Paul Heinrich Dormann

Aus WürzburgWiki

Dies ist die bestätigte sowie die neueste Version dieser Seite.

Der „Ehrentrunk“ des Gauleiters Dr. Otto Hellmuth vor dem Rathaus in Rottendorf am 10. April 1938; rechts außen Bürgermeister Paul Heinrich Dormann.

Paul Heinrich Dormann (* 19. September 1894 in Kiel-Gaaden; † 17. Juni 1943 in Rottendorf) war von 1933 bis zu seinem Tod 1. Bürgermeister der Gemeinde Rottendorf.

Leben und Wirken

Gründung der NSDAP-Ortsgruppe und Gleichschaltung

In Rottendorf befand sich seit 1928 „kleiner Stützpunkt“ der NSDAP, der sich bis 1936 zu einer „kraftvollen Ortsgruppe der NSDAP emporgearbeitet“ hatte. Am 19. April 1929 berief Paul Dormann, damaliges Mitglied des Stützpunktes, dem die beiden Parteigenossen mit Namen Graber und Eck angehörten, im Gasthaus „Zum Kirschbaum“ eine öffentliche Versammlung ein. Damit begann die offizielle Parteiengeschichte der NSDAP in Rottendorf. Dort trat der seit 1928 für Unterfranken eingesetzte Gauleiter Dr. Otto Hellmuth erstmals in Rottendorf auf und so „konnte an diesem Abend durch persönlichen Einsatz“ der kleine Stützpunkt zur selbständigen Zelle mit zwölf Parteigenossen anwachsen. Im gleichen Jahr wurde die erste NSDAP-Ortsgruppe im Landkreis Würzburg gegründet, zu deren Leiter Paul Heinrich Dormann gewählt wurde.

Bei der Reichstagswahl am 20. Mai 1928 erreichte die NSDAP in Rottendorf einen Stimmenanteil von 1,8%, stärkste Partei wurde die Bayerische Volkspartei (BVP) mit 59,8%. Zwei Jahre später, bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 entfielen auf die NSDAP in Rottendorf 10,5%, auf die BVP 52,7%. Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 wählten 23,0% der Rottendorfer die NSDAP, aber immerhin noch 50,4% die BVP.

Mit der Annahme des Ermächtigungsgesetzes „zur Behebung der Not von Volk und Reich“ „konnte die Reichsregierung ab 24. März 1933 Gesetze verfassungsändernden Inhalts, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstages und Rechte des Reichspräsidenten berührten, erlassen“. Am 14. Juli 1933 vollendeten die Nationalsozialisten die totale Gleichschalung des politischen Lebens in Deutschland. Mit Ausnahme der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) wurden alle bestehenden Parteien und Neugründungen verboten. Die in Rottendorf noch der Bayerischen Volkspartei angehörigen sieben Gemeinderäte ließen sich nach vereinzelten Widerständen oder Verweigerungen ebenso in den Prozess der Gleichschaltung eingliedern.

Bürgermeister in Rottendorf

Siedlungsprojekte

Bei den Gemeinderatswahlen vom 23. Mai 1933 war Paul Dormann zum 1. Bürgermeister von Rottendorf gewählt worden. Eine der ersten großen, in Rottendorf propagandistisch ausgeschlachteten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen war die Erstellung der „ersten Bauernsiedlung Nordbayerns“ (Untertorstraße, Hofstraße). Das zweite große Propaganda-Objekt für Rottendorf war die, nach Fertigstellung der Bauernsiedlung 1935 in Angriff genommene, sogenannte „SS-Kleinsiedlung“. Sie umfasste insgesamt 24 Kleinsiedlerstellen, die in drei Bauabschnitten fertiggestellt wurden (Scheffelstraße, Jahnstraße). Auch bei diesem Projekt standen die Milderung der Arbeitslosigkeit, vor allem in den Wintermonaten, und die Behebung der auch in Rottendorf herrschenden Wohnungsnot im Vordergrund. Initiator und Organisator dieses Siedlungsprojekts war der 1. Bürgermeister Paul Dormann. Er unterstützte und förderte damit schon in frühen Jahren den sogenannten „Dr.-Hellmuth-Plan“, der mit einem gewaltigen Siedlungs- und Arbeitsbeschaffungsprogramm die Infrastruktur des unterfränkischen Gebietes ausbauen und die Wirtschaft in allen Regionen Unterfrankens anregen sollte. Die Belegung der Kleinsiedlerstellen erfolgte durch eine strenge Siedlerauswahl. Ausschließlich Parteimitglieder hatten eine Chance, ein Häuschen zu erwerben, später fast ausschließlich SA- und SS-Männer.

NS-Propaganda im Alltag

Die Propaganda im NS-Alltag stand nicht still. Propaganda war ein wesentliches Mittel der Nationalsozialisten, die Bevölkerung für ihre Ziele zu begeistern. Eingebunden in den Jahreslauf fanden Partei- und Wahlveranstaltungen sowie nationalsozialistische Festivitäten statt. Mit einer Rede Joseph Goebbels‘ an die Schuljugend und einer Hitlerrede begannen die Festveranstaltungen am 30. Januar jeden Jahres. Über Radioempfänger konnten die Reden zuhause oder im Gasthof „Zum Kirschbaum“ verfolgt werden. Zum Gedenktag wurde der 24. Februar anlässlich der NSDAP-Gründung erhoben. Im Kronensaal der „Bayerischen Krone“ erfolgte jeden letzten Sonntag im März die feierliche Aufnahme der Vierzehnjährigen in die Hitlerjugend. Im gleichen Monat wurde der Volkstrauertag der Weimarer Republik durch einen „Heldengedenktag“ ersetzt. Am 20. April, dem Tag der Parteigründung in Rottendorf, wurden die Zehnjährigen in das Jungvolk aufgenommen. Am 21. und 22. Juni wurde die Sonnwendfeier seit 1932 auf dem Kapellenberg abgehalten. Rottendorf ließ sich, wie viele andere Gemeinden auch, von der propagandistischen Einflussnahme in den Bann ziehen und entwickelte sich diesbezüglich zu einer „Vorzeigegemeinde“. Anlässlich des schnellen und hundertprozentigen mit JA abgestimmten Wahlergebnisses 1938 hielt Gauleiter Otto Hellmuth vor dem Rathaus eine Dankesrede und nahm von der Gemeinde den „Ehrentrunk“ entgegen. Bereits 1936 war dem Gauleiter am Tag der Reichstagswahl die Ehrenbürgerwürde vom 1. Bürgermeister Dormann verliehen worden.

Katholischer Widerstand

Bewusste öffentliche Widerstandsmomente gegen das NS-Regime lagen in Rottendorf wie auch im gesamten Unterfranken bei der kleinen Gruppe des überzeugten „politischen Katholizismus“, den Geistlichen und ihren örtlichen katholischen Jugendgruppen. Der katholische Geistliche Carl Schnabel nutzte in den Gottesdiensten, in der Schule und im persönlichen Gespräch mit Rottendorfern die Gelegenheit, das Gedankengut der Nationalsozialisten in kritischen Stellungnahmen zu hinterfragen.

Jüdische Schicksale

Auch wenn in Rottendorf keine Juden ansässig waren, kann man hier doch jüdische Schicksale verfolgen bzw. erahnen. Am 1. April 1933 wurde ein reichsweiter Boykott jüdischer Geschäfte organsiert und ab August gleichen Jahres war in Rottendorf das Hausieren untersagt. Mit dem Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 [1] sollten jüdische Geschäfte vollständig aus dem wirtschaftlichen Leben verbannt werden. Die Rottendorfer Bauern schätzten jedoch den Sachverstand und die gute Ware der jüdischen Viehhändler, weshalb sie den Handel trotz Verbots nicht beenden wollten. Der seit 1934 stellvertretende 2. Bürgermeister und Landwirt Hans Fahr erhielt auf Grund seiner Geschäfte mit jüdischen Viehhändlern Maueranschläge an seinem Hof und wurde mit Beschluss des NSDAP-Kreisleiters Xaver Knaup am 29. Dezember 1936 aus dem Gemeinderat ausgeschlossen. Auch der Ortsbauernführer und Landwirt August Gutjahr, der weiterhin regelmäßig mit dem Juden Fröhlich aus Würzburg gehandelt hatte, wurde von der politischen Leitung angezeigt. Das an seinem Hof angebrachte Schild mit der Aufschrift „Juden haben keinen Zutritt“ durfte nicht entfernt werden. Nach mehreren Vorkommnissen mit weiteren Rottendorfer Landwirten fasste der 1. Bürgermeister Dormann am 20. Oktober 1937, angeregt von der Ortgruppenleitung NSDAP, folgenden Entschluss, um den Judenhandel restlos zu beseitigen:

„Wer künftig mit Juden in geschäftliche Verbindung tritt bzw. Veranlassung zu jüdischen Beziehungen gibt, wird rücksichtslos von gemeindlichen Nutzungen ausgeschlossen. Auch hat dieser Personenkreis nicht mehr mit Steuer- und Abgabenbegünstigungen zu rechnen. Auch im amtlichen Verkehr wird dieser Personenkreis keine Unterstützung mehr finden.“

Lebensende

Dormann starb am 17. Juni 1943 nach einem Krebsleiden. Am 19. Juni 1943 wurde er zu Grabe getragen. Auf Beschluss des Landrates vom 30. Juni 1943 übernahm der Landwirt Hans Fahr kommissarisch das Amt des 1. Bürgermeisters für die Kriegsdauer.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Irene Meeh: Rottendorf - 1933 bis 2015. Hrsg.: Gemeinde Rottendorf 2015, ISBN: 9783000526183, S. 57 [2]
  • Angela Treiber: Rottendorf - Zur Geschichte einer unterfränkischen Gemeinde. Hrsg.: Gemeinde Rottendorf, Selbstverlag, Rottendorf 1991, S.447 ff. [2]

Erläuterungen und Hinweise

  1. Mit den Nürnberger Gesetzen – auch als Nürnberger Rassengesetze oder Ariergesetze bezeichnet – institutionalisierten die Nationalsozialisten ihre antisemitische und rassistische Ideologie auf juristischer Grundlage. Weitere Informationen bei Wikipedia [1].
  2. 2,0 2,1 Die Chroniken von Rottendorf können im Bürgerbüro im Rathaus der Gemeinde Rottendorf käuflich erworben werden.
Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von WürzburgWiki. Durch die Nutzung von WürzburgWiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.