Johann Georg Heine

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Johann Georg Heine (1827)

Dr. h.c. Johann Georg Heine (* 3. April 1771 [1] in Lauterbach/Lkr. Rottweil; † 7. September 1838 in Haag/Niederlande) gründete mit dem Karolinen-Institut in Würzburg die erste orthopädische Heilanstalt Deutschlands. Durch neuentwickelte Instrumente und Bandagen aus seiner Werkstatt konnte die Orthopädie maßgeblich weiterentwickelt werden. Heine gilt als „Begründer der modernen konservativen Orthopädie“. [2]

Leben und Wirken

Johann Georg Heine wurde als erster von drei Söhnen des Wirtes, Bierbrauers und Mesners Joseph Heine in Lauterbach im Schwarzwald geboren. [3] In Überlingen ging er, ermöglicht durch heimlich von seiner Mutter Anna angespartes Geld [4], zweieinhalb Jahre zu einem Messerschmied in die Lehre und anschließend ab 1788 auf die Wanderschaft, die ihn nach Esslingen am Neckar, Mannheim und Straßburg führte. Unter anderem in Mainz, Düsseldorf, Göttingen und Berlin bildete er sich von 1794 bis 1798 als Instrumentenmacher (insbesondere für chirurgische Instrumente) aus. In Berlin lernte er Barthel von Siebold kennen, den Sohn des Würzburger Chirurgen Carl Caspar von Siebold, der damals als der bedeutendste Chirurg in Deutschland galt. Als die medizinische Fakultät von Würzburg im Jahre 1798 einen Instrumentenmacher für sich und das Juliusspital suchte, wurde er von Berlin aus von Vater und Sohn Siebold für diese Stelle empfohlen und Carl Caspar von Siebold konnte ihm eine Stelle am Juliusspital verschaffen.

Orthopädiehandwerker in Würzburg

Johann Georg Heine heiratete die Würzburgerin Anna Förtsch, erhielt somit das Bürgerrecht in Würzburg. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Anna (* 1801), die dann ihren Cousin Bernhard Heine heiratete, und Joseph Heine (* 1803). Nach der Überwindung von mancherlei Schwierigkeiten errichtete er seine erste Werkstätte in der Strohgasse (der heutigen Heinestraße 8). Der Handwerker zeigte so großes Geschick, dass er von Carl Caspar von Siebold zum Bandagisten ausgebildet wurde. 1802 wurde Heine nach bestandener Meisterprüfung als Instrumentenmacher zum Universitäts-Instrumentenmacher und Bandagisten ernannt. Aus eigenem Antrieb besuchte er die Anatomie und im Juliusspital die Operationen von Carl Caspar von Siebold und Barthel von Siebold, um die mechanischen Bedürfnisse der Chirurgie in der Praxis kennenzulernen. Daneben studierte er alle ihm zur Verfügung stehenden Werke über Anatomie, Operationen und Verbände. 1807 erschien sein „Systematisches Verzeichnis chirurgischer Instrumente, Bandagen und Maschinen”, die er selbst anfertigte. Seit dieser Zeit konstruierte er auch künstliche Gliedmaßen. Somit wurde aus dem Instrumentenmacher Heine der erste Orthopädiemechaniker. Unter dem chirurgischen Leiter des Juliusspitals, Professor Georg Anton Markard, konnte Heine selbständig Knochenbrüche und Gelenkausrenkungen behandeln.

Das Studium von Schriften über Rückgratsverkrümmungen und Fußleiden und deren mechanische Behandlung sowie die Beschäftigung mit der Anfertigung von Stützapparaten, Bandagen usw. für die Kranken des Juliusspitals, veranlasste ihn, sich eingehend mit der Orthopädie auseinanderzusetzen. Seine Veröffentlichungen dazu fanden rasch Anerkennung in der medizinischen Fachwelt.

Institutsgründung

Auf Grund der großen Nachfrage nach seinen Behandlungsmethoden, stellte ihm die Regierung Räume im ehemaligen Benediktinerkloster St. Stephan, wo er in seiner Dienstwohnung bereits Patienten behandelt hatte, zur Verfügung. Dort eröffnete er 1816 eine private orthopädische Klinik als die erste ihrer Art im deutschen Sprachraum. 1818 wurde dieses Institut vom Staatsministerium offiziell als Heilanstalt anerkannt und 1822 nach der Gattin des bayerischen Königs Maximilian I. Joseph von Bayern, die die Schirmherrschaft über die Einrichtung übernahm, Karolinen-Institut oder Karolinum genannt. [5] Bekannt waren die von Heine angebotenen Kuren. In einer eigenen Badeanstalt ließ er Heilbäder verabreichen. Mit speziell angefertigten Apparaturen wurden die Patienten in der Motionsabteilung behandelt. Zudem kamen Friktionen, Elektrizität und Galvanismus zur Anwendung. Die Anstalt genoss europaweit einen ausgezeichneten Ruf, der zahlreiche Patienten aus dem Ausland nach Würzburg führte. Auch die von Heine entwickelten Instrumente wurden zahlreich im In- und Ausland nachgefragt.

In der Würzburger Ärzteschaft und Bevölkerung zeigte sich allerdings Argwohn und Missgunst gegen den ehemaligen Instrumentenmacher, der seit etwa 1820 versuchte, eine akademische Anerkennung zu erhalten. Die Universität Jena hatte ihn schließlich auf seine, von Johann Wolfgang von Goethe unterstützte [6], Bitte hin am 6. April 1824 zum Ehrendoktor der Chirurgie ernannt, nachdem sein 1822 erfolgtes Gesuch an die bayerische Landesregierung, ihm einen Professorentitel zu verleihen, abgelehnt wurde. Der bayerische Hof in München verlieh ihm dann jedoch am 8. April 1824 durch die Universität Würzburg den Titel des „Assessors und Demonstrators der Medizinischen Fakultät”, was praktisch die Übertragung eines Lehrstuhls in diesem Fach bedeutete, und somit kann Heine als derjenige bezeichnet werden, der die zuvor vor allem als Handwerk betriebene Orthopädie zu einem akademischen Fach machte. Einer Zulassung Heines zu einer akademischen Lehrtätigkeit in größerem Umfang verweigerte sich die Medizinische Fakultät Würzburgs aber. [7]

1828 eröffnete er mit Hilfe Wilhelms von Oranien ein zweites Institut in Scheveningen in Holland und errichtete zwischen Scheveningen und Den Haag ein Jahr darauf eine Seebadeanstalt, während das Stamminstitut in Würzburg von seinem Neffen Bernhard Heine und Sohn Joseph Heine [8] übernommen wurde.

In seinem neuen Institut beschäftigte sich Heine zunächst mit den Bildungshemmungen oder Entwicklungskrankheiten der Gliedmaßen, insbesondere mit lähmungsartigen Zusammenziehungen und angeborenen Hüftgelenkserkrankungen. Als er dann aber begann, exzentrische und unhaltbaren therapeutische Ideen und eine „Reformation der gesamten Heilkunde” auf dieser Grundlage einzuleiten und schließlich versuchte die Cholera mit Senfmehlbädern zu heilen, begannen sein Ruf und die Wirtschaftlichkeit seiner Anstalt schnell zu sinken. Er geriet ab etwa 1826 [9] in Konflikt mit der lokalen Ärzteschaft und auch die holländischen Ärzte schickten ihm keine Patienten mehr. Aus Bayern erreichte Heine zudem schließlich die Nachricht, dass ihm die Ausübung der Orthopädie dort verboten worden sei.

Letzte Ruhestätte

Die Pläne Heines für die Gründung einer orthopädischen Anstalt in England wurden durch seine Erkrankung an Brustwassersucht vereitelt. Er starb 1838, dem Jahr in welchem sein Neffe Bernhard Heine zum Ehrenprofessor für Orthopädie ernannt wurde, in Scheveningen. Sein Leichnam wurde nach Würzburg überführt und am 22. September auf dem Friedhof von St. Peter und Paul beigesetzt.

Ehrungen und Auszeichnungen

  • 6. April 1824: Ehrendoktor des Lehrstuhls für Chirurgie der medizinischen Fakultät der Universität Jena.

Posthume Würdigung

In Würzburg ist die Heinestraße ist nach ihm benannt, auf dem Gelände des Hauptfriedhofs befindet sich ein Denkmal für Heine, der heute als Begründer der deutschen Orthopädie [10] gilt.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Erwin Probst: Johann Georg Heine und Würzburg. In: Die Mainlande, 10. Jahrgang (1959), S. 74f
  • Geschichte der Stadt Würzburg. Band III. Hrsg.: Ulrich Wagner. Theiss Verlag, Stuttgart 2007; S. 773f
  • Leo Günther: Würzburger Chronik. 3. Band. Von 1802-1848. Bonitas-Bauer, Würzburg 1925; S. 475
  • Klaus-Dieter Thomann u.a.: Geschichte konservativer Verfahren an den Bewegungsorganen, Darmstadt, 2001, ISBN: 3798512671
  • Doris Schwarzmann-Schafhauser: Johann Georg Heine - Beobachtungen zum Forschungsstand und Paradigmen zur Akademisierung eines handwerklichen Berufes. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 10 (1992), S. 303-313
  • dieselbe: Heine, Johann Georg und Heine, Bernhard. In: Enzyklopädie Medizingeschichte.Hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter-Verlag, Berlin (2004) 2005 ISBN: 3-11-015714-4), S. 562 und 561 (auch als dreibändige, ansonsten unveränderte Ausgabe von 2007 verfügbar: ISBN: 978-3-11-019703-7).
  • dieselbe: Der Anteil thüringischer und französischer Einflüsse auf die Begründung und Weiterentwicklung der modernen konservativen Orthopädie durch Johann Georg Heine (1771-1838). Würzburg 1998 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 66).
  • dieselbe: Im Spannungsfeld zwischen Medikasterei und „wissenschaftlicher Heilkunde“. Johann Georg Heine und die akademischen Anfänge der Orthopädie. Shaker, Aachen 1999 (zugleich medizinische Dissertation, Würzburg 1995)
  • August Rütt und Wolfgang Küsswetter: Der Ursprung der deutschen Orthopädie in Würzburg und ihre Entwicklung zur selbständigen medizinischen Disziplin, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 1 (1983), S. 107-124; S. 108-114 und 122 f.
  • August Rütt: Heine, ein Name deutscher Pioniere der Orthopädie des frühen 19. Jahrhunderts in Würzburg und ihre Wirkung für die „Alte Welt“, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 4 (1986), S. 93-103; S. 93-97.

Weblinks

Hinweise und Einzelnachweise

  1. Nach früheren, weniger wahrscheinlicheren Angaben, wurde er am 23. April 1770 geboren
  2. Doris Schwarzmann-Schafhauser: Johann Georg Heine - Beobachtungen zum Forschungsstand und Paradigmen zur Akademisierung eines handwerklichen Berufes. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 10 (1992), S. 303-313; S. 303 f. (zitiert)
  3. Stammtafel
  4. Doris Schwarzmann-Schafhauser: Johann Georg Heine - Beobachtungen zum Forschungsstand und Paradigmen zur Akademisierung eines handwerklichen Berufes. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 10 (1992), S. 303-313; S. 304
  5. Doris Schwarzmann-Schafhauser, a.a.O., S. 306
  6. Doris Schwarzmann: Über die Verleihung der chirurgischen Ehrendoktorwürde an Johann Georg Heine, den Begründer der modernen konservativen Orthopädie. Zeitschrift für Orthopädie 123 (1985), S. 94-99
  7. Doris Schwarzmann-Schafhauser, a.a.O., S. 307-309
  8. Johann Georg Heines Sohn Karl-Wilhelm wurde Chirurgie-Professor in Innsbruck und Prag
  9. August Rütt und Wolfgang Küsswetter: Der Ursprung der deutschen Orthopädie in Würzburg und ihre Entwicklung zur selbständigen medizinischen Disziplin, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 1 (1983), S. 107-124; S. 110 f.
  10. August Rütt und Wolfgang Küsswetter: Der Ursprung der deutschen Orthopädie in Würzburg und ihre Entwicklung zur selbständigen medizinischen Disziplin, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 1 (1983), S. 107-124
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