Kanzler im Bischöflichen Ordinariat

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Begriffsklärung.png Unter Kanzler kann man wahlweise eine Berufsbezeichnung oder eine Rebsorte verstehen. Siehe auch: Kanzler (Rebsorte) (seltene Weißweinrebe) oder Kanzler der Universität Würzburg (Amtsträger der Universität Würzburg).

Der Kanzler im Bischöflichen Ordinariat gehört der bischöflichen Kurie [1] an und waren die ranghöchsten weltlichen Regierungsbeamten im Fürstbistum.

Geschichte

Anfang des 15. Jahrhunderts war die Verwaltung in der Diözese Würzburg explodiert. Ungeahnte Mengen an Schriftstücken überfluteten alle Zweige der Verwaltungstätigkeit. Immer komplexere Rechtsbestimmungen zwangen die Bischöfe, nichts ohne Juristen zu regeln und alles wichtige zu verschriftlichen.

Mit dieser Situation waren die herkömmlichen Schreibkräfte überfordert. Mit unzureichenden Dokumentationsmitteln und mangelhaften Techniken zur Wiederauffindung ihrer Schriftstücke waren sie den Neuerungen nicht mehr gewachsen. Und das war kein Würzburger Spezifikum, sondern eine allgemeine Entwicklung im damaligen römisch-deutschen Reich. Allenthalben suchte man ein Allheilmittel, um die Lage in den Griff zu bekommen: durch die Bestellung eines Kanzlers. Das geschah seit den 1430er Jahren bis zum Jahrhundertende in fast allen Fürstentümern, so 1444 auch in Würzburg.

Welche Erwartungen wurden an diesen Wundermann, der auch in der Folgezeit zumeist kein Kleriker, sondern ein bürgerlicher Fachexperte war, herangetragen? Das wurde wohl nirgends genau definiert, aber es war klar, dass er dafür sorgen sollte, dass die wichtigen Dokumente zuverlässig und juristisch sauber ausgestellt, dass sie sicher und griffbereit verwahrt und die richtigen Inhalte zur rechten Zeit zur Hand waren. Damit wurde der Kanzler zu einer Schaltzentrale des Wissens und damit auch der Macht. Nicht zuletzt daher rührt das Sprichwort: „Die Kanzlei ist des Fürsten Herz!“

Arbeitsbereich

Der Kanzler war Vorstand der bischöflichen Schreibstube und hatte die Oberaufsicht über das gesamte Personal, auch der gelehrten Räte. Er nahm Disziplinarmaßnahmen, Neueinstellungen und Entlassungen vor im Einvernehmen mit dem amtierenden Bischof. Er fungierte als Kontaktmann zwischen Bischof und Hofrat. Ihm waren die wichtigsten Schriftstücke, wie Saal-, Kontrakt-, Diener-, Amts-, Gebrechen- und Lehenbücher anvertraut, sowie Urkunden und Akten, die einer Geheimhaltung unterlagen.

Stellvertretung

Bei Abwesenheit oder Krankheit des Kanzlers übernahm der Vizekanzler die Amtsgeschäfte.

Erster Kanzler

Die Geschichte des Bistums Würzburg kennt eine ganze Reihe bedeutender Inhaber des Kanzler-Amtes und ebenso Zeiten starker Bischöfe, die diese Funktion jahrelang verwaist ließen, damit sie die Regierungsgeschäfte selbst in die Hand bekamen. Auch der erste Kanzler Friedrich Schultheis war nicht gegen die Versuchung gefeilt, im großen politischen Spiel mitzumachen. Als er in den Geruch kam, gemeinsame Sache mit den Feinden des Bischofs Gottfried IV. Schenk von Limpurg zu machen, ließ in dieser 1453 kurzerhand in Haft nehmen, wo er bis zum Antritt des Nachfolgebischofs Johann III. von Grumbach verblieb.

Neu-Einführung 2016

Seit dem 1. Januar 2016 gibt es erstmals seit über 200 Jahren wieder einen Kanzler im Bistum Würzburg. Auch dies ist im Kontext allgemeiner Entwicklung zu sehen: In den bayerischen Diözesen etwa wurde das Amt des Kanzlers seit der Einführung des neuen Kirchenrechts von 1983 zumeist in Personalunion vom Generalvikar ausgeübt. In den letzten Jahren begann erst wieder eine eigenständige Besetzung des Kanzler-Amtes, zunächst 2014 in München, im Sommer 2015 in Passau und 2016 in Würzburg. Auch andere deutsche Diözesen, in denen es bislang keinen eigenen Kanzler gab, denken über eine entsprechende Veränderung nach.

Im Grunde ist auch diese Maßnahme eine Reaktion auf die in den vergangenen Jahrzehnten spürbar gewordenen Verwaltung: Mitbedingt durch die modernen Kommunikationsmittel und die Möglichkeiten der EDV, fand spätestens seit den 1970er Jahren eine explosionsartige Vermehrung von Schriftstücken und Dateien, Ablagesystemen und EDV-Fachanwendungen statt, die sich wechselseitig immer mehr verinselten und denen sich in der Folgezeit E-Mails, Internet-Portale, Intranet-Anwendungen und digitale Steuerungstechniken beigesellten. Die Einhaltung von Formerfordernissen und die bis dahin bewährten Regeln der Bewahrung, Ordnung und Weitergabe von Dokumenten und Informationen wurden in weiten Teilen der ganzen öffentlichen Verwaltung von dieser Flut geradezu hinweggespült.

Zugleich änderten sich im Gefolge einer breiten Öffnung für Themen und Anforderungen der modernen Gesellschaft - und auch eines veränderten Kirchenverständnisses - die Strukturen und Organisationsformen der Verwaltung, für die an die Stelle klarer hierarchischer Bezugpunkte eine Vielzahl von neuen Institutionen, Gremien und Positionen sowie vielfältige Formen von Beauftragungen und Sonderregelungen trafen. Obwohl die Folgen dieser Veränderungen schon bald deutlich zu spüren waren, kam es auf der strategischen Ebene lange nicht zu einem entschiedenen Gegenwirken. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts konzentrierten sich Reformversuche vor allem auf personelle und organisatorische Maßnahmen in den sichtbaren Institutionen der Schriftgutverwaltung und der Archive, während die diesen vorausgehenden Rahmenregelungen und die Schriftguterzeuger in Pastoral und Verwaltung lange nicht in den Blick genommen wurden.

Mit der Erkenntnis, dass auch dei professionellsten Archivare und Registratoren nur begrenzt handlungsfähig sind, wenn ihre Tätigkeit erst am Ende unbegrenzter und ungeregelter Produktionsprozesse von Dokumenten und Daten einsetzt, verstärkten sich seit längeren Jahren auch in Würzburg die Bemühungen um ein grundsätzliches Vorgehen, etwa durch Entwurf einer neuen Geschäftsordnung für das Ordinariat, durch Einzelklärungen von Verfahrensfragen oder die Durchführung von Projekten zur Schriftgutverwaltung in den neuen Pfarreiengemeinschaften, zur Umstellung der Registratur auf digitale Arbeitsweisen und zur Austestung von Modellen zur organisationsgerechten Strukturierung der unweigerlich bevorstehenden elektronischen Akteneinführung.

Die nunmehr gewachsene Einsicht, dass Verwaltungsabläufe nur optimiert werden können, wenn auch das Umfeld verändert wird, hat unter anderem zur Entscheidung geführt, das Amt des Kanzlers wiederzubeleben. Denn de inzwischen schon „alten“ Festlegungen des Kirchenrechts zu den Aufgaben des Kanzlers benennen als deren Kern die Ausfertigung, Aufbewahrung und Herausgabe von Akten. Abstrakt gesprochen geht es also um die Etablierung transparenter Verfahrenswege und adäquater Formen für die Erstellung von Dokumenten mit rechtlicher Relevanz in der Kurie, um eine effiziente Schriftgutverwaltung und Archivierung sowie um eine darauf aufbauendes zweckdienliches Informationsmanagement, das von der individuellen Benachrichtigung von im Einzelfall betroffenen Instanzen bis hin zur allgemeinen Publikation im Amtsblatt reicht.

Kanzler im Bischöflichen Ordinariat (Auszug)

Siehe auch

Quellen

  • Prof. Dr. Johannes Merz: Zwischen Kanzel und Kanzlei. Das Amt des „Kanzlers der Kurie“ in der Diözese Würzburg. In: Würzburger katholisches Sonntagsblatt Nr. 13 vom 27. März 2016 (Veröffentlichung bei WürzburgWiki mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Johannes Merz.)
  • Heinzjürgen M. Reuschling: Die Regierung des Hochstifts Würzburg 1495-1642, Echter Verlag, Würzburg, 1984, ISBN: 3-429-00804-2, S. 48

Erläuterungen

  1. Die Diözesankurie oder bischöfliche Kurie (von lateinisch curia ‚Rat, [Gerichts-]Hof‘) sind die Leitungs- und Verwaltungsorgane einer Diözese. Einrichtungen der Kurie sind insbesondere das Ordinariat (auch: Generalvikariat) für die Verwaltung und das Offizialat für die Rechtsprechung. Mitglieder der Kurie sind in der Regel neben dem Bischof der Generalvikar, die Bischofsvikare, Weihbischöfe, der Offizial und andere leitende Mitarbeiter der Diözese. Quelle: Wikipedia [1]
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