Ernst Seifert

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Chirurgieprofessor Ernst Seifert war von 1938 bis 1945 Rektor der Universität Würzburg. Auf dem großen Foto steht er hinten als sechster von links; es entstand beim Stiftungsfest im Jahr 1930 im Audimax am Sanderring.

Prof. Dr. Ernst Seifert (* 9. November 1887 in Würzburg; † 29. August 1969 ebenda) war Chirurg und Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Familiäre Zusammenhänge

Ernst Seifert war Sohn des Internisten und Medizinporfessors Otto Seifert.

Leben und Wirken

Seifert studierte Humanmedizin in Erlangen, Würzburg und Kiel. 1913 promovierte er mit der Arbeit „Kritische Studien zur Lehre vom Zusammenhang zwischen Nase und Geschlechtsorganen“. Anschließend war er als medizinischer Assistent in Würzburg, Hamburg und London tätig. 1919 habilitiert er sich in Würzburg für Chirurgie.

Professor in Würzburg

Seifert war ab 1919 Privatdozent, ab 1923 außerordentlicher Professor und ab 1926 Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik in Würzburg. Nach der Amterhebung von Fritz König 1934 vertrat er dessen Lehrstuhl bis 1935 als Professor. In der Partei war er SA-Obersturmbannarzt. Ab 1950 wirkt er als Chirurg an der Rotkreuzklinik. Als Universitätsprofessor ging Ernst Seifert mit 64 Jahren Ende 1952 in den Ruhestand.

Rektor der Universität

Vom Sommersemester 1938 bis zum Wintersemester 1944/45 war Seifert Rektor der Universität.

Zeit des Nationalsozialismus

Einführung

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden im Deutschen Reich tausende Juden misshandelt, verhaftet oder getötet. Ihre Wohnungen, Geschäfte und Synagogen wurden zerstört oder angezündet. Die nationalsozialistischen Herrscher hatten diese Terroraktion angezettelt; ihre Schergen vor Ort führten sie aus.

Auch in Würzburg schritten NSDAP-Leute und ihre Helfer zur Tat. Mitten im Mob, der durch die Stadt zog, war Professor Ernst Seifert, der damalige Rektor der Universität. Seifert, ein gebürtiger Würzburger und studierter Mediziner, leitete die Universität seit Januar 1938. Ins Amt gekommen war er mit der Unterstützung von Gauleiter Otto Hellmuth. Dieser hatte ihn beim Reichserziehungsministerium als Kandidaten angepriesen, der „das volle Vertrauen“ der Partei genieße. Seifert gehörte der NSDAP und der SA seit 1933 an.

Amtsführung als Rektor war eher unauffällig

Seifert darf als überzeugter Nationalsozialist gelten, wie der Würzburger Historiker Peter A. Süß in seinem Buch „Kleine Geschichte der Universität Würzburg“ schreibt. Das ergebe sich auch klar aus einigen Reden, die Seifert zwischen 1938 und 1942 gehalten hatte, meist anlässlich der Immatrikulation neuer Studenten.

Trotzdem sei Seiferts Amtsführung im Vergleich zu anderen Universitätsrektoren dieser Zeit nicht sonderlich auffällig gewesen – abgesehen von seiner Teilnahme am Novemberpogrom 1938. Am Ende blieb das für ihn folgenlos.

Die Geschehnisse aus Sicht des Rektors

Im Würzburger Universitätsarchiv sind Akten vom Gerichtsprozess erhalten, in dem sich Seifert nach dem Krieg wegen schweren Landfriedensbruchs verantworten musste. In dem Verfahren schilderte er die Vorkommnisse aus seiner Sicht.

Seifert erhielt demnach am Abend des 9. November 1938 einen Anruf: Er solle umgehend zu einer Versammlung der SA in den Gasthof Hemmerlein kommen. Dort habe dann niemand gewusst, worum es bei dem Treffen gehen sollte. Schließlich hätten die SA-Leute auf der Straße Aufstellung genommen. Er, Seifert, sei in der dritten Reihe von vorne gewesen.

Der Marsch ging Richtung Innenstadt. Beim jüdischen Kaufhaus Loeser in der Domstraße seien einige Männer vorgetreten und hätten die Schaufenster eingeworfen. Die Menge drang ins Kaufhaus ein und verwüstete es. Seifert sagte aus, er selber sei auf der Straße geblieben. Er habe es nicht gewagt, sich zu entfernen – zum einen sei der örtliche SA-Führer in der Nähe gewesen, zum anderen habe er Angst gehabt, als Teilnehmer des Treibens verhaftet zu werden.

Der Mob zerstörte weitere jüdische Geschäfte und zog weiter zur Hauptsynagoge in der Domerschulstraße. Dort habe die Menschenmasse so stark gegen das Tor gedrückt, dass es aufsprang. Seifert sagte aus, er sei mit der Menge erst in den Synagogenhof und dann ins Gebäude hineingeschoben worden. In der Synagoge habe er erhebliche Zerstörungen bemerkt.

Bei der Suche nach einem rückwärtigen Ausgang zur Bibrastraße sei er zuerst in den Keller, später auf die Empore gelangt. Über eine Treppe kam er zurück in den Hof. Dort seien inzwischen nicht mehr so viele Menschen gewesen, so dass er das Anwesen verlassen konnte. Voller Empörung über das unrechtmäßige Treiben sei er schließlich nach Hause gegangen.

Andere Schilderungen der Pogromnacht

Historiker Peter A. Süß führt in seinem Buch andere Stimmen zu dieser Nacht an. So sei dem Schriftsteller Leo Weismantel (1888 - 1964) erzählt worden, Seifert habe eigenhändig mit einer Eisenstange Schaufenster zertrümmert, in der Praxis eines Arztes Röntgenapparate zerstört und in der Synagoge mit Kultgegenständen Fußball gespielt. Nachdem sich all das nicht beweisen ließ, hätte Weismantel seine Aussagen zurückgenommen.

Ähnliches berichtet Margret Boveri (1900 - 1975), die Tochter des Würzburger Biologen Theodor Boveri, in ihren Memoiren: Seifert sei an der Spitze von Studenten in eine jüdische Wohnung unter der ihren eingedrungen und habe dort die Einrichtung verwüstet.

In der Hauptsynagoge wurde bei dem Pogrom das Inventar zertrümmert und im Synagogenhof verbrannt. Das Gebäude anzuzünden, traute man sich nicht – zu groß war offenbar die Angst, dass in der dicht bebauten Domerschulstraße das Feuer auf die angrenzenden Häuser übergreifen könne.

Spruchkammer stufte Seifert als minderbelastet ein

In den Gerichts- und Spruchkammerverfahren nach dem Krieg ließen sich den Akten zufolge weder Seiferts Beteiligung an den Zerstörungen noch seine Verantwortlichkeit beweisen. Laut Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg von 1950 konnte ihm keine „Rädelsführerschaft“ nachgewiesen werden. Augenzeugen fanden sich nicht, das Gericht stellte das Verfahren ein.

Im Entnazifizierungsverfahren vor der Hauptspruchkammer in München wurde Seifert als „minderbelastet“ eingestuft. Er sei „nicht hinreichend verdächtig, Hauptschuldiger oder Belasteter“ zu sein, so die Kammer am 7. Dezember 1950.

Synagoge durch Bomben zerstört

Nach dem Novemberpogrom nutzte die NSDAP die Synagoge in der Domerschulstraße als Parteibüro. Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 dann wurde das 1837 erbaute Gebäude durch einen Bombentreffer zerstört.

Publikationen

Er veröffentlichte beispielsweise: „Chirurgie des Kopfes und Halses für Zahnärzte“ (1922) und „Chirurgische Operationslehre“ (1924).

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Robert Emmerich: Der Rektor beim Novemberpogrom. In: Einblick - Online-Magazin der Universität Würzburg, 6. November 2018
  • Ute Felbor: Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg 1937-1945. Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 1995, ISBN: 3-88479-932-0, S. 37 (Online-Fassung)
  • Grüttner: Seifert, Ernst. In: Deutsche Biographische Enzyklopädie. 2. Ausgabe, hrsg. von Rudolf Vierhaus, K. G. Saur Verlag, München 2008, S. 382b
  • Peter A. Süß: Kleine Geschichte der Würzburger Julius-Maximilians-Universität, Verlag Ferdinand Schöningh, Würzburg 2002, 202 Seiten, 20 Farb- und 77 Schwarzweiß-Abbildungen, ISBN: 3-87717-707-7

Weblinks

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