Ratskapelle (Würzburg)
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Die Ratskapelle im Würzburger Rathaus wurde im Jahr 1359 den Heiligen Felix und Adauctus geweiht. Heute ist sie profaniert und in die Räumlichkeiten des Würzburger Ratskellers integriert.
Patrozinium
Die Ratskapelle hatte ein Doppelpatronat. Der Heilige Felix war Priester und starb zwischen 267 und 303 in Rom als Märtyrer, nachdem er im Beisein von Kaiser Diocletian weigerte, den römischen Göttern zu huldigen und stattdessen deren Statuen duch Umblasen zerstört hatte. Die Legende erzählt, dass bei der Hinrichtung des Felix einer aus den Zuschauern (möglicherweise sein Bruder) auf diesen zusprang, ihn küsste, sich als Christ bekannte und gemeinsam mit ihm enthauptet wurde. Da kein Römer seinen Namen kannte, wird er „Adauctus“, „der Hinzugekommene“ genannt. Beide wurden zusammen bestattet und ihr gemeinsamer Gedenktag ist der 30. August. Hintergrund dieser Entscheidung war, dass an diesem Datum jährlich ein Festmahl begangen wurde in Erinnerung an den städtefreundlichen König Albrecht I. von Österreich (* 1255; † 1308), der am 30. August 1303 die Reichsacht über Würzburg aufgehoben hatte. Nach allzulangem vergeblichem Kampf der Stadt um die Reichsfreiheit war dieses Patrozinium als indirekte aber deutliche Kritik an Bischof und Kaiser zu verstehen.
Geschichte und Baugeschichte
Im Mittelalter bestand der christliche Brauch, dass die Räte der Stadt vor ihren Sitzungen gemeinsam eine Messe besuchten. So wurde auch in Würzburg kurz nach dem Ankauf des Grafeneckart durch die Bürgerschaft eine eigene Ratskapelle nördlich des Grafeneckartbaus errichtet, in der baulich kein Chorraum geschaffen worden war und der Altar mittig an der Ostwand stand. Die Weihe erfolgte am 16. September 1359. 1389 ist ein Kaplan Johannes von Lindelbach als Vikar der Kapelle benannt. Bischof Gottfried IV. Schenk von Limpurg bestätigt 1449 Bürgermeister und Stadtrat als Lehens- und Patronatsherren der Kapelle. Erst Ende des 16. Jahrhunderts ließen die Ratsherren das ursprünglich frei stehende Gotteshaus durch den Bau eines eigenen Kalterhauses und zwanzig Jahre später einer Ratsstube mit eigenem Treppenhaus und Laube in den Gebäudekomplex des Rathauses integrieren. Bis 1611 ist ein Vikar Jodok Brandt, ab dann Gabriel Marck, beide Kanoniker am Stift Neumünster, beurkundet.
Zunächst freistehend wurde sie später durch den Kalterbau komplett überbaut. Es war bald nicht mehr erkennbar, dass es sich ursprünglich um ein frei stehendes Gebäude gehandelt hatte. 1628 wurde im Zuge einer barocken Erweiterung ein Choranbau geschaffen, jedoch diente die Ratskapelle in den Folgejahren nur noch als Abstellraum, weil es den Ratsherren durch die Überbauung dort zu dunkel geworden war. Im Weiteren nutzten die Stadträte die Andreaskapelle (zur Karmelitenstraße gelegen) für ihre Gottesdienste. Zudem machte bereits Mitte des 16. Jahrhunderts der Stadtrat seinen Anspruch auf Nutzung der Marienkapelle geltend.
Im Jahre 1866 entdeckte Baurat Joseph Scherpf beim Herrichten des neuen Feuerwehrhauses und beim Entrümpeln des Kalterhaues die verschmutzte und zugebaute Ratskapelle wieder. Begeistert von den drei gotischen Fenstern, ließ er den Choranbau von 1628 beseitigen und die Kapelle in den Zustand versetzen, den sie bei ihrer Weihe 1359 hatte.
Baubeschreibung
Die Kapelle wurde als gotischer Langbau in Nord-Süd-Richtung geschaffen, überspannt von drei schmalen kreuzgewölbten Jochen. Westlich ist die Begrenzungswand durch fünfteilige Glasfenster unterbrochen, ursprünglich gestaltet nach einem Entwurf von Otto Rückert. Sie thematisierten die Universität und deren Fakultäten sowie die Studentenkorporationen. Östlich befinden sich drei kleinere schmale Spitzbogenfenster, welche historisch Wappen von Weinbaugemeinden zeigten.
Künsterische Gestaltung
Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde erst 1970 mit der Wiedererrichtung des Ratskellers begonnen. Dabei wurden die Glasfenster mit Glasmalereien nach mittelalterlichen und barocken Stichen durch Kunstmaler Friedrich May und die Werkstätte Rothkegel neu gestaltet. Die westlichen Fenster sind thematisch von links nach rechts der IHK, Universität und Handwerkskammer für Unterfranken gewidmet, die östlichen den drei großen Würzburger Traditionsweingütern: Bürgerspital zum Heiligen Geist, Staatliche Hofkellerei und Juliusspital.
Die drei runden Schlusssteine der Kreuzrippengewölbe wurden vom Bildhauer Wolfgang Singer 1973 aus Sandstein geschaffen und zeigen thematisch: „Ich bin der Weinstock, ihr die Reben.“, die „Hochzeit zu Kana“, weil der festliche Raum u.a. auch für Hochzeiten vorgesehen ist, und den „Feuervogel“, der an die Zerstörung Würzburgs 1945 erinnert.
Siehe auch
- Geschichte des Würzburger Ratskellers
- Grafeneckart
- Laube im Würzburger Ratskeller
- Nicht mehr vorhandene Kirchen/Kapellen
- Schiestl-Stube im Würzburger Ratskeller
- Würzburger Ratskeller
Quellen und Literatur
- Hans Steidle: Am Anfang war ein Mord. Das Würzburger Rathaus als Brennpunkt von Politik und Geschichte. Echter Verlag, Würzburg 2012. ISBN: 978-3-429-03506-8 S. 95-102
- Hans-Peter Baum: Die Ratskapelle St. Felix und St. Adauctus im Grafeneckart. In: Geschichte der Stadt Würzburg. Band I. Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Bauernkriegs. Hrsg: Ulrich Wagner. Verlag Theiss, Stuttgart 2001, S. 295 f.
- Richard Sedlmaier: Der Ratskeller zu Würzburg. Im Auftrag der Stadt Würzburg. Sonderdruck. Triltsch, Dettelbach 1919. (Stadtbücherei Würzburg Magazin Dek 4, Präsenzbestand)
- Online-Ausschnitte:
- Joseph Hoernes: Die Rathscapelle im Grafeneckhard mit ihrer Vicarie ad sanctum Felicem et Adauctum. Hrsg.: Historischer Verein für Unterfranken und Aschaffenburg, Würzburg 1870 (kann für den privaten und wissenschaftlichen Gebrauch als pdf heruntergeladen werden 26 MB)
- Bruno Rottenbach: Rundgang durch den Würzburger Ratskeller. In: Würzburg heute Nr. 16/1973, S. 21 f.
- Stadtarchiv Würzburg: Würzburger Ratsurkunden, Nr. 2254 vom 13. November 1449
- Alfred Wendehorst: Germania Sacra NF 26 Das Bistum Würzburg 4. Das Stift Neumünster, de Gruyter, S. 534 ff.
- Enno Bünz: Stift Haug in Würzburg. Untersuchungen zur Geschichte eines fränkischen Kollegiatstiftes im Mittelalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN: 3-525-35444-4, S. 797