Herz-Jesu-Kirche
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Das Werk des Mariannhiller Missionspriesterseminars thront mit seiner dem Heiligsten Herz Jesu geweihten Seminarkirche auf dem Mönchberg wie ein christliches Bollwerk. Der erste Spatenstich zu diesem von Albert Boßlet errichteten expressionistischen Bau in stadtbildprägender Lage wurde am 3. Juni 1927 gemacht. Trotz der äußerst schwierigen Zufuhrmöglichkeiten und einer mehrwöchigen durch starken Frost bedingten Pause konnte der Großteil des Baues bis zum 15. Mai 1928, an welchem schon der Einzug erfolgte, fertiggestellt werden. Also innerhalb der kurzen Spanne nicht einmal eines vollen Jahres ist der Riesenbau teilweise bezugsfertig gemacht worden.
Lagebeschreibung
Mit dem Gesamtkomplex aus Herz-Jesu-Kirche, dem langgestreckten Seminarflügel des Pius-Seminars und dem Missionsärztlichen Institut (Klinik) ist dem Architekten Albert Boßlet im Würzburger Stadtteil Mönchberg (Stadtbezirk Frauenland) die Verwirklichung einer „Stadtkrone" gelungen, wie man sie nur an wenigen Orten in Deutschland findet. Boßlet konzipierte die Anlage bewußt als Gegenpol zur Festung Marienberg. Die imposante Wirkung im Stadtbild wurde erreicht, indem die Kirche über den Abhang hinausgebaut wurde.
Baugeschichte
1926 wurde ein Grundstück auf dem Mönchberg erworben. Trotz der wirtschaftlich schwierigen Zeit wurde das große Bauvorhaben durch eine in Holland für die Katholiken aufgelegte Anleihe finanziert. Der Architekt Albert Boßlet wurde mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs beauftragt. Dieser wurde vom Provinzial- und Generalrat genehmigt und diente als Grundlage für die weiteren Ausführungen. Die beherrschende Lage des Platzes im Stadtbild und die eigenartige Führung der geplanten Straßen bedingten eine ebenso eigenartige Bebauung. Die aus dem Frauenland über die Rottendorfer Straße heraufführende zukünftige Ringstraße trennte sich nach dem Bebauungsplan an der Südspitze des Bauplatzes von Mariannhill in die Mariannhillstraße und Salvatorstraße. In diese Hauptgabelung musste der Schwerpunkt der Baugruppe gelegt werden. Die großen Höhenunterschiede des Geländes sowie die besonderen im Bauprogramm vorgesehenen Wünsche über die einzelnen Gebäudetrakte aus innerorganisatorischen Gründen und stark ansteigende Gelände vermehrten die Schwierigkeiten der Baugestaltung. Für 220 in Einzelzimmern unterzubringende Studenten musste unter Berücksichtigung der günstigen Lage zu den Himmelsrichtungen Raum geschaffen werden. Das von Schwestern bewohnte Wirtschaftsgebäude sollte vollkommen getrennt vom Hauptbau angelegt werden, jedoch die darin befindliche Küche in engster Verbindung stehen mit dem Refektorium, das seinerseits wieder von der Männerklausur direkten Zugang haben sollte. Für die Kirche war ein eigener Eingang von außen sowie ein getrennter Zugang vom Seminar und vom Schwesternhaus gefordert. Eine spätere Erweiterung des Seminargebäudes wurde nach Norden vorgesehen, so dass ein geschlossener Innenhof entstehen konnte.
Unmittelbar neben dem Gebäude der Mariannhiller Mission lag das Grundstück des Missionsärztlichen Vereins, auf dem im Jahre 1928 das Missionsärztliche Institut erstand, das zugleich mit den Mariannhiller Neubauten von Professor Boßlet geplant und mit diesen, wenn auch äußerlich auf Wunsch der Bauherrschaft scharf getrennt, eine einheitliche Baugruppe bilden sollte.
Zu Beginn des Frühjahres 1927 konnte an die Verwirklichung des Bauvorhabens geschritten werden. Am 15. März wurde im Hause der Mariannhiller Vertretung in Würzburg, Pleicher Ring 3 (dem heutigen Röntgenring) das Büro eröffnet, dem die gesamte weitere Plandurchführung, die Vergebung der Arbeiten und die Bauleitung oblag. Als Vertreter von Professor Boßlet, der die Oberleitung behielt, übernahm Regierungsbaumeister Wilhelm Schulte das Büro, dem Bauführer Karl Böhler wurde die örtliche Bauaufsicht übertragen. An den Plänen arbeiteten im Baubüro vorübergehend außerdem die Architekten Leo Schwind, Fritz A. Müller, Erwin van Aaken und Regierungsbaumeister Fichtner.
Bis Ende April 1927 konnten die Pläne für die Baupolizei eingereicht und Mitte Mai schon die Rohbauarbeiten, die wie alle übrigen Leistungen öffentlich ausgeschrieben waren, vergeben werden.
Nachdem die vorläufige Baugenehmigung vom Würzburger Stadtrat erteilt war, machten sich die Firmen sofort ans Werk. Am 3. Juni 1927 wurde der erste Spatenstich auf dem Mönchberg an der östlichen Peripherie der Stadt getan. Das schwierige, stark ansteigende Gelände erschwerte die am 8. Juni begonnenen Erdarbeiten, insbesondere war die notwendige Abfuhr von rund 7000 Kubikmeter Erdreich und die Zufuhr der Baustoffe mit großen Mühen verknüpft, da das lehmige Erdreich bei dem häufigen Regen vollkommen bodenlos und für Lastautos fast unbefahrbar wurde. Eine Fahrstraße führte damals am Baugelände noch nicht vorbei, so dass sich die Unternehmer erst selbst Fahrwege bauen mussten.
Die Firma Josef Meixner, die die Erd-, Beton-, Maurer- und Eisenbetonarbeiten für Kirche, Turm und Wirtschaftsgebäude durchführte, ließ zur Beschleunigung ihres Abschnittes längere Zeit hindurch von früh 4 Uhr an Doppelschichten arbeiten. Anfang Juli konnte mit dem Mauerwerk begonnen werden, am 12. Juli wurde die erste Kellerdecke betoniert und am 27. Juli die Fundamentplatte des Turmes.
Am 3. September konnte in Anwesenheit des Hochw. Herrn P. Generalsuperiors Hermann Arndt die feierliche Grundsteinlegung erfolgen. Die Decke über dem Wirtschaftskeller war an diesem Tage fertiggestellt, beim Seminar die Decke über dem ersten Obergeschoss und am Wirtschaftsgebäude wurde das letzte Stockwerk aufgemauert. Die Baustelle war feierlich beflaggt, zur Feier hatten sich Vertreter der Bauherrschaft, der Bauleitung sowie der kirchlichen und städtischen Behörden eingefunden. Nach Dankesworten an den Architekten, die Bauleitung und die ausführenden Firmen und Verlesung der durch Regierungsbaumeister Hannig kunstvoll auf echtes Pergament geschriebenen Urkunde folgte die kirchliche Weihe des Grundsteines und die Einmauerung der Blechkapsel. Generalvikar Dr. Joseph Weidinger vollzog die drei Hammerschläge im Auftrage des Bischofs von Würzburg, Stadtrat Dr. Franz für den Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, Universitätsprofessor Dr. Georg Wunderle namens der theologischen Fakultät der Universität. An die kirchliche Feier schloß sich ein gemütliches Beisammensein in engen Kreise im Weinhaus „Zur Kette" an.
In der nächsten Zeit wurden die Umfassungs- und Tragmauern an allen Bauteilen hochgetrieben, Ende September wurde der Dachstuhl auf das Wirtschaftsgebäude gesetzt während nach Betonierung der obersten Eisenbetondecke im Seminargebäude am 20. Oktober der Dachstuhl dieses Bauteiles aufgerichtet wurde. Nicht so rasch ging es bei der Kirche, da die Herstellung der Rahmenbinder große Schwierigkeiten verursachte; durch Verwendung verschiebbarer Lehrgerüste gelang es auch hier, die Arbeiten so zu fördern, dass die Zimmermeister Anfang Dezember auch das Kirchdach aufschlagen konnten.
Eine dreiwöchige Frostperiode verhinderte im Dezember den Weiterbau. Während dieser Zeit wurde dann am 20. Dezember unter Beteiligung aller bisher am Bau mitwirkenden Kräfte das Richtfest gefeiert.
Nach Weihnachten wurden die letzten Rahmenbinder betoniert und es blieben nur noch die über das Kirchenschiff herausragenden sechs Turmgeschosse auszuführen. Am 30. März 1928 konnte das Betonkreuz als Turmabschluss aufgesetzt werden.
Schon während der Rohbauarbeiten wurde mit der Verlegung der Heizrohre und der Ausführung der sanitären Installation begonnen. Zu Beginn des neuen Jahres wurden, soweit es die Witterung erlaubte, in rascher Folge die Verputz- und gesamten Innenausbauarbeiten ausgeführt. Am 15. Mai konnten die ersten Fratres im Seminarflügel einziehen, nachdem die Schwestern schon einige Tage vorher im Wirtschaftsgebäude Wohnung genommen hatten. Ende Juni 1928 war der Innenausbau ganz fertig gestellt, so dass für die Errichtung des gesamten Gebäudes trotz verschiedener, unfreiwilliger, durch Regen und Frost bedingter Arbeitspausen nur knapp 12 Monate benötigt wurden.
Nach Boßlets Entwurf entstanden 1928 noch die Wohnhäuser entlang der Salvatorstraße und das Missionsärztliche Institut unterhalb der Kirche, das der Neffe von Boßlet, Regierungsbaumeister Erwin van Aaken projektierte. Am 29. April 1929 fand die Weihe der Herz-Jesu-Kirche statt. Im Jahre 1989 wurde der Innenraum der Kirche umfassend renoviert.
Das Missionspriesterseminar wurde nach Papst Pius X. benannt, der die Congregation der Marianhiller Missionare (CMM) 1909 als eine selbständige Ordensgemeinschaft ins Leben gerufen hatte.
Der Seminarbau und die Seminarkirche
Die Errichtung des Priesterseminars der Mariannhiller Mission war nicht bloß für den Orden selbst, sondern für Deutschland im allgemeinen, für Bayern und Würzburg im besonderen eine Tat von weittragender Bedeutung.
Die Gründung der Hauptniederlassung einer Ordensgenossenschaft, deren Mitglieder nunmehr von Würzburg aus als deutsche Pioniere nach Afrika zogen, war ein Ereignis nicht bloß von großer, religiöser, sondern auch von weltwirtschaftlicher und organisatorischer Bedeutung für das damalige Deutsche Reich. Die Errichtung des Seminars in Bayern und in Würzburg wirkte sich auch als kulturelle Stärkung Bayerns und in Sonderheit als eine Stärkung der Universitätsstadt Würzburg aus.
Nicht geringer war die Bedeutung des Bauwerkes der Ordensniederlassung für die moderne Kulturarbeit Bayerns. Bei aller klösterlicher Einfachheit war der Seminarbau mit hygienischer Ausstattung nach neuzeitlichen Grundsätzen versehen. So ist denn in der Anstalt Beispiel und Vorbild für die anderen Klöster nach dem alten Grundsatz geschaffen worden „mens sana in corpore sana“. Ein gesunder Geist kann nur in einem gesunden Körper wohnen.
Die äußere Erscheinung des Baues
Beim Anblick des ragenden Bauwerkes wird uns sofort klar, dass sich der Baukünstler Landesbaurat Professor Albert Boßlet der hohen Aufgaben voll und ganz bewußt war, welche Seminar und Kirche erfüllen sollen. Ein einziger Wille leitete den Bau und übertrug seine kraftvolle Auswirkung auch auf den Stab von Künstlern, Kunstgewerblern und Handwerkern, die am und im Bau tätig gewesen sind. Zunächst ist für eine Stadt wie Würzburg die Frage höchst bedeutsam, welchen Einfluß ein so monumentales Werk auf das Stadtbild ausübt. Die Wahl des Bauplatzes war denn auch eine ganz außerordentlich günstige. Sie fiel auf das bisher wenig bebaute Gelände am Mönchberg in der Nähe der Rottendorfer Straße. Das landschaftliche Bild hat in der Errichtung des Gebäudes eine ganz überraschende Gliederung erfahren. Es lässt die rechsmainische Hügelkette fühlbar werden, gibt dem östlichen Stadtteil eine prägnante Note und verleiht auf diese Weise der die Stadt kesselartig umkreisenden Bergwand einen harmonischen Abschluss, wobei der beherrschenden Festung Marienberg in dem Mariannhiller Seminarbau ein dynamischer Gegenpol erwachsen ist. So hat zweifellos das Stadtbild von Würzburg in ganz iminenter Weise gewonnen. Stehen wir an der Straßenkreuzung vor dem monumentalen Treppenaufgang zum Kircheneingang, so genießen wir einen imposanten Rundblick zunächst hinab auf die türmereiche Stadt und dann hinüber zur rangenden Festung und den Berggeländen mit dem berühmten Käppele. Nicht minder bedeutend ist der Blick zur Herz-Jesu-Kirche und dem Pius-Seminar von der Festung Marienberg aus. Zu dieser trefflichen Fernwirkung gesellt sich auch ein bedeutender Eindruck von der Nähe aus. Mag man sich von Westen her über die Mönchbergstraße oder von Süden über den Durchbruch am Letzten Hieb nähern, überall dominiert der polygonale Turm. Seine wuchtende ungegliederte Masse wird durch einen stufenförmigen Abschluss gemildert. Mit feinem künstlerischen Empfinden ist eine gewisse Ruhe der Flächen die den den Turm beherrschende Note. Damit soll der Turm in den Rythmus der Nachbarbauten verbindend eingreifen. Eine reichere Formgebung löst sich erst über der Dachhöhe der Anbauten aus. Sobald der Turm über den hohen Anbauten sein Haupt in die Lüfte hebt, setzt Leben ein, zunächst in einem Kranze großer Rundfensterm mit denen im zweiten Polygon schmale Langfenster und im dritten steile spitzbogige Schlitzöffnungen abwechseln. Den bekrönenden Abschluss bildet ein Kreuz auf kreuzförmigem durchbrochenen Sockel. So steht der Turm da als prägnanter Drehpunkt, der die gewaltigen Flügelbauten in ihren Fronten verbindet. Zugleich fasst der Turm die beiden Haupttrakte des Missionsgebäudes, nämlich das Seminar auf der einen und die Herz-Jesu-Kirche auf der anderen Seite mit großem künstlerischen Geschick zusammen.
Durch eine Treppen- und Terrassenanlage wird die Geländesteigung an der Straßenecke glücklich überwunden und zugleich auch dem Haupteingang zur Kirche dadurch eine wirkungsvolle Betonung verschafft. Die Terrassenanlage bringt aber auch noch insofern eine klare Lösung in ds Grundrissproblem als die Portalwirkung hervorgehoben und ein vorbereitender Raum für die Südfront geschaffen wird. Die gewaltige Ausdehnung der Südfront wird einerseits durch die hohe Kirchenfassade und andererseits durch den pavillonartigen Verbindungsbau zum Seminar vorteilhaft unterbrochen. Beide hochaufragende Baukörper zeigen organische Verwachsung mit dem Turm. In der Südwand der Kirche offenbart sich der sakrale Charakter dieser Gebäudepartie in ruhiger Geschlossenheit. Das gliedernde Hauptmotiv ist zunächst die Rundbogenpforte mit Leibung und Gewölbeschluss. In ihrem Tympanon hat eine Plastik des Würzburger Bildhauers Fried Heuler Platz gefunden. Im durchbrochenen Bogenfeld sind seitlich des segnenden Christus Abt Franz und eine Missionsschwester mit Zulukindern dargestellt, während die Türflügel mit ihren Türfüllungen selbst mit 20 Bronze-Reliefs von Hede Rügemer aus dem Leben großer Missionare, St. Petrus, St. Paulus, St. Bonifatius, St. Franz Xaver und anderen geschmückt sind. Die Mitte der hohen in ihrer ungegliederten Fläche monumental wirkenden und sieghaft aufsteigenden Fassadenwand beherrscht ein achtteiliges Langfenster. Darüber betonen fünf Fenster die Breite. Gegen Westen setzt sich nun der Kirchenbau im Langhaus fort. Zunächst lehnt sich an den hohen Südfassadenflügel der ruhige First des Kirchenschiffes. Unter ihm ziehen sich seine Flanken auf jeder Seite acht aneinander gereihte Spitzgiebel begleitend hin, die mit ihren überaus schmalen Langfenstern und den Wasserspeiern eine gotisierende Sprache reden. Hier hat der Baukünstler wiederum den sakralen Charakter zum Ausdruck gebracht. Mit der Kirche zwar architektonisch verbunden, aber bescheiden in jäh abfallender Niedrigkeit dem erhabenen Gottesbau sich demütig unterordnend lehnen sich die Wirtschaftsgebäude sowie die Schwesternwohnung an. Noch weiter linker Hand steht gesondert das Missionsärztliche Institut, ein klarer Zweckbau.
Die Nordfront bestreitet das Seminargebäude, ein 97,2 Meter langer dreigeschossiger Trakt, der in leichter Kurve der geschwungenen Straßenlinie folgt. Er enthält Wohn- und Schulräume. Im gleichen Stil wie das Wirtschaftshaus gehalten, ist es durch einen pavillonartigen Verbindungsflügel dem Turm angeschlossen. Als Gegengewicht steht ein weiterer Risalitbau an der äußeren Nordecke des langen Traktes. Der Haupteingang zum Seminargebäude hat im Gewölbebeschluss zwei Wappenbilder vom Würzburger Bildhauer Friedrich Heuler gearbeitet. Rechts prangt das Wappen Pius X., links das Missionswappen: Mutter Anna mit Maria. Über dem Portal in ruhiger Kapitalschrift: Seminarium Pii Decimi.
An der Salvatorstraße selbst dominiert, da die Häusermassen des Seminars verdeckt sind, einzig und allein der Kirchenbau mit seinem aufragenden Vorbau im Süden und mit seiner Langhausgliederung durch Seitenkapellen mit quergestellten Pultdächern, während dahinter der Turm emporsteigt. Und dieses durchaus sakrale Bild behält die Vorhand auch dann, wenn der Beschauer einen weiter entfernten Standpunkt einnimmt. Vom Talkessel aus wirkt an dieser Seite die Seminarkirche als thronende Bergkirche und bereichert trefflich das mit Kirchenbauten jedweder Stilperiode ohnehin gesegnete Würzburg in energischer Betonung neuzeitlicher Architektur.
Von der Rückseite aus gesehen, also von Nordwesten her, wird die Funktion des im Winkel stehenden Turmes als Drehpunkt besonders wirkungsvoll betont. Zu künstlerisch hoher Bauschönheit entsteigt hier die Kirche dem Gelände und lässt den siegenden Abschluss des Chorhauptes gegenüber den tief darunter liegenden Wirtschaftstrakten ganz besonders in Erscheinung treten. Linker Hand zieht sich in ruhiger Flucht der Seminartrakt hin, dessen Fassadenfläche von einem Mittelrisalit belebt ist, hinter dessen schmalen und hohen Fenstern das Stiegenhaus eingebaut ist.
So ist das Gebäude seiner Zweckbestimmung entsprechend in drei Gruppen geteilt, die von außen her klar zu erkennen sind, und zwar in den eigentlichen Seminarbau (Klausurtrakt), in die Seminarkirche und in das Wirtschaftsgebäude. Sie sind klar von einander geschieden und doch wieder zu einer organischen Einheit verbunden.
Rundgang durch das Innere
Eingangsbereich
Der Eingang zu dem langen Seminartrakt führt durch den Vorraum in eine große Halle im Hochparterre, von der aus Sprechzimmer, Pforte und die Klausurflügel zugänglich sind. Dieses Vestibül ist in neuzeitlicher Formgebung gehalten, flach gedeckt, in blaugrüner Tönung mit roten Türen. Aus der schweren durch Balkenzüge gegliederten Decke leuchtet in blutroter Tönung das Zeichen des Kreuzes, das in harter entsagender Missionsarbeit in die fernen Missionsgebiete getragen werden soll. Der Raum bietet reizvolle Durchblicke zum Treppenturmhaus. Linker Hand beleben ihn drei Fenster mit Glasmalerei. Sie deuten in allegorischer Darstellung das dreifache Amt der Missionare an als Priester, Ärzte und Landwirte und sind vom Würzburger Glasmaler Stobel-Wolf gefertigt. Der Durchgang gegenüber der Pförtnerstube führt uns in den Turm. Seine Raumschale dient der Gesamtanlage des Riesenbaues als Treppenhaus. Dieses Treppenhaus ist von hoher baukünstlerischer Originalität. Um die geräumige licht- und luftfreudige Mitte gleitet an den Wänden entlang die Steintreppe in großen Windungen keiner Stütze bedürftig hinan. In polygonaler Spirale mit rhythmischen Absätzen, die als Ruhepunkte wirken, folgen die Treppengeländer dem Grundriss des Turmes. In brillantes Gelborange ist diese Turmhalle getaucht, ein Raum von barockem Gepräge, aber doch wieder von großer Selbständigkeit und Freiheit. Die Sprache unserer Zeit drückt dem kühlen Geist barocker Treppenanlagen hier den bestimmenden Stempel auf. Hoch oben in schwindelnder Höhe schließt eine plastisch bewegte Flachdecke das monumentale Treppenhaus ab; in der formalen Durchbildung dieser krönenden Decke tritt die Technik des Eisenbetons in ihre Rechte. Die Treppe führt zur Empore der Kirche einerseits, zu den Stockwerken des Seminars andererseits; letzteren ist je eine Verbindungshalle vorgelagert. Die erste Verbindungshalle ist zu einer Sammlung afrikanischer Fauna und handarbeitlicher Erzeugnisse von Eingeborenen aus Natal benützt. Über dem Treppenhaus befindet sich die Turmstube, noch höher die Glockenhalle, von wo aus ein prächtiger Blick auf die Stadt Würzburg fesselt. Wir steigen auf der Treppe wieder herab und treten in die Kirche.
Kirchenraum
Sofort nimmt uns der hochgewölbte und weitgesprengte Raum gefangen. Hier ist der christozentrische Raumgedanke der nachtridentinischen Kirche herrschend: Einheitliche Halle mit freiem Blick von allen Seiten hin zum dominierenden Hochaltar als Träger des Sakramentstabernakels. Zwischen eingezogenen Streben Kapellen für die Nebenaltäre. Die konstruktive Idee knüpft an die dreischiffige Basilika mit erhöhtem Chor, abgeflachter Apside und Krypta unter dem Chor an. Das Schiff der Kirche ist 30 Meter lang, 13,5 Meter breit und 15,55 Meter hoch. Seitlich sind 10 kapellenartige Nischen mit Seitenaltären eingebaut, 4 Meter tief mit einem Achsenabstand von 5 Metern. Die Kapellen haben fast die Höhe des Mittelschiffes. Sie werden von schmalen Fenstern belichtet. Die Decke des Schiffes, auf schweren Konsolen ruhend, ist stufenartig abgetreppt und in Streifen von verschiedenem Braun gestrichen. Der sonstige Grundton des Schiffes ist graugrüner Rauhputz. Die Formensprache ist heimisches Raumgefühl, wie es in unseren Kirchen trotz der mannigfachen Wandlungen im Laufe der Geschmacksrichtungen durch die Jahrhunderte lebendig geblieben ist bis heute. Und dieses Empfinden sichert dem Kirchenraum seine architektonische Haltung. Der hochgelegene Chor wird von einem Tonnengewölbe umrissen. Seine Seitenwände öffnen sich in Akraden, die aus zierlichen Säulen von fast maurisch anmutender Formung bestehen. Linker Hand setzt sich der Chor in einer offenen Halle im Priesteroratorium fort, während zur Rechten eine Wand einen gesonderten Raum abschließt, die Sakristei. Den Chorschluss bildet eine Apsis, die hinter dem Altarsockel einen schmalen Umgang zulässt.
Der Eingang zur Krypta liegt rechts am Chorbogen unter der mit Absicht schlicht gestalteten Kanzel. Diese Unterkirche stellt sich als ein schweigsamer flachgedeckter Raum dar, der von rechts her aus einer Seitenhalle mit ihren vier großen gleichgeformten Fenstern mit blutigroten Kreuzen auf blaugrünem Strahlengrund eine mystische Beleuchtung erfährt.
Im Hauptschiff sind die wesentlichen Lichtbringer die schmalen Fenster der Kapellen. Ihre schlitzartigen Öffnungen erreichen sanfte Dämmerung, in die das Steingrün der Mauerflächen und das Braunorange der Decke getaucht sind. Als leuchtende Akzente erglänzen die bunten Scheiben der Fenster in ihren glühenden Farben. Das Fenster der südlichen Stirnwand über der Orgelempore zeigt reichere figürliche Behandlung in musizierenden Engeln und in den allegorischen Darstellungen der drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe.
Chor und Hochaltar
Im hochgelegenen Chor umflutet den Raum eine feierlich mystische Helle durch die orangefarbigen verglasten Fenster in den Schrägungen. Im Chorraum thront der Choraltar mit der Monumentalfigur des Heilandes. Dem gestaltenden Künstler ist im Ausbau des Herz-Jesu-Altares volle Freiheit gelassen worden, wobei nur der Wunsch ausgesprochen wurde, das alte Testament möge in irgend einer Weise in die Reihe der Darstellungen mit einbezogen werden. So lag es für den Bildhauer nahe folgenden Gedankenkreis plastisch darzustellen: Jsaias, der große Prophet der Erlösung und göttlichen Liebe, wird zum Gegenstück des Vertreters des neuen Testamentes, des Evangelisten Johannes. Dieser erste Herz Jesu Jünger soll als ständiger Anbeter des eucharistischen Heilandes im Tabernakel in der gesamten Altarkomposition dargestellt werden. Christus - Herz Jesu vereint mit Christus König - steigt als Hauptfigur des Altares in überragender Größe in der Mitte empor. Der Heiland trägt die Königskrone, um diese windet sich die Dornenkrone, die rechte Hand segnend erhoben, die linke auf das Herz hinweisend. Gemäß den Anrufungen an Christ König sind vier Engelgestalten am Altar angebracht: der des Friedens und der der Gerechtigkeit zu den Füßen des Heilandes, der Engel der Wahrheit und jener der Gnade als Pfosten zum Tabernakel. Der Engel des Friedens trägt den Palmzweig, der Engel der Gerechtigkeit eine Waage, der Engel der Wahrheit einen Spiegel und der Engel der Gnade ein brennendes Herz.
Der Hochaltar ist in seiner Struktur wie im figürlichen Schmuck in Ruhpolder Marmor gearbeitet. Nur die große Herz-Jesu-Figur ist aus Holz.
Orgeln
Die Hauptorgel wurde 1949 von der Firma Steinmeyer erbaut und 2012 erweitert. Sie besitzt nun 52 Register und drei Transmissionen auf drei Manualen und Pedal. [1] Außerdem existiert eine kleine Strebel-Orgel in der Krypta. [2]
Kapellen und Seitenaltäre
Der linke Altar in der ersten Seitenkapelle, geschaffen 1928/29 von der Münchner Bildhauerin Gossens-Biehler, ist der hl. Maria und hl. Anna geweiht, den Schutzpatroninnen von Mariannhill. Die weitere Ausstattung verzögerte sich durch die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse der nachfolgenden Jahre erheblich. 1933 schuf Fürstin Margarete von Thurn und Taxis die große Figur der Muttergottes zwischen Maria-Anna-Altar und dem Chorraum als Pendant zur Kanzel. Die weiteren Seitenaltäre in den linken Kapellen des Kirchenschiffes sind mit großformatigen Gemälden geschmückt, die zum größten Teil vom Wenigumstadter Kirchenmaler Willy Jakob geschaffen wurden.
Der Seitenaltar in der zweiten Kapelle zeigt die verschiedenen geistlichen Wurzeln der Mariannhiller Missionare. Der hl. Benedikt und Bernhard von Clairvaux stehen für die aus dem Benediktinerorden hervorgegangenen Zisterzienser, die Väter der Trappisten, aus denen schließlich die Kongregation der Mariannhiller Missionare hervorging. Papst Pius X. öffnet den Mariannhillern ihren eigenen Weg und Abt Franz Pfanner segnet das Kloster Mariannhill.
Auf dem Altarblatt des Seitenaltars in der dritten Kapelle sind die beiden großen Dominikanerheiligen Albertus Magnus und Thomas von Aquin dargestellt. Das Altarblatt des Seitenaltars in der vierten Kapelle zeigt die beiden Glaubensboten Deutschlands, den hl. Bonifatius als Apostel Deutschlands und den ersten deutschen Jesuiten Petrus Canisius als zentrale Person der katholischen Reform, die beide vor der Kuppel des Petersdomes als Symbol der Kirche stehen. Den Altar in der fünften linken Seitenkapelle mit der hl. Theresia von Avila und der hl. Theresia von Lisieux zu ihren Füßen schuf 1931 die Würzburger Künstlerin Regina Elisabeth Brückner.
Der Josefsaltar in der ersten Seitenkapelle auf der rechten Seite ist ein Werk der Gebrüder Heinz Schiestl (Skulpturen) und Matthäus Schiestl (Gemälde) aus dem Jahre 1934. Im mittleren Teil des Altars sind der hl. Josef mit dem Jesusknaben und Johannes dem Täufer dargestellt. Die geöffneten Altarflügel zeigen Szenen aus dem Leben des hl. Josef; auf den geschlossenen Altarflügeln ist die Geschichte Josefs von Ägypten zu sehen.
Das Altarblatt des Seitenaltars in der zweiten rechten Seitenkapelle zeigt die Apostel Petrus und Paulus. Auf dem Altarblatt des darauf folgenden Altars in der dritten Seitenkapelle ist die Eucharistie mit Papst Pius XII. und Karl Borromäus dargestellt. Der Altar der vierten Seitenkapelle ist als Gegenstück zu den Glaubensboten auf dem Altarblatt der vierten linken Seitenkapelle der Mission der Welt gewidmet und zeigt die Heiligen Franz Xaver, Petrus Claver und Franz von Assisi. Das Gemälde des Seitenaltars der fünften rechten Seitenkapelle ist eine eine ikonenhaft wirkende Darstellung der Anbetung der Hl. Drei Könige, ein Werk von Willy Jakob aus dem Jahre 1940.
Wir verlassen den Kirchenraum, überqueren das stimmungsvolle Treppenhaus und begeben uns zum Vorraum, der sogenannten Diele. Bevor wir den Seminartrakt betreten, blicken wir von der Diele aus durch die geöffneten Zugänge hinein in den in langer Flucht sich dehnenden Gang, der in jedem Stockwerk den langgestreckten Seminarbau in zwei Hälften durchschneidet und von dem aus zahlreiche Türen in die einzelnen Zellen führen. Im Untergeschoss des Seminartraktes befinden sich die Wohnungen der Brüder, Werkstätten, Kegelbahn und Turnhalle. In den übrigen Geschossen sind 126 Einzelzimmer für die Studenten verteilt.
Historische Abbildung des Innenraums und Seminartrakts
Geläut
- Glocke „PiusX. omnia instaurare in Christo", Schlagton e'; 900 kg, gegossen bei Karl Czudnochowsky in Erding im Jahr 1955.
Herz-Jesu-Fest
Am zweiten Freitag nach Fronleichnam [1] - oder anders ausgedrückt, am dritten Freitag nach Pfingsten - feiert die Kirche das Herz-Jesu-Fest. Dieses Hochfest [2] hat seinen biblischen Grund im johanneischen Schrifttum, in dem das Herz des Erlösers einen besonderen Stellenwert einnimmt. Bereits die Kirchenväter sahen in dem Bericht, dass nach Jesu Tod beim Lanzenstich Blut und Wasser aus seinem Herzen flossen (Johannes 19,34 [3]) ein Bild für den Ursprung der Kirche und ihrer Sakramente, insbesondere der Taufe und der Eucharistie. In der Mystik des 13. und 14. Jahrhunderts wurde das Herz Jesu als Ort seiner unendlichen Liebe zu uns Menschen zunehmend verehrt. Auch der Jesuitenorden [4] schenkte der Herz-Jesu-Verehrung eine besondere Aufmerksamkeit. Johannes Eudes [5], Ordensgründer und Missionar in Frankreich, feierte erstmals 1672 mit Erlaubnis seines Bischofs ein eigenes Fest zu Ehren des Herzens Jesu in den Kirchen seiner Gemeinschaft. Die Visionen von Margareta Maria Alacoque [6] zwischen 1673 und 1675 trugen ihr auf, sich für ein Herz-Jesu-Fest und für die Pflege der Herz-Jesu-Freitage einzusetzen. Knapp 100 Jahre später gestattete Papst Clemens XIII. [7] ein solches Fest, und Pius IX. [8] führte es 1856 verbindlich für die ganze Kirche ein. Eine Neufassung der Festliturgie erfolgte 1928 durch Pius XI. [9], verbunden mit einer Rangerhöhung. Das Hochfest besitzt eine eigene Präfation [10], in der es heißt: „Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heiles."
Pfarreiengemeinschaft
Die Herz-Jesu-Kirche ist heute Teil der Pfarreiengemeinschaft Würzburg Ost.
Siehe auch
- Engelmar Unzeitig
- Kongregation Mariannhiller Missionare
- Missionsmuseum
- Willy Jakob
- Baudenkmäler in Würzburg
Quellen und Literatur
- Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Baudenkmäler in Würzburg, Nr. D-6-63-000-316.
- Historische Aufnahmen und Texte aus: Blätter der Erinnerung an die feierliche Konsekration der Herz-Jesu-Seminarkirche. Hrsg. Mariannhiller Mission, Reimlingen 1929
- Herz-Jesu-Kirche der Mariannhiller Missionare Würzburg. 1. Auflage, Verlag Schnell + Steiner GmbH, Regensburg 2000, ISBN: 3-7954-6237-1
Weblinks
- Missionare von Marianhill
- Herz-Jesu-Kirche Marianhill Würzburg
- Die Steinmeyer- und Strebel-Orgel in der Herz-Jesu-Kirche und deren Krypta