Johann Reyß

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Dr. Johann Reyß (* um 1457 in Würzburg; † 26. Juli 1517) war Universitätsdozent, katholischer Geistlicher und Domprediger am Dom St. Kilian zu Würzburg.

Familiäre Zusammenhänge

Johann Reyß entstammte einer alteingesessenen Würzburger Bürgerfamilie. Von seinen Vorfahren hatte in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einer, Hans, das Amt des Schultheiß im Saal zu Würzburg bekleidet; ein anderer, Cuntz, war als Bergmeister tätig gewesen; ein dritter, Thomas, hatte es zum Chorherrn am Stift Neumünster gebracht. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts scheint infolge des vorzeitigen Todes der jeweiligen Familienvorstände der frühere Wohlstand geschwunden zu sein, wenn auch das alte Ansehen erhalten blieb.

Leben und Wirken

Geistliche Laufbahn

Reyß lernte an der Lateinschule in Würzburg und studierte vom Wintersemester 1476/77 bis 1482 Erfurt Medizin. Nach sechsjährigem Studium erwarb Johann Reyß unter dem Dekanant des Magisters Johann Reinhard aus Schmalkalden 1482 die Würde eines Magisters der freien Künste („Magister Artium“). Als Magister der feien Künste konnte er die Pflichtvorlesungen halten, den Vorsitz bei den ordentlichen Disputationen führen, Bursenleiter und Ordinarius werden und es zum Dekan der Artistenfakultät [1] bringen. Reyß hat dieses Amt im Jahr 1491 bekleidet.

Durch den Erwerb des Magistergrades der Artistenfakultät hatte Reyß die Voraussetzung für die Zulassung zum theologischen Studium erfüllt, dem er sich zwischenzeitlich zugewandt hatte. Nach fünfjährigen Studien in der theologischen Fakultät führte er 1491 den Titel „in sacra theologia baccalaureus formatus“, hatte damit also den Grad des Baccalarius formatus oder Sententiarius erreicht. Nach den Satzungen der Erfurter theologischen Fakultät durfte der Sententiar nur dann zum Lizentiat zugelassen werden, wenn er nach Abschluss seiner Vorlesungen über die Sentenzen sich im Predigen geübt hatte. Reyß hat sich dieser Aufgabe mit besonderem Erfolg unterzogen. Die Ratschronik der Stadt Würzburg rühmt die schöne Predigt, die er am Jakobstag (25. Juli) 1497 in der Schottenkirche hielt zur Feier der Übernahme des alten Schottenklosters durch die Benediktiner von St. Stephan.

Die Voraussetzungen für die Verleihung des höchsten theologischen Grades waren also längst erfüllt, als sich Reyß um das Doktorat bewarb. Anfangs 1504 muss er die Lizenz für die Doktorpromotion erhalten haben; seit 13. März dieses Jahres wird er in den Würzburger Ratsprotokollen als Linzentiat bezeichnet. [2] Nach den Fakultätsstatuten sollte die Promotion innerhalb eines Jahres erfolgen. Diese Frist wurde um einige Monate überschritten, wahrscheinlich weil sich Reyß infolge seiner Predigtverpflichtungen am Kiliansdom sich nicht früher freimachen konnte. Erst am 2. Juni 1505, nachdem die wichtigsten kirchlichen Feiertage vorüber waren, fand er Zeit, sich zum Promotionsakt in Erfurt einzufinden.

Die wirtschaftliche Lage des Elternhauses zwang den jungen Studenten, sich frühzeitig nach einer einträglichen Pfründe umzusehen. Bereits 1481, noch vor Beginn seines theologischen Studiums, war er im Besitz der Pfarrei Gemünden. Da er studienhalber meist abwesend war, hat er sich sicher durch einen Vikar vertreten lassen. Wann er selbst die Priesterweihe empfing, steht nicht fest. Das vorgeschriebene kanonische Alter von 25 Jahren erreichte er um 1482. Man darf also wohl annehmen, dass er, der Sitte der Zeit entsprechend, bei Übernahme der Pfarrei noch Diakon war, sich aber verpflichten musste, sich binnen eines Jahres zum Priester weihen zu lassen. Der erste urkundliche Beleg dafür, dass er Priester war, stammt freilich erst aus dem Jahre 1491.

Domvikar in Würzburg

Der reichbegüterte Dompropst und Generalvikar Kilian von Bibra stiftete in den Jahren von 1491 bis 1493 Vikarstellen, deren Inhaber zugleich Domvikare waren. Die 1491 gestiftete Vicaria prima annuntiationis hatte ein Kapital von 1000 Gulden und war bei der Stadt Nürnberg anlegt. Die jährlichen Zinsen in Höhe von 40 Gulden. Am 20. März 1491 bestätigte Bischof Rudolf II. von Scherenberg auf Bitten des Dompropstes die neue Stiftung und erklärte sich damit einverstanden, dass der Magister artium und Baccalaureus formatus Johann Reyß, der ihn als ersten Inhaber der Vikarie präsentiert und nominiert wurde, durch den Domdekan Martin von der Kere im Domchor installiert wird. Da Reyß aber gerade das Dekanant der Erfurter Artistenfakultät bekleidete, ließ man ihm Zeit und war damit einverstanden, dass er sich vorerst in Würzburg vertreten ließ. Um die Mitte der 1490er Jahre scheint er endgültig in die Heimat zurückgekehrt zu sein, um seine Pflichten als Domvikar selbst zu übernehmen.

Mit seinen wirtschaftlichen Verhältnissen sah es nicht zum besten aus. Für seine verheiratete Schwester hatte er auf seinen guten Namen beim Bürgerspital zum Heiligen Geist 46 Gulden aufgenommen, die der Schwager Mertin Franck in vier Raten zurückzahlen sollte. Als dieser im Januar 1502 bereits mit zwei Raten im Rückstand war, wandte man sich an Reyß, der jedoch selbst außerstande war zu zahlen. Dabei trug er sich mit dem großen Plan, ein Armenhaus zu errichten, für dessen Finanzierung das bescheidene Einkommen eines Domvikars erst recht nicht ausreichen konnte. Er musste sich also nach einem erträglicheren Posten umsehen.

Ein solcher fand sich bald. Der Domprediger Magister Johann Steinbach legte sein Amt nieder, vermutlich aus gesundheitlichen Gründen oder wegen seines hohen Alters; er starb Ende Januar 1504. Reyß bewarb sich um die Nachfolge. Die Kanzeltätigkeit entsprach seinen Neigungen. Den erforderlichen Doktorgrad besaß er zwar noch nicht; aber nach dem Stiftungsbrief der Dompredigerstelle genügte auch der des Baccalaureus der Theologie, und diese Stufe hatte er längst erreicht. Vermutlich verpflichtete er sich bei seiner Berufung, den theologischen Doktortitel noch zu erwerben. So wird es zu erklären sein, dass er sich bald nach seiner Anstellung um die Linzenz zur Doktorpromotion bemühte.

Als Domprediger hatte Reyß seine Vikarstelle zunächst beibehalten ebenso wie seine beiden Vorgänger. Erst nachdem er im Frühjahr 1508 ein Kanonikat am Stift Haug erhalten hatte, trat er sie an seinen Neffen Magister Wolfgang Schroll aus Würzburg ab.

Domprediger und Chorherr am Stift Haug

Im Ratsprotokoll der Stadt Würzburg zum 19. September 1503 wird Reyß erstmals als Prediger bezeichnet [3], während er bis dahin stets nur Magister genannt wird. Kurz zuvor müsste also seine Berufung erfolgt sein. Da Reyß seine Domvikarstelle beibehielt, besserte sich nun seine finanzielle Lage, was allerdings mit dem Preis der verdreifachten Arbeitslast verbunden war. Denn als Prediger hatte er stiftungsgemäß auch theologische Vorlesungen an der Universität Würzburg zu halten und den Domscholaster bei der Prüfung der Weihekandidaten zu unterstützen. Er musste also nunmehr drei verschiedene Ämter versehen. Da ihm die Obliegenheiten seiner Vikarstelle bald zu schwer wurden, bat er das Domkapitel ihm eine andere Vikarie zu verleihen, deren Verpflichtungen weniger beschwerlich seien. Dieses Gesuch wurde abgelehnt, vermutlich weil der Dompropst ihn nicht freigeben wollte. Reyß musste also auf Selbsthilfe bedacht sein.

Bald bot sich eine Gelegenheit. Der Chorherr am Stift Haug, Dr. Markus Decker auf Basel, der im Wintersemester 1483/84 Rektor der Universität Erfurt gewesen war, hatte eine neue Vikarstelle am Stift Haug in seinem Testament gestiftet. Reyß, aus seiner Erfurter Studienzeit mit Decker bekannt, war einer seiner Testamentare, und es gelang ihm, das Hauger Stiftskapitel zu überzeugen, dass es besser wäre statt einer Vikarie eine Predigerpfründe einzurichten. Die Stiftung kam zustande und bald darauf übernahm Dr. Reyß das dem Stiftungsprediger zugedachte Kanonikat. In einer Urkunde vom 12. April 1508 erscheint er bereits als Chorherr am Stift Haug.

Der Dompropst Albrecht von Bibra war über sein Scheiden bitter enttäuscht und versuchte, den entflohenen Dr. Reyß wieder zurückzuholen. Nicht viel anders dachte der Bischof Lorenz von Bibra. Unter allen Umständen wollte er Reyß, das einmalige Predigertalent, seiner Kathedrale erhalten. Reyß, der sich selbst nur schwer von der ihm liebgewordenen Domkanzel trennen konnte, auf der er bereits seine ersten Erfolge errungen hatte, erreichte bei seinen Hauger Kollegen, dass sie ihn vorerst noch zwei Jahre im Dom predigen ließen. Dies war eine geradezu ideale Lösung: der beliebte Prediger blieb und bekam eine Gehaltsaufbesserung in Gestalt des Kanonikats am Stift Haug. So ganz zufrieden war das Hauger Kapitel aber nicht und teilten Reyß mit, dass die ihm erteilte Erlaubnis am Dom zu predigen nicht so auszulegen sei, dass er damit seiner Predigtverpflichtungen im Stift Haug entbunden sei. Sie teilten ihm mit, er habe sich zu entscheiden, ob er mit der Predigt im Stift Haug beginnen oder auf seine Kanonikat verzichten wolle. In der Folgezeit kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Domkapitel und dem Hauger Kapitel, wie mit Reyß zu verfahren sei. Schließlich einigte man sich darauf, dass Reyß aufgefordert wird, sich selbst in Rom ein Indult zu erwirken, das ihm gestatte, sowohl die Dompredigerstelle wie auch sein Hauger Kanonikat zu behalten. Reyß wies dieses Ansinnen zurück und schlug vor, das Domkapitel solle dieses Indult besorgen, das jedoch ablehnte. Erst 1511 willigt der Bischof ein, mit den Hauger Stiftsherren in Verbindung zu treten um eine Einigung herbeizuführen. Da auch Reyß den Frieden herstellen wollte, machte er das Angebot, er wolle jeweils vormittags im Dom predigen und nachmittags im Stift Haug. Das wurde zunächst von beiden Parteien schroff abgelehnt. Wenig später sah der Bischof ein, dass nur der von Reyß vorgeschlagene Weg die berechtigten Interessen beider Teile wahren konnte. Damit war der Konflikt beigelegt und Reyß konnte sich seiner Predigttätigkeit hinwenden. Und Reyß hat sich ihr mit solchem Erfolg gewidmet, dass seine Kanzelvorträge geradezu internationalen Ruf genossen.

Erster Gründer der Gabrielspflege

Im September 1503 trat Reyß mit einem fertigen Plan an die Stadt heran, um ein Domizil für die Armen und Hilfebedürftigen zu schaffen. Er bat den Stadtrat, man solle ihm das alte Beginenhaus beim Dominikanerkloster, das seit Jahrzehnten durch die Stadt vermietet wurde, überlassen. Am 19. September 1503 beschloss der Stadtrat, das gewünschte Haus zur Verfügung zu stellen und auf die Miete zu verzichten. Nicht lange blieben seine Schutzbefohlenen in dem stadteigenen Beginenhaus. Vermutlich waren die Räumlichkeiten dort zu klein und für den neuen Verwendungszweck ungeeignet. Auch die Nachbarschaft des Frauenhauses mag sich unliebsam bemerkbar gemacht haben. Schon nach vier Jahren hat Reyß das Heim wieder aufgegeben.

Offenbar 1506/07 kaufte Dr. Reyß das Haus Zum Gabeler und zwar eigens zu dem Zweck, darin ein Armenhaus einzurichten. Die Kosten für die Versorgung der aufgenommenen bestritt er aus eigenen Mitteln. Dies war die Geburtsstunde der Gabrielspflege. Bei seinem Tod war sein Werk noch unfertig. Insbesondere konnte die besitz- und lehensrechtliche Stellung des Armenhauses zum Benediktinerkloster St. Stephan zu seinen Lebzeiten nicht geklärt werden.

Lebensende

Die übergroße Last der vier verschiedenen Ämter eines Professors für Theologie, eines Chorherrn am Stift Haug, des Dompredigers und des Predigers an der Hauger Stiftskirche, deren Verpflichtungen Reyß allem nach gewissenhaft nachkam, die nicht minder zeitraubende Beschäftigung mit den tausendfältigen Anliegen einer Unzahl von Bittstellern und die ständige Sorge um das Wohl der in seinem Armenhaus Beherbergten mussten mit der Zeit auch die robusteste Gesundheit angreifen. Reyß scheint nicht einer länger dauernden Krankheit erlegen, sondern mitten aus der Arbeit abgerufen worden zu sein; denn bis zuletzt hat er seine Ämter ausgeübt und noch am 11. Juli 1517, kurz vor seinem Tod, beim Stadtrat Fürbitte für einen armen Weber eingelegt. Als sein Todestag ist wohl der 25. oder 26. Juli zu vermuten. Reyß war damals 60 Jahre alt. Sein Tod war für die ganze Stadt ein schwerer Verlust. Ein so vortrefflicher Mann wie Dr. Reyß war schwer zu ersetzen und es dauerte darum lange, bis die Nachfolge einigermaßen zufriedenstellend gelöst werden konnte. Eine gleichwertige war überhaupt nicht aufzutreiben. Zunächst zur Aushilfe und am 12. November 1517 vereidigt, trat Johann Neubaur seine Nachfolge an.

Siehe auch

Quellen und Literatur

Erläuterungen, Hinweise und Einzelnachweise

  1. Die Artistenfakultät wandelte sich vom 15. bis zum 18. Jahrhundert zur Philosophischen Fakultät, aus der wiederum die heutigen geisteswissenschaftlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten hervorgingen. Weitere Informationen bei Wikipedia [1].
  2. Stadtarchiv Würzburg, Ratsprotokolle 7, 198v. 199r.
  3. Stadtarchiv Würzburg, Ratsprotokolle 7, 191r.
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