Container-Terminals.

Erste Gleise des Verladebahnhofs Aumühle sind bereits in zwei Würzburger Stadtplänen aus dem Jahr 1894 abgebildet. Da in einem der beiden Stadtpläne eine „Militair Laderampe“ eingezeichnet ist, ist davon auszugehen, dass der Güterbahnhof in seiner Entstehungszeit somit primär vom Militär der benachbarten Artillerie-Kaserne (Faulenbergkaserne) genutzt wurde. Dafür spricht auch, dass die Kaserne einst über einen eigenen Haltepunkt an der Bahnstrecke verfügte. Mit der Erschließung der Flurlagen Aumühl-Wiesen und Bachwiesen an der Aumühle als Gewerbegebiet erfuhr der Güterbahnhof ab Mitte der 1920er Jahre einen Bedeutungsgewinn und wurde fortan auch zivil genutzt. Die Stadt erwarb vom Juliusspital, vom Bürgerspital sowie von privaten Eigentümern ein etwa 130.000 Quadratmeter großes Grundstück, auf dem im Oktober 1925 der Ladehof mit einer Nutzfläche von ca. 40.000 Quadratmeter eingerichtet wurde. Äußerst niedrige Mietpreise zum Preis von 60 Pfennig bis 1,20 Reichsmark pro Quadratmeter im Jahr führten zu einer sehr schnellen Auslastung des neuen Ladehofs, so dass bereits 1926 eine weitere Fläche von 25.000 Quadratmeter ausgebaut wurde. [3]

Zu den dunklen Kapiteln in der Geschichte des Verladebahnhofs zählt dessen Funktion als Deportationsbahnhof: Zwischen 1941 und 1943 wurden im Rahmen der ersten, der dritten, der vierten und der fünften Deportation 1.794 mainfränkische Juden vom Verladebahnhof Aumühle in die Vernichtungslager transportiert und dort bis auf wenige Personen ermordet. [4] [5] Heute erinnern der Weg der Erinnerung, der DenkOrt Deportationen 1941-1944 und eine Gedenktafel des Stadtrats Heinrich Jüstel in der Nürnberger Straße (Ecke Äußere Aumühlstraße) [6] an diese Verbrechen der Nationalsozialisten. An der Eisenbahnunterführung in der Schweinfurter Straße befindet sich auch heute noch in der Nachbarschaft des SB-Warenhauses Real ein Teil der alten gepflasterten Rampe, über die zahlreiche Juden zum Verladebahnhof Aumühle laufen mussten. Auf dieser Rampe sollte ursprünglich der DenkOrt entstehen, was jedoch aus statischen Gründen aufgrund eines maroden Wasserdurchlasses der Pleichach nicht möglich war. Von den Deportationen zeugen noch Fotoaufnahmen und Filme aus dieser Zeit, die überwiegend im Auftrag der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) gefertigt wurden.

In der Nachkriegszeit wurden der Verladebahnhof und das Industriegleis sowohl militärisch durch das US-Militär, als auch zivil genutzt. So führte das Hauptgleis bis zum 1962 eröffneten Kupsch-Zentrallager, [7] an dessen Stelle sich heute der E-Center Popp (Edeka) befindet. Das städtische Industriegleis führte dabei durch das 1956 errichtete Siemens-Werk (heute: Brose). Zu den wichtigsten Anschließern zählten ferner das 1974 neu geschaffene Glas Keil-Firmengelände mit acht Hallen und einem Bürogebäude, [8] das Aral-Tanklager an der Äußeren Aumühlstraße, die Fisch-Lieferanten „Deutsche See“ und „Nordsee“ und weitere Gewerbebetriebe. [9] Das etwa 2,5 Kilometer lange Gleis erlebte mit dem Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg seine Blütezeit. Im Herbst 1969 wurde ein Container-Terminal zur Umsetzung von Containern eingerichtet. [10] Eine historische Aufnahme aus dem Jahr 1981 belegt ein reges Treiben am Container-Terminal des Verladebahnhofs Aumühle. Auch die Bundeswehr nutzte bis 1983 ein Standgleis für Treibstoff-Kesselwagen.

Erst Ende der 1980er Jahre und insbesondere in den 1990er Jahren setzte an dem Güterbahnhof ein zunehmender Bedeutungsverlust ein. Ursächlich war dafür einerseits die starke Verlagerung von Transporten auf die Straße in Form von Lastkraftwagen. Andererseits aber auch der Wegfall wichtiger Anrainer am Industriegleis durch das Gewerbegebiet Nürnberger Straße. So brachen das Aral-Tanklager, die „Deutsche See“ und auch das Kupsch-Zentrallager weg. [9] 1993 wurde in der Verladung von Siemens der letzte Zug abgefertigt. Auch Glas Keil verlegte den Transport auf die Straße. Erst Ende der 1980er Jahre und insbesondere in den 1990er Jahren setzte an dem Güterbahnhof ein zunehmender Bedeutungsverlust ein. Der Verladebahnhof an der Nürnberger Straße fiel in einen Tiefschlaf und wurde lediglich noch zur Abstellung von Waggons genutzt.

Mitte der 2000er Jahre entschied sich die Stadt Würzburg in Zeiten astronomischer Stahlpreise aufgrund der fehlenden Nachfrage und des Sanierungsstaus, die Gleise zurückzubauen. [9] Ein Luftbild von 6. September 2006 zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Großteil der Gleise und Bahnübergänge entfernt wurde. In einem Luftbild vom 31. Dezember 2008 erkennt man, dass auch der letzte Bahnübergang in der Ohmstraße nun vollständig zurückgebaut wurde. [11] Da es zeitweise Pläne gab, auf der alten Trasse eine Linie der Straßenbahn zu führen, wurde und wird die Strecke von dauerhafter Bebauung freigehalten.

Beschreibung des Verladebahnhofs/Freiladehofs

Gleisplan, vor 1952. Zur besseren Lesbarkeit steht die Karte auf dem Kopf!

Der Verladebahnhof hatte eine Gesamtlänge von 1.756 Meter und 87 Wagenstandplätzen. Ladehilfen wie Förderband oder Kran waren nicht vorhanden. [12] Zur Verfügung standen zehn Freiladegleise an fünf Freiladestraßen. Eine Freiladestraße war als Rampe ausgeführt; dort endeten zusätzlich zwei kurze Stumpfgleise (z.B. zum Verladen von Fahrzeugen auf offene Güterwagen). Neben den Freiladegleisen befanden sich auf dem Gelände auch mehrere Aufstellgleise (zwischen den Freiladegleisen), Ausziehgleise (zum Hineinschieben/drücken der Waggons in die Freiladegleise und Herausziehen), Abstellgleise und Anschlussgleise [2] zum Hauptbahnhof Würzburg bzw. weiter zum Rangierbahnhof.

Der Tagesablauf des Freiladehofs wird folgendermaßen beschrieben: „Morgens, vormittags und nachmittags laufen dem Ladehof und seinen Anschlüssen die für sie bestimmten Güterwagen zu; am Nachmittag und Abend werden sie zur Zugeinstellung am Rangierbahnhof wieder abgeholt. Somit ist den Kunden eine ausreichende Standzeit der Waggons zum Ein- und Ausladen gegeben.“ [12] Im Tagesdurchschnitt wurden so im Jahr 1975 zwölf Wagen abgefertigt. In Spitzenzeiten waren es bis zu 120 Waggons am Tag. Versendet wurde unter anderem Schrott, Altöl, Bier und Kraftfahrzeuge, in Empfang genommen unter anderem Kohle, landwirtschaftliche Maschinen, Fahrzeuge und Möbel. [12] Die Bezeichnung Freiladehof wurde auch für ein Areal östlich des Hauptbahnhofs und der Grombühlbrücke verwendet, auf dem die Neue Arena entstehen soll. Es ist möglich, dass obige Beschreibung auf dieses Areal und nicht die Aumühle gemünzt ist.

Das Container-Terminal des Verladebahnhofs wurde im Herbst 1969 auf dem westlichen Gelände eingerichtet und umfasste zwei längere Gleisstutzen und ein Reservegleis, die wiederum durch Ladestraßen zugänglich waren. Zum Umsetzen der Container kam ein LKW-Kran zum Einsatz. Sein Vorgänger, ein Portalkran (siehe Bild von 1971 oben), wurde zum Container-Terminal nach Nürnberg abgezogen. Anhand der historischen Abbildung von 1981 ist davon auszugehen, dass das Terminal in seiner Dimension wuchs. Die Zuführung und Abholung von Containern übernahm anfangs ausschließlich der bahneigene Spezial-Fuhrpark, später erledigten diese Aufgabe insbesondere private Unternehmen. [10]

Heutige Situation

Verladebahnhof Aumühle im Jahr 2020

Vom Verladebahnhof Aumühle ist gegenwärtig nicht mehr viel erhalten: Anhand von Luftbildern oder alternativ auch bei einem Blick von der Aumühlbrücke lassen sich noch die einstigen Gleisverläufe erahnen. In Teilen ist das original Kopfsteinpflaster des Verladebahnhofs erhalten. Relikte sind darüber hinaus mehrere Bahnbetriebsgebäude und rudimentäre Reste der großen Verladerampe (siehe Aufnahme von 1981 oben) unter der Aumühlbrücke. Im östlichen Abschnitt des Güterbahnhofs ist noch die alte Muschelkalk-Stützmauer zur Nürnberger Straße hin erhalten. Parkplätze und die große Lagerhalle von Holz-Wiegand GmbH zerpflücken die einstige Bahnanlage.

Der Verlauf des Industriegleises lässt sich trotz dem fast vollständigen Rückbau der Gleise in Luftbildern noch sehr gut nachvollziehen. Das Gleisbett ist im Bereich der Rampe am Real-Markt hinter einem Zaun und parallel zum Rosenmühlweg an der Kürnach noch erhalten und wird von der Natur zurückerobert. Einige Meter Eisenbahngleise und ein Prellbock sind noch auf dem nördlichen Areal der Faulenberg-Kaserne erhalten (für die Öffentlichkeit gegenwärtig nicht zugänglich). Auch dort hält die Natur Einzug. Auf Höhe des Jüdischen Friedhofs kann man ebenfalls noch Gleisreste und einige Eisenbahnschwellen aus Holz entdecken. Von den einstigen Bahnübergängen gibt es heute dagegen keine Zeugnisse mehr.

Bildergalerie

Verladebahnhof

Rampe an der Schweinfurter Straße

ÖPNV

Bus.png Nächste Bushaltestelle: Aumühle


Siehe auch

Literatur

  • Heinrich, Peter; Schülke, Hans: Bahnknotenpunkt Würzburg. Das große Bahnbetriebswerk in Unterfranken. Freiburg (EK-Verlag), 1990, S. 30/31.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Landkartenarchiv.de: Stadtplan Würzburg um 1930
  2. 2,0 2,1 Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens (1912)
  3. Dissertation Daniel Gerken: Die Selbstverwaltung der Stadt Würzburg in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. S. 212 (Sonstige städtische Betriebe)
  4. Auskunft von Frau Dr. Rotraud Ries, Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken, Stand November 2020
  5. DenkOrt Deportationen: Spuren
  6. Informationen zur Gedenktafel
  7. Schmidt-Dubro, Eckhard: 50 Jahre Bernhard-Kupsch-GmbH Würzburg. Hoppenstedt Verlag, Darmstadt, 1964
  8. Glas Keil: Unsere Geschichte
  9. 9,0 9,1 9,2 Main-Post: „Stadt hat ihre "Bodenschätze" ausgegraben“ (23. September 2005)
  10. 10,0 10,1 Heinrich, Peter; Schülke, Hans: Bahnknotenpunkt Würzburg. Das große Bahnbetriebswerk in Unterfranken. Freiburg (EK-Verlag), 1990, S. 31
  11. Grundlage: Google Earth Pro Luftbilder
  12. 12,0 12,1 12,2 Heinrich, Peter; Schülke, Hans: Bahnknotenpunkt Würzburg. Das große Bahnbetriebswerk in Unterfranken. Freiburg (EK-Verlag), 1990, S. 30

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