Laube im Würzburger Ratskeller
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Die Laube im Würzburger Ratskeller wurde in den Jahren von 1971 bis 1973 von Wolfgang Lenz neu gestaltet und einheitlich ausgemalt.
Die „Taglaube“ von Otto Rückert
Der 4 x 8 Meter große, von einer Tonne überfangene Raum, der im Scheitel der Wölbung 5 Meter hoch ist, liegt ebenerdig direkt neben dem Bürgersaal des Würzburger Ratskellers und war den Jahren von 1915 bis 1917 vom Würzburger Maler Otto Rückert mit einem Laubengerüst ausgemalt worden. Seine Laube hatte als Sockel eine übermannshohe echte Holzvertäfelung und war eine „Taglaube“. Das einzige Fenster der Laube [1] lag nach Süden zum Vierröhrenbrunnen und ließ mit seinem Tageslicht das dunkle Laubengerüst mit seiner Auszierung in Gestalt von Vasen, Blättern, Baumkronen und übergroßen Vögeln vor hellem Grund silhouettenhaft hervortreten. Über der Holzvertäfelung befand sich nach der Art ornamentaler Wandgestaltung ein isolierter Streifen mit länglichen Achteckfeldern und einem sich darüber befindlichen Schriftband. Die übrige Malerei hing gleich einer Glocke unvermittelt darüber. Die „Atmosphäre“ der Rückert'schen Laube konnte als durchaus „altdeutsch“ und bieder gelten. Entlehnungen aus dem dekorativen Formenschatz des 16. Jahrhunderts mischten sich mit zeitgenössischen Tendenzen des späten Jugendstils.
Historische Abbildungen
Die „Nachtlaube“ von Wolfgang Lenz
1971 erteilte die Würzburger Stadtverwaltung den Auftrag an Wolfgang Lenz zur einheitlichen Neugestaltung der Laube im Ratskeller und vergab damit den wichtigsten Auftrag auf dem Gebiet der malerischen Raumgestaltung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Es war zu erwarten, dass Wolfgang Lenz die Gelegenheit nutzen würde seinen „phantastischen Realismus“, den er seit 1965 entwickelt hatte, in dieser monumentalen Aufgabe zu verwirklichen. Er hatte die originelle Idee, eine „Nachtlaube“ ohne Tageslichtquelle zu komponieren. Die Gesamtkonzeption der Malerei wollte er auf diesen Nachteffekt abstimmen. Der Raum sollte nach genauestem Plan und zahllosen Detailstudien bis in den letzten Winkel mit malerischen Mitteln durchgestaltet werden, womit die vollkommene Illusion eines von innen erhellten nächtlichen Gartenhauses erzielt werden sollte. Dabei dachte Lenz von Anfang an an die Zumauerung des einzigen Fensters.
Zuerst malte Lenz den ultramarinblauen, mit dunkelbraunen Wolken überzogenen Nachthimmel mit seinem durchleuchtenden bleichen Vollmond. Dieser Nachthimmel zieht sich über die gesamte Wölbung und auf allen vier Seiten hinunter bis zur Augenhöhe des Betrachters. Die ringsumlaufende Arkatur, die als Holzwerk in Trompe-l'œil-Wirkung [2] gemalt wurde, gibt dem Raum erst Gefüge und Halt. Anschließend überzog der Künstler den Nachthimmel mit einem zarten Filigran wundersamer Einfälle: Über den Arkaden steigt gemaltes Lattenwerk in vier „Gurten“ empor; dies umso graziler, als diese „Gurtbögen“ nicht über den Säulen, sondern über den Bogenscheiteln der Arkatur ansetzen und sich nun das Lattenwerk in asymmetrischer Figuration über das ganze Gewölbe entfaltet. Der Eintretende erblickt zunächst die zartviolett-grauen Seidenvorhänge unter den Arkaden, die an den Rändern bisweilen zartorange-grau umschlagen und die in der unteren Zone der Wandmalerei den Blick in die nächtliche Dunkelheit verwehren. Illusionsmalerei in der gesamten Laube erweckt den Eindruck, das Gerüst sei zusammengefügt aus Lattenwerk und ausgesägten phantastischen Menschen und Tierfiguren. An allen Ecken und Enden dringen Zweige von Brombeeren und Vogelbeeren, Winden und Glyzinien, Weinlaub und Efeu durch das Gitter. Blauviolett leuchtet Klematis aus einer Ecke der Laube, in leuchtendem Gelb antworten irgendwo im Lattenwerk Kürbisblüten. Die Grenze zwischen Illusion und Wirklichkeit scheint aufgehoben. Mit herrlichen Vogelfedern, alten vergilbten Ansichtskarten mit Würzburger Motiven, Farbpostkarten mit Details der Lenz'schen Laube, mit Reiszwecken und einem Bändchen auf der gemaserten Holzwand festgehalten, und sogar mit einem Mozartfest-Plakat vom Jahre 1922 [3] offenbart sich Wolfgang Lenz als wahrer Meister des Trompe-l'œil, der Augensinntäuschung.
Mit der von Wolfgang Lenz ausgestalteten Laube des Würzburger Ratskeller erhielt die Stadt Würzburg eine neue Sehenswürdigkeit: ein monumentales Werk des „Phantastischen Realismus“ in Deutschland.
Bildergalerie
Siehe auch
- Geschichte des Würzburger Ratskellers
- Ratskapelle
- Schiestl-Stube im Würzburger Ratskeller
- Wolfgang Lenz
- Würzburger Ratskeller
Quellen und Literatur
- Pressedienst der Stadt Würzburg: Der Würzburger Ratskeller. Ein Rundgang. Hrsg.: Amt für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Würzburg, Würzburg, 6. September 1973
- Heinrich Ragaller: Die Laube von Wolfgang Lenz im Würzburger Ratskeller. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 26, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. (Hrsg.), Würzburg 1974, S. 115 ff. (Stadtbücherei Würzburg Dz26 Mai)
- Bruno Rottenbach: Rundgang durch den Würzburger Ratskeller. In: Würzburg heute Nr. 16/1973, S. 13
- Richard Sedlmaier: Der Würzburger Ratskeller. Buch- und Kunstdruckerei Konrad Triltsch, Dettelbach 1919
Hinweise und Erläuterungen
- ↑ Dieses Fenster war erst um 1730 in die Mauer gebrochen worden.
- ↑ Ein Trompe-l’œil [tʀɔ̃pˈlœj] (frz. „täusche das Auge“, von tromper „täuschen“ und l’œil „das Auge“) ist eine illusionistische Malerei, die mittels perspektivischer Darstellung Dreidimensionalität vortäuscht. Besonders in Wand- und Deckenmalereien erweitern solche Bilder die Optik der Architektur. Sie lassen so Räume größer erscheinen oder erzeugen einen Ausblick auf Phantasielandschaften. Nähere Informationen bei Wikipedia [1].
- ↑ Die Jahreszahl, von Lenz selbst gewählt, als Hinweis auf das 1922 erstmalig veranstaltete Mozartfest, für das allerdings eine anderes Plakat Verwendung fand.