Simonshof (Kleinrinderfeld)

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Simonshof - Bauernhof aus Kleinrinderfeld - im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim

Der Simonshof, benannt nach Simon Borst, einem früheren Hofbesitzer, ist eine Hofanlage aus Kleinrinderfeld im südlichen Landkreis Würzburg, die heute im Fränkischen Freilandmuseum (FFM) Bad Windsheim steht. Den Mittelpunkt bildet ein schlichtes, verputztes Wohnstallhaus. Beeindruckend ist seine vollständig erhaltene Einrichtung, die weitgehend aus der Zeit um 1900 stammt: Küchengeschirr, Wäsche, die Aussteuer der letzten Bewohnerin, Vorhänge, Bilder u.v.m. haben das 20. Jahrhundert nahezu unverändert überstanden.

Von Kleinrinderfeld nach Bad Windsheim

Bei seiner „Entdeckung“ Anfang der 1990er Jahre bot das eher unscheinbare, verputzte Wohnstallhaus eine gehörige Überraschung, die sich hier jedoch nicht auf außergewöhnliche, mit einem hohen Alter verbundene Konstruktionsmerkmale des Fachwerkgerüstes bezog. In dieser Beziehung ist das Haus recht unspektakulär und leicht durchschaubar. Die Überraschung lag darin, dass man einen Großteil der Räume mit einer Möbeleinrichtung vorfand, die weitgehend aus der Zeit um 1900 stammen dürfte – und dies vor allem in der „Guten Stube“ im Obergeschoss in einer beeindruckenden Unversehrtheit. Es war, als ob die Zeit für eine lange Weile stillgestanden wäre. Auch das übrige Inventar war noch zahlreich vorhanden: Küchengeschirr, Töpfe, Trachten, Wäsche, die gesamte Aussteuer der letzten Hausbewohnerin, Backutensilien, Chromolitographien mit religiösen Motiven, Stallgeräte und vieles mehr. Drei Tage waren 1993 für den Umzug der gesamten mobilen Ausstattung ins Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim notwendig.

Abbau des Simonshofs am alten Standort in Kleinrinderfeld im September 1996

Abgebaut wurden die Kleinrinderfelder Hofgebäude in den Jahren 1995 und 1996, nachdem bereits im Sommer/Herbst 1993 ein verformungsgerechtes Aufmaß erstellt und durch Befragung und archivalische Forschungen die sozialen, familiären und wirtschaftlichen Hintergründe des Hofes untersucht worden waren. [1] Aufgrund der im FFM schon lange praktizierten Ganzteiltranslozierung – Wände werden hierbei in ganzen Teilen übertragen – konnte die teils aufwendigen Schablonenmalereien beim Aufbau in den Jahren von 1997 bis 2002 fast vollständig erhalten werden. Veränderungen baulicher Art erfolgten nur da, wo in allerjüngster Zeit Modernisierungen stattgefunden hatten: So wurde die alte Kaminsituation wiederhergestellt und auch die moderne Falzziegeldeckung durch eine Deckung mit historischen Bieberschwanzziegeln ersetzt.

Bildergalerie des Simonshofs am alten Standort in Kleinrinderfeld 1991-1996

Die Hofanlage und ihre Gebäude

Der Hof lag im Osten von Kleinrinderfeld in Hanglage an der Straße nach Geroldshausen. Die Adresse war Geroldshäuser Straße 5 (Alte Adresse: Kleinrinderfeld Nr. 43). [2] Das nur wenige Kilometer südlich von Würzburg gelegene mehrteilige Straßendorf stand jahrhundertelang im Einflussbereich des Hochstifts Würzburg und zählte am Vorabend der Säkularisation 496 Einwohner in 80 Häusern. 100 Jahre später hatten sich die Einwohnerzahl der Ortschaft im Bannkreis der Mainmetropole mehr als verdoppelt und die Bebauung stark verdichtet. Zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor in Kleinrinderfeld war durch den Abbau des reichlich vorhandenen Muschelkalksteins mittlerweile die Natursteinindustrie geworden.

Grundrisse Wohnstallhaus (Erd- und Obergeschoss)

Das Hofensemble umfasste ein Wohnstallhaus, eine große Scheune, einen Pferdestall, einen Schweinestall und einige Remisen. Außer dem stark baufälligen rückwärtigen Scheunenteil, dem unter der Scheune befindlichen Rübenkeller und den Remisen wurden sämtliche Gebäude nach Bad Windsheim transloziert. Während die genannten Nebengebäude allesamt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Muschelkalkstein errichtet worden sind, stammt das Wohnstallhaus nach einer Inschrift an einem Balken des traufseitigen Fachwerkgefüges wie auch nach der dendrochronologischen Untersuchung aus dem Jahre 1779. Das stattliche zweigeschossige Gebäude war zuletzt vollständig verputzt und bestand – abgesehen von dem massiv erneuerten Stallbereich – aus konstruktivem Eichenholz-Fachwerk mit wandhohen Streben, das auf einem Sockel aus heimischem Muschelkalkstein lagerte. Nicht nur das äußere Erscheinungsbild, auch die Grundrissaufteilung repräsentiert einen Haustypus, den man als durchaus exemplarisch für den Ochsenfurter Gau bezeichnen kann. [3] Im vierzonigen Grundriss des Erdgeschosses befindet sich links des Flurs die Stube, in der durch eine restauratorische Befunduntersuchung mehrschlägige Schablonierungen festgestellt werden konnten, dahinter ist eine Schlafkammer. An die hinter dem Flur liegende Küche schloss sich an der Traufseite bis 1958 ein Back- und Dörrhaus an, das zwischen 20 und 25 Laib Brot fassen konnte. Unter der Wohnzone liegt der Gewölbekeller, hier lagerte vor allem der selbst hergestellte Most. Von der Küche gelangt man in einen noch nach 1945 als Brennerei genutzten Raum, der früher als Milch- oder Futterkammer gedient haben mag. Rechts des Flurs erstreckt sich über zwei Zonen der um 1900 in Bezug auf die Wände und die Decke erneuerte Stall. Das Obergeschoss besteht aus der „Guten Stube“, einer Vielzahl von Kammern, die überwiegend als Schlafkammern für die Familienangehörigen genutzt wurden, einem Abort, der zuletzt völlig eingefallen war.

Im Gewölbekeller fanden sich zwei wichtige Indizien für einen Vorgängerbau. Zum einen war dort eine Baufuge sichtbar, die auf einen älteren Kellerraum und eine mit dem Neubau von 1779 verbundene Erweiterung schließen lässt. Zum anderen ist das Kellerportal mit der allerdings nach innen gewandten Jahreszahl 1581 versehen.

Bildergalerie des Simonshofs im FFM Bad Windsheim

Zur Hofgeschichte

Die frühe Hofgeschichte

Lageplan des Bauernhofs 1768
Lage des Bauernhofs im Urkataster von Kleinrinderfeld 1830

Um 1770 weist das Lehenbuch des Hochstifts Würzburg „ein wohnhäuslein, ein Stall, ein scheuern, ein baumgarten“ als Teil eines Großhoflehens aus. Als Grunduntertan des Hochstifts wird Philipp Scheuermann genannt, nachfolgende Einträge lauten auf Caspar Scheuermann und Peter Borst. Letzterer war mit der Familie Scheuermann weitläufig verwandt und erwarb die mittlerweile um ein kleines Anschlussgrundstück erweiterte Hofstelle mit der Hausnummer 43 um das Jahr 1830. Peter Borst besaß bereits einen in der Ortsmitte gelegenen Hof (Nr. 5) mit etwas über acht Hektar Grundbesitz, so dass er nun mit zusätzlich 29 Hektar Wirtschaftsfläche zu den wohlhabendsten Bauern am Ort gezählt werden konnte, zumal er später sogar noch einen dritten Hof (Nr. 6) dazu erwarb. Ab dem Jahr 1871 konzentrierten sich Leben und Arbeiten der Familie allerdings auf „unseren“ Hof, der in jenem Jahr kurzzeitig einem Salomon Stern gehörte. Es blieb die einzige kurze Unterbrechung der langen Besitztradition der Familie Scheuermann/Borst bis zur Übernahme des Ensembles durch das Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim.

1874 übergab Margarethe Borst, eine Schwiegertochter des oben erwähnten „Großbauern“ Peter Borst, den Hof an ihren Sohn Simon Borst, der das Anwesen bis 1911 bewirtschaftete und auf den der noch heute gebräuchliche Hofname „Simonshof“ zurückgeht. Unter Simon Borst erlebte der Hof einen neuerlichen Aufschwung, wenngleich in der Folgezeit die Hofgröße zu Zeiten von Peter Borst nicht mehr erreicht wurde. Dennoch wurde er um 1900 in Kleinrinderfeld zu den Bauern mit dem größten Grundbesitz gerechnet. Der bäuerliche Betrieb umfasste bei der Übernahme durch Simon Borst um die 15 Hektar, der Grundbesitz veränderte sich bis zu seinem Tod nur unwesentlich. Simon Borst hat allerdings beträchtlich in seinen Betrieb investiert: Neben Umbau und Erweiterung des heutigen Pferdestalls im Jahre 1888 veranlasste er 1896 einen völligen Neubau der Scheune. Simon Borst übergab den Hof im Mai 1911 als fast 65jähriger an seinen Sohn Adam Borst, der den Bauernhof 19 Jahre innehatte.

Der Hof von Adam und Elisabeth Borst im frühen 20. Jahrhundert

Der Simonshof blieb auch nach der Übernahme durch Adam Borst (1878-1930) einer der größten landwirtschaftlichen Betrieb in Kleinrinderfeld, der Grundbesitz konnte sogar wieder auf 22 bis 25 Hektar gesteigert werden. Entsprechend hoch war der technische Standard der landwirtschaftlichen Geräte (Getreidebinder, Beizmaschine, Heuwender, Grasmäher, Pferderechen, Obstmühle, Kelter), von denen ein Teil bereits elektrisch betrieben worden ist, denn 1922 wurde Kleinrinderfeld ans Stromnetzt angeschlossen. Neben zwei Grundmodellen von Wagen – einem Kastenwagen für Rüben und einem Leiterwagen – besaß die Familie auch eine Kutsche, einen sogenannten Jagdwagen, von denen sich Polsterteile erhalten haben, sowie einen großen Schlitten. Der Besitz der Kutsche kennzeichnet zusätzlich die Position von Adam Borst und seiner Frau Elisabeth in der sozialen Hierarchie des Dorfes. Sie waren offenbar lange Zeit die einzigen im Dorf, die ein solches Statussymbol besaßen. Ein Fahrrad konnte der Hofbesitzer ebenso sein eigen nennen, auch hier soll es sich um das erste Exemplar in Kleinrinderfeld gehandelt haben.

Zum Hof gehörten ungefähr vier Kühe, vier bis sieben Kälber, zwei bis drei Rinder, zwei Ochsen, zwei bis drei Pferde, einige Schweine, Stallhasen, Hühner, Truthähne, Enten, Gänse, Tauben (in einem Verschlag im Dach des Wohnstallhauses) und auch ein Hofhund, dessen Hundehütte unter der Treppe zum Futterboden des Pferdestalls gestanden hat.

Beeindruckend ist noch heute der fast ein Hektar große Gras- und Baumgarten, der sich nördlich an die Hofgebäude anschloss. Der Garten war – offenbar in Ermangelung eines geräumigen öffentlichen Dorfplatzes – Schauplatz großer Dorffeste.

Der Hof in den 1930er und 1940er Jahren

Nach dem Tod von Adam Borst im Jahre 1930 übernahm sein 19jähriger Sohn Hermann (1911-1945) die Hauptverantwortung für den Hof. Die bäuerlichen Arbeiten in den 1930er Jahren wurden im Wesentlichen von den Familienangehörigen erledigt. Die schwere Feldarbeit, die mit Pferden verrichtet wurde, lastete dabei auf dem noch jungen Hofinhaber. Hildegard Borst, seine Schwester, half auch auf den Feldern, ihr hauptsächlicher Verantwortungsbereich war jedoch das Melken der Kühe und die Ablieferung der Milch beim örtlichen Milchhaus. Die Mutter war für den häuslichen Bereich zuständig.

Es schien nicht schlecht bestellt zu sein um die Zukunft des Simonshofes. Doch es kam anders: Die Einberufung Hermann Borsts zum Kriegseinsatz im Zweiten Weltkrieg bedeutete einen schweren Schlag, auf dem Hof fehlte der Hauptverantwortliche und zudem einer der wichtigsten Arbeitskräfte. Ausgeglichen wurde dieser Verlust durch den Einsatz von „Zwangsarbeitern“, Kriegsgefangene, die vom nationalsozialistischen Regime zu landwirtschaftlichen oder industriellen Arbeiten gezwungen wurden. Ein belgischer und ein französischer Gefangener wurden dem Simonshof zugeteilt, auch eine Polin hat im Haus mitgeholfen. Anfangs übernachteten sie noch in einem Wohnlager an der Straße nach Kist, später wohnten sie im Obergeschoss des Simonshofes.

Stillstand der Zeit

Hermann Borst kam aus dem Krieg nicht mehr zurück, er blieb in Russland vermisst. Dies war der Anfang vom Ende des landwirtschaftlichen Betriebes auf dem Simonshof. Nach dem Krieg wurde die bäuerliche Arbeit noch eine Weile von einem Breslauer Flüchtling ausgeführt, der mit seiner Mutter und einem Kind auch in dem Haus wohnte und nebenbei auf dem Hof einen Pferdehandel betrieb. Doch 1953 war es damit auch vorbei, der Hof wurde aufgegeben. Fortan lebten nur noch die Mutter des kriegsvermissten Hofbesitzers, Elisabeth, mit ihrer unverheiratet gebliebenen Tochter Hildegard Borst auf dem großen Hof, die Felder wurden an Bauern im Dorf verpachtet. Nach dem Tod der Mutter 1959 wohnte die Tochter schließlich alleine im Haus. Daran sollte sich bis zu ihrem Tod im Jahre 1991 nichts ändern.

Das Schicksal ihres Bruders hat die einst lebenslustige Hildegard Borst nur schwer verwinden können. Noch in den 1960er Jahren rechnete sie fest mit seiner Rückkehr und verband damit die Hoffnung auf die Fortsetzung der Hofbewirtschaftung. Dieser Glaube an die Rückkehr des Bruders war ein Grund dafür, dass sie im Haus keine Veränderungen duldete und das Inventar nicht veräußerte. Erst sehr spät und aufgrund bürokratischer Zwänge hat sie den Bruder für tot erklären lassen.

Von den Nachbarn und Verwandten wird Hildegard Borst als äußerst sparsam und absolut bedürfnislos beschrieben, obwohl sie mit den Pachteinnahmen finanziell nicht schlecht gestellt war. Sie verkaufte nichts und blieb bis zu ihrem Tod – von den Dorfbewohnern und der Verwandtschaft mit Verständnislosigkeit quittiert – in ihrem ofenbeheizten und ohne jeglichen sanitären und sonstigen Komfort ausgestatteten Haus.

Ihr häusliches Alleinsein kompensierte die im Alter sensibel und leicht verletzbar gewordene Hildegard Borst mit schon fast ritualisierten Besuchen bei Nachbarn und Bekannten im Dorf, wo sie einen Plausch hielt oder sich im Winter aufwärmte. Ins Haus selbst ließ sie dagegen kaum jemanden herein. Und diejenigen, die Zugang hatten, bekamen in der Regel nur den Wohnbereich im Erdgeschoss zu sehen, die „Gute Stube“ im Obergeschoss war auch für diesen Personenkreis tabu. Mit der fürsorglichen Behandlung der Möbel in der „Guten Stube“ – gehegt, gepflegt und vor neugierigen Blicken ferngehalten – leistete Hildegard Borst der Mythenbildung im Dorf Vorschub. Noch zwei Jahre nach ihrem Tod wurde während der Vermessungsarbeiten im Haus von verschiedenen Dorfbewohnern der Wunsch geäußert, doch einmal die „schönen alten Möbel“ dieser Stube sehen zu dürfen.

In den letzten Lebensjahren beschränkte sich ihr Aktionsradius im Haus in der Hauptsache auf die Stube und die Küche im Erdgeschoss, selbst die Schlafkammer benutzte sie nicht mehr. Im September 1991 wurde Hildegard auf der Couch in der Stube gefunden: Sie hatte einen Schlaganfall erlitten, dem sie nur wenige Tage später in einer Würzburger Klinik erlag.

Aufnahme in die Liste der Baudenkmäler in Kleinrinderfeld

Nach dem Tod von Hildegard Borst veranlasste die Gemeinde Kleinrinderfeld die Aufnahme des Simonshofs in die Liste der Baudenkmäler in Kleinrinderfeld. Der Eintrag lautete:

Geroldshäuser Straße 5.
„Bauernhof, zweigeschossiges verputztes Fachwerkhaus mit Satteldach (ehem. Halbwalmdach), Ende 18. Jh., im Keller bez. 1581; Nebengebäude. (FlNr. 199).“

Infolge der Translozierung wurde der Listeneintrag am 24. Mai 2004 gelöscht. [4]

Ein Glücksfall für das Freilandmuseum

Die zurückgezogene und spartanische Lebensweise der letzten Bewohnerin konservierte die Vergangenheit in beeindruckender Weise: Ein Haus, dessen Wohnstandard den 1920er Jahren entsprach, ohne sanitäre Anlagen, ohne Heizung, bis 1991 noch mit Deutschem, d. h. offenem Kamin. Der Großteil der Räume besaß bis zum Schluss eine Einrichtung, die weitgehend der Zeit um 1900 entstammte, und das in einer beeindruckenden Unversehrtheit. Auch Inventar war noch zahlreich vorhanden: Küchengeschirr, Trachten, Wäsche, die gesamte Aussteuer der letzten Hausbewohnerin, Backutensilien, Bilder, Vorhänge, Chromlithographien mit religiösen Motiven u.v.m. – ein einmaliger Glücksfall für das Freilandmuseum!

Pressespiegel

Main-Post: „Damit zusammenpaßt, was zusammengehört“ (5. Oktober 1993)

„Mehr als zwei Jahrhunderte steht der Simonshof im Dorf, und gemessen an diesem Zeitraum ist das altehrwürdige Gebäude so schlecht nicht beieinander. Mehr noch: Das Haupthaus hat das, was man ein Gesicht nennt. Klar gegliedert die Fassade , ihre Proportionen stimmen. Die Tage des Gebäudes in Kleinrinderfeld sind gezählt. In drei Jahren soll der Simonshof ins Freilandmuseum Bad Windsheim umziehen. So ein Umzug will vorbereitet sein.
Vor zwei Jahren starb Hildegard Borst, die letzte Bewohnerin. Seitdem stand das Haus an der Geroldshäuser Straße Nummer 6 leer. Doch seit sieben Wochen ist tagsüber Leben in dem alten Gemäuer, wird vermessen, gezeichnet, hie und da ein wenig gekratzt, gebohrt und geklopft - und fotografiert.
Handwerker? Wiete Ludwig ist Bauingeieurin, Alexandra Rütting Innenarchitektin, Herbert May Historiker und Manfred Heller Architekt. Alle vier wählten das Aufbaustudium Denkmalpflege in Bamberg, in Kleinrinderfeld bot sich die Gelegenheit, nach den erlernten Regeln der Kunst zu arbeiten.
Denn die Erbengemeinschaft, der Haus und Hof gehört, war mit dem Freilandmuseum Bad Windsheim handelseinig geworden. Nun galt es, die Voraussetzungen zu schaffen, daß im Freigelände von Bad Windsheim wieder zusammenfindet, was in Kleinrinderfeld voneinander getrennt wurde. Stein um Stein, Sparren um Sparren: Die Denkmalpfleger bereiten das Puzzle vom Gewölbekeller bis zu den Firstziegeln vor. Ihre Skizzen und schriftliche Aufzeichnungen werden in den nächsten Wochen zusammengefaßt und bilden die Abschlußarbeit fürs Studium.
Wiete Ludwig erklärt, wie der Umzug vonstatten gehen wird. Wände und Decken werden in handliche Teile zerlegt, verpackt, und mit dem Tieflader nach Bad Windsheim transportiert. So kann man beispielsweise Putze und Anstriche, Tapeten und Stuck erhalten.
Wie alt ist das Gebäude überhaupt? Herbert May datiert die Grundsteinlegung etwa auf das Jahr 1770. Das habe die dendro-chronologische Untersuchung ergeben, wie Wissenschaftler die Bestimmung des Alters mit Hilfe der Jahresringe des Holzes nennen. Um 1900 sei der Sohn des Namensgebers Simon Borst der größte Bauer in Kleinrinderfeld gewesen, habe 20 Hektar Feld bearbeitet und das erste Fahrrad im Dorf gehabt, hat der Historiker herausgefunden.
Die Besucher des Freilandmuseums sollen umfassend über die Geschichte des Hofes informiert werden. Die Denkmalpfleger haben in Archiven gestöbert, in Grund-, Herrschafts-, Zins- und Schulbüchern geblättert. Besonders aufschlußreich waren zahllose Gespräche mit älteren Bürgern des Dorfes. Nur so konnte geklärt werden, welche Funktion einst ein Holzkasten mit zwei Klappen hatte, den das Team im Stall fand: eine Iltisfalle ist's.
Draußen im Freien stieß das Team auf eine Gerätschaft, die man für einen uralten Pflug halten könnte. Doch ist es ein Wagenheber, der zum Einsatz kam, als von Hydraulik auf dem Land noch nicht die Rede sein konnte.
Drunten im gut erhaltenen Gewölbe liegt ein Faß voll Apfelmost. Im ersten Stock findet sich - feinsäuberlich in Kreppapiert gehüllt - der Brautstrauß aus dem Jahr 1911. Woher das Datum? Im gleichen Raum hängt ein Hochzeitsbild an der Wand, auf dem der Strauß unschwer zu erkennen ist. Eine Weihnachtskrippe, Getreidesäcke aus schwerem Leinen, die vier angehenden Denkmalpfleger haben all das und noch ein paar Kleinigkeiten zum Inventar aufgelistet.
Jetzt ist die Arbeit des Teams in Kleinrinderfeld zu Ende. Es hat ihnen Spaß gemacht, dem Leben auf einem alten fränkischen Bauernhof nachzuspüren und ihm schließlich auf die Spur zu kommen.
Maßgeblich dazu beigetragen hat die Gastfreundschaft der Kleinrinderfelder. Bürgermeisterin Eva Maria Linsenbreder stellte das Gemeindehaus als Quartier zur Verfügung. Nicht, daß es im alten Gemäuer spukt, aber sanitäre Einrichtungen sucht man dort vergebens.
Etwa 220 Jahre prägte der Simonshof das Dorf. Jetzt sind seine letzten Jahre angebrochen. Wie überall gibt es auch in Kleinrinderfeld Zeitgenossen, die der Meinung sind, das alte Gelump gehöre doch einfach weggeschoben. Wenn der Simonshof einmal nicht mehr ist, mit seinen Sprossenfenstern, den Sandsteingewänden, der Hausmadonna, mag manchem bewußt werden, daß ein Stück Geschichte verschwunden ist. Immerhin nicht aus der Welt. Nach Bad Windsheim sind es 90 Kilometer. (Tilman Toepfer)“

Bildergalerie des alten Standorts in Kleinrinderfeld 2023

Das Grundstück in der Geroldshäuser Straße 5 am 23. Juli 2023; es wurde nach dem Tod von Hildegard Borst von der Gemeinde Kleinrinderfeld erworben und bisher nicht bebaut.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Herbert May: Stillstand der Zeit – Der Simonshof im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim. In: 950 Jahre Kleinrinderfeld 1060-2010. Festschrift. Hrsg.: Gemeinde Kleinrinderfeld 2010, S. 18 ff. (Download-Link)
  • Herbert May: Kleinrinderfeld. Zur Geschichte eines mainfränkischen Bauernhofes und vom Überleben eines alten Hauses. In: Franken unter einem Dach. Zeitschrift für Volkskunde und Kulturgeschichte. Heft Nr. 20,Nürnberg 1998, S. 56 ff., ISBN: 3-926834-40-4
  • Konrad Bedal, Simon Kotter, Herbert May, Beate Partheymüller: Häuser aus Franken. Museumshandbuch für das Fränkische Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken in Bad Windsheim. Verlag Fränkisches Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken in Bad Windsheim, 7. Auflage, 2019, S. 178 ff., ISBN: 978-3-946457-06-0

Danksagung

Für die freundliche Unterstützung sowie die Verwendung von Text- und Bildmaterial bedanken wir uns ganz herzlich beim Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim und insbesondere Herrn Dr. Herbert May.

Weblinks

Einzelnachweise und Hinweise

  1. Manfred Heller/Wiete Ludwig/Herbert May/Alexandra Rütting, Haus- und Bauforschung an einem unterfränkischen Gaubauernhof in Kleinrinderfeld, Bamberg 1993 (unveröffentl. Manuskript einschließlich Bestandpläne und Erfassung des Inventars, im Besitz des FLM Bad Windsheim).
  2. Uraufnahme im geoportal.bayern.de/bayernatlas
  3. Vgl. zu diesem Haustyp Eßfeld, Dr.-Heim-Straße 11, Fuchs-Hof (Eßfeld); Kirchheim, Gartenstraße 4, Muschelkalk- und Bauernhofmuseum Heblingshof (Kirchheim); Rittershausen, Otto-Menth-Straße 14.
  4. Informationen von Dr. Christian Dümler, Listenreferent Baudenkmäler, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Dienststelle Bamberg, Schloss Seehof

Kartenausschnitte

Heutiger Standort im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim
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Ehemaliger Standort in Kleinrinderfeld
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