Martin von Wagner Museum
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Das Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg ist ein öffentliches Museum im Südflügel des UNESCO-Weltkulturerbes Würzburger Residenz. Es beherbergt die Kunstsammlungen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 1832 gegründet, ist es das älteste Museum der Region und hat sich seither zu einem der bedeutendsten Universitätsmuseen Europas entwickelt. In hoher und höchster Qualität bilden seine Bestände antiker, mittelalterlicher und neuzeitlicher Kunst rund 5000 Jahre Kunst- und Kulturgeschichte ab. Das Museum ist benannt nach dem Maler, Bildhauer, Zeichner, Archäologen, Antiquar und Kunstagenten Martin von Wagner, der nach über fünfzigjährigem Wirken in Rom seiner Heimatstadt Würzburg seine umfangsreiche Kunstsammlung und einen großen Geldbetrag stiftete.
Geschichte des Museums
Vorläufer und Anfänge
Die Kunstsammlungen der Universität Würzburg haben eine doppelte Wurzel: Einerseits knüpfen ihre Anfänge an ältere Sammeltraditionen an, bei denen zwischen handwerklicher, naturkundlicher und künstlerischer Tätigkeit wenig unterschieden wurde; andererseits steht die Gründungsgeschichte des Martin von Wagner Museums in enger Verbindung mit dem Entstehen der Fächer Kunstgeschichte und Archäologie.
Um 1780 begann der gelehrte Minoriten-Pater Bonavita Blank (1740–1827), im Würzburger Franziskanerkloster ein „Kunst- und Naturalien-Kabinett“ einzurichten. [1] 1792 wurde der künstlerische Teil dieser Sammlung von Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal für die Universität erworben; das „mosaische Kunstkabinett“ wurde im Gesandtenbau der Residenz öffentlich ausgestellt. [2] [3] Der Name erklärt sich aus den „mosaischen Kunstwerken“ oder „Musivgemälden“, die Blank zusammen mit seiner Assistentin Barbara Thein herstellte: Bilder, die nicht gemalt, sondern nach Art eines Naturmosaiks zusammengesetzt waren, aus Materialien wie Kork, Flechten, Moosen, Seetang, Schmetterlingsflügeln, Eierhäutchen, Spinnweben und vielem anderen mehr. „Die Natur durch die Natur darstellen“, so lautete das Ziel dieser damals sehr geschätzten Übung, in welcher „Kunst, Natur und Wissenschaft sich schwesterlich umarmen“, wie eine zeitgenössische Beschreibung des Blank’schen Kabinetts es formuliert. [4] Die „Musivgemälde“ waren eine echte Touristenattraktion. Angeblich zählte das Kabinett zwischen 1792 und 1819 dreißigtausend Besucher, darunter zahlreiche Persönlichkeiten von höchstem Rang bis hinauf zu Königen und Kaisern.
Aus Anlass der Eröffnung als „Hochfürstliches Kabinett“ wurde Blank zum Professor für Philosophie und Naturgeschichte an der Universität Würzburg ernannt. 1803 gingen beide Sammlungsteile in den Besitz der Universität Würzburg über, Blank wurde „Director des Universitäts-Naturalien- und mosaischen Kunstkabinets“, das fortan die Funktion eines zentralen Universitätsmuseums übernahm. Dafür zog es in das Hauptgebäude der Alma Julia. In der ehemaligen Aula des im 16. Jahrhundert errichteten Kollegiengebäudes, im dritten Stock der heute so genannten Alten Uni, wurden Hunderte von „Musivgemälden“ gerahmt an den Wänden präsentiert, während Glasschränke die mineralogischen, zoologischen und botanischen Sammlungen aufnahmen; darüber waren Präparate und Skelette von größeren Tieren aufgehängt.
1813/14 konnte Blank in einem Nebenraum einen zusätzlichen „Kunstsaal“ einrichten. Darin wurden immerhin 79 Gemälde meist kleinen Formats aufbewahrt, daneben Tausende antiker Münzen, chinesische Seidenmalerei, ein Nürnberger Wandteppich des 15. Jahrhunderts, alte Rüstungen sowie Reste römischer Mosaike. Auch Kupferstiche scheinen in größerer Zahl vorhanden gewesen zu ein. Um einen Ort für die ästhetische Bildung handelte es sich jedoch auch hier nicht. Vielmehr wurden die „Kunstsachen“ zusammengetragen, „damit die Anwendbarkeit und der mannigfaltige Gebrauch der Naturalien veranschaulicht werde“, wie Blank 1820 schrieb. Daher überwogen im Kunstsaal Objekte wie Hüttenprodukte, Waffen, Schnitzwaren, Schmuckstücke oder Trinkgeschirre. Im frühen 19. Jahrhundert lebte hier die Idee der Wunderkammer fort, wie sie seit der Spätrenaissance bestanden hatte.
So bedeutsam das Blank’sche Kabinett also für den Gedanken eines Universitätsmuseums auch war – die Anfänge des späteren Kunstmuseums sind woanders zu suchen, nämlich in der engen Verknüpfung mit der archäologischen und kunsthistorischen Lehre. [5] Sie begann im Jahr 1790, als Professor Bonaventura Andres (1743–1822) eine Vorlesung über Lessings Laokoon hielt. In diesem 1766 erschienenen Essay werden die Unterschiede zwischen bildender Kunst und Dichtung anhand der marmornen Laokoon-Gruppe im Vatikan behandelt. Andres selbst stand unter dem Eindruck der Schriften Johann Joachim Winckelmanns (1717–1768) [6], in denen erste Konturen einer systematischen Kunstgeschichtswissenschaft sichtbar wurden. Siebzehn Jahre in Folge las Andres, der einen Lehrstuhl für Rhetorik innehatte, über „Theorie und Geschichte der schönen Wissenschaften und Künste“.
Ab 1804 erweiterte sich das kunsthistorische und archäologische Lehrangebot an der Universität. Der Philosoph Friedrich Wilhelm Schelling (1775-1854 [7] hielt Vorlesungen über die „Philosophie der Kunst“, und zwar „mit stäter Hinsicht auf die Geschichte sowohl der bildenden als der redenden Künste“; die neu berufenen Professoren Friedrich Albert Klebe (1769-1843) und Christian August Fischer (1771-1829) [8] lasen über „Römische und Griechische Alterthumskunde, besonders Archäologie der Kunst“ und „Allgemeine Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften“. Für ein fachwissenschaftliches Studium boten diese Lehrveranstaltungen noch nicht die nötigen Voraussetzungen – die Disziplinen Kunstgeschichte und Archäologie begannen sich in diesen Jahren überhaupt erst zu formieren.
Seit 1815 hielt Franz Joseph Fröhlich (1780–1862), Gründer der Würzburger Musikschule und Professor für Tonkunst, Ästhetik und Pädagogik, vierzig Jahre lang kunsthistorische Vorlesungen. Im Wintersemester 1816/17 waren sie verbunden mit „einer kritischen Betrachtung vorhandener Kunstwerke“, wie es im Vorlesungsverzeichnis heißt. Für das Sommersemester 1831 wurde dort als Lehrveranstaltung angekündigt: „Aestetik als Kunstwissenschaft. Professor Fröhlich, nach eigenen Ansichten mit kritischer Beleuchtung vorzüglicher Kunstwerke und in Verbindung mit der Kunstgeschichte“. Demnach hat Fröhlich im Unterricht originale Kunstwerke verwendet, vermutlich aus eigenem Besitz – in der ersten Hälfte des 19. :Jahrhunderts war er der bedeutendste private Kunstsammler in Würzburg.
Und es war Fröhlich, der ab 1834 die Kunstsammlung der Universität aufbaute. In seiner Person fielen kunsthistorische Lehre und museumskundliches Interesse in eins. Sowohl für die Verankerung des Faches Kunstgeschichte an der Universität Würzburg als auch für die Entwicklung des späteren Martin von Wagner Museums ist die Rolle Fröhlichs kaum zu überschätzen. [9] Die Gründung des universitätseigenen Kunstmuseums erfolgte vor allem aus dem Bedürfnis, für einen seit Jahrzehnten etablierten Kunstgeschichtsunterricht das nötige Anschauungsmaterial bereitzustellen.
Die Ära Fröhlich
1831 regte das Münchner Innenministerium an, nach dem Vorbild anderer deutscher Universitäten (Göttingen, Bonn) ein universitäres Kunstmuseum einzurichten. In Würzburg stießen die Gründungsabsichten hingegen auf die Ablehnung des Senats der Universität – mit der zweifelhaften Begründung: „Was der Kunst gewidmet ist, würde die Wissenschaft hart entbehren.“
Gegen diesen Widerstand wurde 1832 die Einrichtung des „Ästhetischen Attributs“ der Universität Würzburg ‚von oben‘ durchgesetzt. Damals wurde bereits die Einteilung in Antiken-, Gemälde- und Kupfersammlung festgelegt, an der sich bis heute nichts geändert hat. Die Anschaffungspolitik wurde von dem Prinzip geleitet, dass die Werke – und sei es zunächst nur in Form graphischer Reproduktionen – die Entwicklung der künstlerischen Formen von den Anfängen bis zur Gegenwart veranschaulichen sollten.
Nach dem Willen des Ministeriums sollte das Ästhetische Attribut für die Fächer Ästhetik, Archäologie, Kunstgeschichte, Philologie und Geschichte relevant sein. In diesem Sinne präzisierte 1835 der Jura-Professor Friedrich Ringelmann die Zielsetzung des Ästhetischen Attributs: „Um die Cultur im Bereich des Schönen nach allen Richtungen hin zu verbreiten, den Vortrag der Ästhetik und Kunstgeschichte in allen ihren Branchen fruchtbar zu machen, und vor Einseitigkeit zu bewahren, endlich bei dem Studium anderer literarischer Zweige, der Philologie, insbesondere der altclassischen, der Geschichte, Archäologie, Mythologie usw. die nötighen Belege darzubieten, stellt sich ein ästhetisches Attribut als ein nothwendiges Requisit als hinreichend gerechtfertigt dar.“ [10]
Der hochtrabenden Forderung Ringelmanns indessen, das Museum solle „in jeder Kunst von den größten Künstlern eines oder einige ihrer besten Werke“ besitzen, stand ein überaus bescheidener Jahresetat von 500 Gulden gegenüber. Daran übt auch Ringelmann kaum versteckte Kritik – und regt an, Gemälde aus den Münchner Museumsdepots für das Ästhetische Attribut zur Verfügung zu stellen (wie es 1963 endlich in die Tat umgesetzt wurde). Aufhorchen lässt Ringelmanns Vorschlag, Werke verschiedener Künstler zu einem und demselben Thema zu erwerben; damit würde ein „ästhetisch tiefer Vergleich“ möglich. Tatsächlich sollte das ‚vergleichende Sehen‘ später zu einem Grundpfeiler der kunsthistorischen Methode werden.
Bereits 1827 war begonnen worden, alle Kunstgegenstände mit Ausnahme der Musivgemälde aus dem Naturalienkabinett auszuscheiden, „um Einheit in das Ganze zu bringen“. Diese Objekte wurden 1834 dem Ästhetischen Attribut übergeben. Die im Aufbau begriffene Kunstsammlung war damals noch provisorisch im Lesesaal der Universitätsbibliothek untergebracht. 1835 konnte ein Saal im dritten Stock der ‚Alten Universität‘ bezogen werden, nachdem das zuvor dort befindliche Gymnasium in ein eigenes Gebäude übergesiedelt war.
Viel war es freilich noch nicht, womit das Ästhetische Attribut aufwarten konnte. Entlang der Wände standen Graphikschränke, auf denen Kleinplastik, Vasen, Büsten und Reliefs aufgestellt waren. Die Wände waren in Erwartung von Gemälden noch leer, die Raummitte wurde freigehalten, weil hier Gipsabgüsse antiker Statuen Platz finden sollten. Einen ersten Wachstumsschub bedeuteten die sechzig Gemälde, die 1835 aus der Privatsammlung des Kartäuserpaters Benedikt Weber in den Besitz des Ästhetischen Attributs übergingen.
Die Leitung hatte zunächst ein Bibliothekar und Philologe inne, der sie wegen Arbeitsüberlastung 1834 an Franz Joseph Fröhlich abgab. Professor Fröhlich war selbst ein begeisterter Sammler von Gemälden und Kupferstichen und zugleich der einzige Wissenschaftler, der vor der Etablierung des Faches Kunstgeschichte an der Universität Würzburg – zu der es erst 1905/07 kommen sollte – regelmäßig kunsthistorische Lehrveranstaltungen hielt. Er darf als der eigentliche Begründer der Gemäldegalerie gelten. In über zwanzig Jahren, bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1855, erwarb Fröhlich über 150 Gemälde, darunter so wichtige Stücke wie den Altar der Älteren Kilianmarter, Hans Schäufeleins Bildnis des Sixtus Ölhafen oder den Kopf eines Orientalen von Giovanni Battista Tiepolo, aber auch die künstlerisch herausragende Mondsichel-Madonna von Tilman Riemenschneider.
1836 verordnete das Ministerium zusätzlich die Gründung des „Antiquarischen Museums“ nach dem Vorbild des seit 1819 bestehenden „Akademischen Kunstmuseums“ der Universität Bonn. Es sollte „für die Branche der Archäologie und als specieller Behelf für das Studium der classischen Alterthumskunde“ dienen und wurde Ernst von Lasaulx unterstellt, Professor für Philosophie und Philologie. Zunächst wurden dem Ästhetischen Attribut geeignete Stücke entnommen, 1838 erwarb Lasaulx den Kunstnachlass des Dresdner Archäologen Karl August Böttiger (1760-1835) [11] – der Grundstein für die spätere Antikensammlung des Martin von Wagner Museums war gelegt.
Obwohl das Ästhetische Attribut auf Geheiß König Ludwigs I. von Bayern seit 1837 öffentlich zugänglich war, wurde ihm 1839 die finanzielle Unterstützung aus München schon wieder entzogen. Zur Begründung gab der Königlich-Bayerische Oberbaurat Friedrich von Gärtner kurz und bündig zu verstehen: „Es soll in den Provinzen nichts seyn“. Dies war wohl nicht die ganze Wahrheit. Gärtner hatte bei einer Inspektion Anstoß daran genommen, dass Fröhlich die Gemälde nicht damaliger Praxis entsprechend nach geographischen ‚Schulen’ gehängt hatte, sondern „nach der Idee“, also nach Themen geordnet und gemäß einer hierarchischen Stufenfolge (beginnend mit Stillleben, gipfelnd in der religiösen Historienmalerei). Dies hatte im Grunde der idealistischen Zielsetzung entsprochen, die wenige Jahre zuvor von Ringelmann formuliert worden war; nun richtete sich diese Zielsetzung gegen die Sammlung selbst.
Nach der schroffen Anweisung von 1839, dass Neuanschaffungen „für immer einzustellen sind“, lässt Ernst von Lasaulx aus Protest seine Arbeit für das Antiquarische Museum ruhen. Mit Mühe konnte Fröhlich erreichen, dass dem Ästhetischen Attribut später wieder staatliche Mittel zuflossen, wenn auch in noch geringerem Umfang als zuvor. Er selbst steckte einen Teil seines Privatvermögens in die Ankäufe von Gemälden und Grafik. Gustav Waagen (1794-1868) [12], der Direktor der Königlich-Preußischen Gemäldegalerie in Berlin, stattete dem Ästhetischen Attribut 1843 einen Besuch ab. Dass er dort „recht schätzbare Sachen“ bemerken konnte, war maßgeblich das Verdienst von Franz Joseph Fröhlich.
Die Ära Urlichs
Während Franz Joseph Fröhlich das Ästhetische Attribut leitete, überwog der ästhetische noch den wissenschaftlichen Anspruch. Die Situation änderte sich grundlegend, als 1855 mit Karl Ludwig Urlichs ein ausgewiesener Fachwissenschaftler nach Würzburg berufen wurde. [13] Als Professor für Philologie, Archäologie, Ästhetik und Kunstgeschichte war er zugleich Konservator der Kunstsammlung – zu der er einen völlig anderen Zugang hatte als sein Vorgänger: Urlichs hatte an der Universität Bonn in der Direktion des Akademischen Kunstmuseums gewirkt. Zudem war er vor seiner Berufung nach Würzburg auch Abgeordneter im Preußischen Landtag und im Erfurter Unionsparlament gewesen. Diese willensstarke und politisch denkende Persönlichkeit – 1885/86 übte er das Amt des Rektors der Universität Würzburg aus – hinterließ in über drei Jahrzehnten an der Spitze des Museums (bis 1889) unübersehbare Spuren.
Unter Urlichs‘ Ägide blühten nicht nur die Altertumswissenschaften auf, auch die Antikensammlung wuchs kräftig. Als Archäologe folgte er dem Trend, literarische und archäologische Zeugnisse als gleichwertige Quellen für die Beschäftigung mit der Kultur der Antike anzuerkennen. Auch Fragen der Chronologie fanden stärker Beachtung als zuvor. Kurzum, die Verwissenschaftlichung der archäologischen Forschung hatte an der Universität Würzburg unumkehrbar Fuß gefasst.
Die Antike rückte in den Mittelpunkt der Sammlung, in der sie vor 1855 kaum eine Rolle gespielt hatte. Die Leitung des gesamten Museums wurde dauerhaft dem archäologischen Lehrstuhl der Universität Würzburg übertragen – eine Praxis, die erst 1964 beendet wurde. Mehr und mehr wurde die Universitätssammlung zu dem Ort der Antike in Würzburg und in der Region, woran sich bis heute nichts geändert hat. Die Verschiebung der Gewichte zeigte sich unter anderem darin, dass „Ästhetisches Attribut“ und „Antiquarisches Museum“ unter dem Namen „Ästhetisch-Archäologisches Attribut“ vereinigt wurden. Zu Urlichs‘ Verdiensten zählt der Aufbau einer Sammlung von Gipsabgüssen antiker Statuen, wie sie seit 1832 vorgesehen gewesen war.
Im Windschatten dieser Akzentverschiebung nahm aber auch die Zahl an ‚modernen’ Kunstwerken weiter zu. In die Ära Urlichs fiel nicht nur die Wagner-Stiftung, die schon wegen des finanziellen Zugewinns über die Konturen des späteren Museums erheblich mitbestimmen sollte. 1859 vermachte auch Franz Joseph Fröhlich der Universität seine private Sammlung, bestehend aus fast 200 Gemälden und zahlreichen Kupferstichen. Bis heute verdankt die Gemäldegalerie den größten Teil ihres Bestandes der amtlichen und privaten Sammeltätigkeit Fröhlichs. Geprägt war sein Kunstbesitz durch niederländische Meister des Goldenen Zeitalters, die in seinem Vermächtnis dominierten.
Einen nochmaligen Zuwachs verzeichnete die Gemäldegalerie 1870, als Pfarrer Joachim Josef Siegel aus Heimbuchental dem Museum 62 Gemälde hinterließ. Auch diese Schenkung bestand vorwiegend aus Niederländern, doch gelangten auch die beiden Historienbilder Giovanni Battista Tiepolos auf diese Weise ins Ästhetisch-Archäologische Attribut. Der Würzburger Maler Franz Leinecker bedachte die Universitätssamlung immer wieder mit wertvollen Geschenken; neben eigenen Arbeiten war darunter auch Carl Rottmanns Gemälde Römische Campagna bei Ponte Nomentano. 1874 schließlich machte Anton Ruland dem Museum seine wertvolle Münzsammlung zum Geschenk.
Die Schenkung Wagner
Das Vermächtnis, das Franz Joseph Fröhlich dem Ästhetischen Attribut nach seinem Tod 1862 hinterließ, fügte diesem eine größere Menge an Kunstwerken hinzu; den Lauf der Sammlungsgeschichte wirklich verändert hat es nicht. Die Stiftung des ‚Deutsch-Römers‘ Martin von Wagner hingegen, die der Universität Würzburg fast zeitgleich zuteil wurde, gab dem Museum eine neue Richtung. Dass es schließlich nach ihm benannt wurde, war die Anerkennung der Tatsache, dass Wagner die Schlüsselfigur für die Entwicklung der Universitätssammlung zu einem veritablen Museum war. Dabei hatte er vermutlich gar nicht im Sinn, dass die Kunstsammlung, die er der Alma Julia überließ, in die Bestände des Ästhetischen Attributs eingehen sollte. Kurz nach seinem Tod wurde seine Schenkung mit der Kunstsammlung der Universität vereinigt, die bald als „Wagnersches Kunstinstitut“ bezeichnet wurde.
Schon zu Studienzeiten hatte Wagner die Dringlichkeit einer Lehrsammlung für Künstler in Würzburg erkannt. 1856, zwei Jahre vor seinem Tod, bekundete Wagner erstmals seine Absicht, der Universität Würzburg seine private Kunstsammlung zu hinterlassen. Zwischen 1804 und 1811 hatte er im Sold der Universität gestanden, ohne seinen Dienst jemals angetreten zu haben – er hatte diese Zeit fast ausnahmslos in Rom verbracht. Für diese Alimentierung ohne Gegenleistung bedankte er sich schließlich mit seiner Schenkung – und ließ sich dabei auch von Warnungen nicht beirren, die Universität werde seine Kunstwerke „vermodern und verderben“ lassen. Immerhin verlieh sie ihm im Dezember 1856 die Ehrendoktorwürde – vielleicht auch um sicherzustellen, dass Wagner seinen Plan nicht wieder rückgängig machen würde.
1857 fuhr Anton Ruland, Vorstand der Würzburger Universitätsbibliothek, nach Rom, um mit Wagner die Schenkung vorzubereiten. Etwas gequält schrieb der hochgebildete Ruland, ein geweihter katholischer Priester, aus der Ewigen Stadt, „dass ich in dem Heiligen Rom, um ihn nur bey gutem Willen zu erhalten, eben nicht sehr heilig, sondern nach Künstlerart lebe.“ Das Verhältnis der äußerst unterschiedlichen Naturen scheint dennoch herzlich gewesen zu sein. Als Ruland neben der eigentlichen Sammlung auch noch die Bibliothek Wagners für die Universität begehrte, fragte dieser ihn scherzhaft, ob er „ihn vielleicht nicht auch noch mitnehmen und ausbalgen lassen wolle.“
Am 7. Dezember 1857 unterzeichnete Wagner in Rom die Schenkungsurkunde. Die Universität revanchierte sich mit der Übersendung von 72 Flaschen Frankenwein nach Rom, verbunden mit der Bitte, „dass Sie uns Würzburger und die ganze Universität im Kreise der Freunde hochleben lassen wollen.“ Nach Wagners Tod am 8. August 1858 ließ die Universität ihm auf dem Camposanto Teutonico im Schatten der vatikanischen Basilika ein bis heute vielbesuchtes Grabdenkmal errichten. Dazu hatte sie allen Grund, denn außer seinem Kunstbesitz vermachte Wagner der Alma Julia ein üppiges Stiftungsvermögen.
Neben Wagners eigenem künstlerischem Nachlass (32 Gemälde und über 3.300 Zeichnungen, [14] außerdem Tausende Seiten unveröffentlichter Manuskripte und Briefe) erhielt die Universität unter anderem 21.266 Kupferstiche und 10.569 Handzeichnungen, ein Drittel davon italienisch, sowie 23 weitere Gemälde. Die zeichnerischen Nachlässe von Würzburger Hofkünstlern und große Teile der Druckgraphik in seinem Besitz hatte Wagner bereits aus der väterlichen Werkstatt geerbt.
Hinzu kamen 62 Marmorskulpturen (größtenteils Fragmente, darunter der Kentaurenkopf vom Athener Parthenon), 23 Metallarbeiten, 276 Terrakotten und 243 Gipsabgüsse von Terrakotten, 654 Gipsabgüsse von antiken und modernen Skulpturen, 3.006 Abgüsse von Kameen und Siegeln, 1.462 Münzen und Medaillen sowie sein 1.091 Titel zählender Büchernachlass, zu dem noch 257 gebundene Kupferstichwerke und Wagners umfängliche Korrespondenz kamen. Auch wenn vieles davon im Bombenhagel 1945 untergegangen ist (vor allem die Abgüsse und die Münzsammlung): Die erhaltenen Werke gehören zu den Spitzenobjekten des Museums.
Im Testament Wagners wird die Schenkung als „Artistisches Institut“ bezeichnet. Das ist ganz wörtlich zu verstehen: Das Stiftungsvermögen sollte in einem Fonds angelegt werden, aus dessen Erträgen der Bau eines eigenen Museums finanziert werden sollte. Dieser Weisung ist die Universität Würzburg niemals ernsthaft nachgekommen; vorläufig kam auch Wagners Kunstsammlung in der Alten Universität unter, große Teile des Stiftungsvermögens wurden für Ankäufe zweckentfremdet.
Zwar hatte Wagner in seinem Testament festgelegt, dass aus den Erträgen des Stiftungskapitals jährlich 1.000 Gulden für den Ankauf von Kunstwerken zur Verfügung gestellt werden sollten, doch diese Grenze wurde bald überschritten. Die erste Erwerbung gelang 1861: Als Konservator des Ästhetisch-Archäologischen Instituts kaufte Karl Ludwig Urlichs die Sammlung des deutsch-römischen Malers Ludwig Brüls (1803-1882), den Wagner 1858 als seinen Testamentsvollstrecker eingesetzt hatte: 82 griechische und etruskische Tongefäße, über 800 Glasobjekte sowie 75 Werke der frühchristlichen und byzantinischen Kunst gelangten nach Würzburg, daneben auch neuzeitliche Gemälde wie das Bacchanal von Giovanni Battista Gaulli (1639-1709). [15]
1862 erwarb Urlichs die Sammlung, die der bayerische Legationsrat von Faber in Athen zusammengetragen hatte, bestehend aus attischer Keramik (v. a. Grabschmuck), figürlichen und architektonischen Terrakotten, Tonlampen und Glasgefäßen. Mit der Erwerbung dieser Sammlung war der Schwerpunkt der Antikensammlung auf der griechischen Kunst vorgezeichnet. 1872 tätigte Urlichs in Rom – erneut aus Mitteln der Wagner-Stiftung – die bedeutendste Neuerwerbung, die den Charakter der Antikensammlung bis heute prägen sollte: [16] Mit der Sammlung Feoli wuchs der Bestand antiker Keramik um rund 480 Tongefäße, vornehmlich athenische Vasen von höchster Qualität. Bis heute die Vasensammlung des Martin von Wagner Museums die drittgrößte ihrer Art in Deutschland. [17]
Auch unter der Leitung von Urlichs‘ Nachfolger Carl Sittl verzeichnete das Museum bedeutende Zuwächse. [18] In seine Amtszeit (1889–1899) fällt die vierte und letzte große Erwerbung aus den Erträgen des Wagner’schen Stiftungskapitals: 1892 geht die Sammlung des Athener Malers und Akademie-Professors Philipp Margaritis in die Würzburger Antikensammlung ein, bestehend aus rund 300 figürlichen Terrakotten und Vasen aus Griechenland und Kleinasien sowie frühhellenistischer Marmorplastik. In Ägypten erwirbt Sittl außerdem eine erlesene Textilsammlung, die das Museum um spätantike und koptische Stoffe bereichert.
Urlichs’ glanzvolle Ankäufe hatten auch eine Schattenseite: Die Rücklagen für den von Wagner verfügten Bau des Museums waren für den Ankauf der Sammlung Feoli mit einem Schlag aufgebraucht worden. An einen Neubau war damit nicht mehr zu denken, obwohl sich die Raumfrage kontinuierlich verschärft hatte. Das Museum wuchs und wuchs. Als 1896 ein Teil der Universität in das neu errichtete Kollegiengebäude am Sanderring umzog, wurde die Chance ergriffen, in der echterzeitlichen ‚Alten‘ Universität die Ausstellungsfläche zu vergrößern. Bereits 1897 wurden die neuen Räume feierlich eröffnet.
In seiner nicht sehr langen Tätigkeit als Inhaber des archäologischen Lehrstuhls (1900–1908) stellte Paul Wolters die Weichen für einen modernen Museumsbetrieb: Er nahm eine systematische Neuorganisation der Sammlung in Angriff, ordnete die Gemäldegalerie neu und begann mit der Inventarisierung aller Bestände. Zugleich wurde eine räumlich mit der Gemäldegalerie verbundene Filialgalerie der Münchner Neuen Pinakothek eingerichtet. Unter Wolters gewann aber auch die ägyptische Sammlung an Profil. Schon Martin von Wagner hatte zahlreiche ägyptische Sammlungsobjekte besessen. Dieser Grundstock wuchs kräftig durch Schenkungen des „Egypt Exploration Fund“ 1902 und der Deutschen Orientgesellschaft [19] 1906.
Die Ära Bulle
1908 wurde Heinrich Bulle auf die archäologische Professur in Würzburg berufen, die er schon 1898–1902 vertretungsweise innegehabt hatte. In dieser Eigenschaft leitete er die universitäre Kunstsammlung über drei Jahrzehnte hinweg. Auf Bulles Initiative hin erhielt die universitäre Kunstsammlung 1929 endgültig ihren heutigen Namen. [20]
Neue Platzprobleme wurden dadurch gelöst, dass die Universität schließlich den gesamten Nord- und Westflügel der Alten Universität für das Museum zur Verfügung stellte. Das Erdgeschoss nahm einen Hörsaal und die Verwaltung auf, in den ersten Stock kamen die Gemälde und das Kupferstichkabinett, im zweiten Stock wurden die Gipsabgüsse und Marmorbildwerke aufgestellt, der dritte Stock beherbergte Vasensammlung und Münzkabinett. Bulle vermehrte auch das Personal, es wurden spezialisierte Konservatoren und Restauratoren eingestellt.
Die ansprechende Präsentation der Gipsabguss-Sammlung war Bulle ein besonderes Anliegen, vor allem aber trieb er die Publikation grundlegender Museumskataloge voran. 1914 veröffentlichte Fritz Knapp, der Inhaber des neugeschaffenen Lehrstuhls für Kunstgeschichte in Würzburg, den Katalog der Gemälde und nachantiken Skulpturen, [21] 1932 erschien der monumentale Katalog griechischer Vasen von Ernst Langlotz. [22]
Einen schweren Schlag bedeutete die horrende Inflation der frühen 1920er Jahre. Durch sie wurde der ohnehin reduzierte Kapitalstock des Wagner’schen Stiftungsfonds weitgehend entwertet. Allein durch Zuwendungen privater Sponsoren war (und ist) es seitdem möglich, nennenswerte Neuerwerbungen tätigen zu können. Deren spektakulärste gelang Bulle mit den beiden Theater-Scherben aus dem großgriechischen Tarent; sie zählen zu den bekanntesten Werken der Antikensammlung. Die Forschung zum antiken Theater ist bis heute eine Tradition der Würzburger archäologischen Forschung, die von Bulle begründet wurde.
Zerstörung und Wiederaufbau
Reinhard Herbig, der zwischen 1936 und 1941 den archäologischen Lehrstuhl und damit auch die Leitung des Museums innehatte, war ein Wissenschaftler von überragender Geltung. Dem Martin von Wagner Museum konnte er jedoch keine nennenswerten Impulse vermitteln; sie wurden vom herannahenden Krieg verhindert.
Im Bombeninferno des 16. März 1945 wurden die Museumsräume in der Alten Universität zerstört. Auf Veranlassung des Direktors des Mainfränkischen Museums Clemens Schenk war die Mehrzahl der Kunstwerke zwar rechtzeitig evakuiert worden. Die wertvolle Sammlung von Gipsabgüssen und die großartige Münzsammlung wurden jedoch vollständig vernichtet, Teile der ägyptischen Sammlung gingen ebenso unter wie Gemmen und Glaspasten. Die Gemäldegalerie verlor eine romanische Steinmadonna und eine Reihe von Gemälden, die an andere Institute ausgeliehen worden waren. Die Bestände der Graphischen Sammlung wurden durch Plünderungen um die Hälfte dezimiert.
Unmittelbar nach dem Krieg betrieb Herbigs Nachfolger Hans Möbius energisch den Wiederaufbau des Museums. Zusammen mit Roland Hampe vom Archäologischen Institut hatte er sich bereits bei den Bergungsarbeiten große Verdienste erworben. Noch 1945 tätigte Möbius die ersten Ankäufe mit Unterstützung privater Förderer. [23] Auch sorgte er für eine Umwidmung der – seit der Geldentwertung nur mehr spärlichen – Erträge des Wagner’schen Stiftungsfonds: Alle Mittel sollen „zur Erhaltung, Förderung und zum Ausbau der Sammlungen“ verwendet werden. Von Künstlerstipendien oder einem eigenen Museumsbau war damit keine Rede mehr.
Dem Vorhaben kam es zugute, dass die Ankaufspreise für Kunstwerke in den Nachkriegsjahren vergleichsweise niedrig waren. Zusätzlich gewährte das Ministerium 1958 einen Ankaufsetat – zum ersten Mal seit 1839. Auf diese Weise vermehrte Möbius allein den Bestand der Antikensammlung zwischen 1945 und 1961 um rund 200 Objekte. Ab 1955 wurde der 2. Stock des Residenz-Südflügels als Depot genutzt – dieselben Räume, die ab 1963 als Gemäldegalerie genutzt wurden.
Das Museum in der Residenz
Seit Kriegsende existierte das Martin von Wagner Museum zwar als Institution, hatte aber keinen festen Ort mehr. Die Sammlungen waren entweder auf verschiedene Institute verteilt oder warteten in Magazinen auf ihre Neupräsentation. Die Alte Universität war eine Ruine.
Am 23. Februar 1963, kurz vor seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst, konnte Hans Möbius die Wiedereröffnung des Museums begehen – im Südflügel der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz, wo seit 1955 schon ein Großteil der Sammlungen eingelagert gewesen war. Gemäldegalerie und Graphische Sammlung zogen in den zweiten, die Antikensammlung in den dritten Stock.
Anlässlich der Wiedereröffnung stellten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 1963 eine Reihe wertvoller Gemälde als Dauerleihgaben zur Verfügung, darunter Martin von Wagners Rat der Griechen vor Troja, das den Abmessungen nach größte Werk des heutigen Museums. 1966 folgte die Bundesrepublik Deutschland mit einer Reihe bedeutender Leihgaben aus ehemaligem Reichsbesitz.
Auf Veranlassung von Möbius‘ Nachfolgerin Erika Simon wurde 1964 die Museumsstruktur reformiert: Der Lehrstuhl für Klassische Archäologie, der das Museum 109 Jahre lang allein geleitet hatte, konnte sich fortan auf die Antikensammlung konzentrieren, während der Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte nun für die Neuere Abteilung (Gemäldegalerie und Graphische Sammlung) zuständig war. Wie Simon das Erscheinungsbild der Antikensammlung dauerhaft prägte, gaben Herbert Siebenhüner, seit 1954 Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte, und der langjährige Konservator Emil Kieser der Gemäldegalerie das Gesicht, das sie jahrzehntelang besaß.
1967 flossen dem Museum erhebliche Mittel aus einer Spende des Münchner Bankhauses Reuschel & Co. zu. Seither erlaubte der „Reuschel-Fonds“ weitere Neuerwerbungen, etwa des Vierjahreszeiten-Altars für den Marmorsaal der Antikensammlung. In der Gemäldegalerie wurde mit Hilfe privater Sponsoren vor allem die Abteilung der Malerei des 19. Jahrhunderts ergänzt; so konnte 1982 Max Liebermanns Nähendes Mädchen erworben werden.
Stetigen Zuwachs an modernen Objekten erfuhr die Neuere Abteilung durch kontinuierliche Schenkungen von Prof. Karl-Heinz Weis, die sowohl in die Gemäldegalerie gelangten (Werke von Karl Hofer, Ernst Barlach, Igor Mitoraj) als auch die Graphische Sammlung bereichern (größere Konvolute von Druckgraphik des späten 20. Jahrhunderts). 2024 kaufte die Universität aus eigenen Mitteln die Hommage à Tiepolo von Thomas Grochowiak (1914-2012) [24], ein Hauptwerk des deutschen Informel aus dem Jahr 1959. Eine weitere bedeutende Schenkung erfolgte 2024, als der Würzburger Unternehmer Herbert Wellhöfer dem Museum seine rund 500 Blatt umfassende Graphische Sammlung stiftete. Mit ihr gingen zahllose Spitzenwerke der Zeichenkunst und Druckgraphik in den Besitz der Universität über.
1989 gelangten durch die Schenkung der Sammlung Kiseleff 2.500 Objekte in das Museum, die vor allem ägyptische Kleinkunst beisteuerten und den griechischen Bestand erweiterten. [25] [26] Ein bedeutendes Konvolut Aegyptiaca, darunter eindrucksvolle Mumienmasken, stiftete auch Friedrich Gütte. Die Antikensammlung hat dieser Schwerpunktbildung mit dem 2007 eingeweihten Ägyptischen Saal Rechnung getragen, der sich seit 2024 in runderneuertem Gewand präsentiert. 2016 schenkte Herbert Wellhöfer dem Museum seine erlesene Sammlung griechischer Münzen. Wegen ihrer hohen Bedeutung gleicht sie den Kriegsverlust der Münzsammlung teilweise aus. Hinzu kam 2023 die Schenkung der Sammlung Morell, eines geschlossenen Bestandes römischer Gläser, der eine ideale Ergänung zu den griechischen Tongefäßen darstellt. [27]
Durch Schenkungen und Ankäufe mit privater Unterstützung wurde auch der Bestand an Gemälden stetig erweitert. Umfasste die Gemäldegalerie 1982 noch 550 Bilder, so sind es heute über 900. Dieser Zuwachs verdankte sich hauptsächlich dem Wirken Stefan Kummers, der den Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte von 1987 bis 2013 innehatte. Am Ende seiner Dienstzeit zählte auch die Graphische Sammlung rund 10.000 Blätter mehr. Seine vielleicht bedeutendste Neuerwerbung gelang Kummer 2003: Mit Mitteln der Bayerischen Landesstiftung konnte der persönliche und künstlerische Nachlass von Karl Lindemann-Frommel (1819-1891) [28] erworben werden, einem der letzten Deutsch-Römer. In Ergänzung der Wagner-Stiftung ist das Martin von Wagner Museum seitdem auch eine Art Archiv deutscher Kultur im Rom des 19. Jahrhunderts.
2019 tätigte das Museum den teuersten Einzelankauf seiner Geschichte: Ein Bildnis des Renaissancearchitekten Sebastiano Serlio, gemalt um 1570 von Bartolomeo Passerotti (1529-1592) [29], wurde auf dem Pariser Kunstmarkt erworben. [30] Heute hängt es neben dem Doppelbildnis zweier Künstlerfreunde von Bernardino Licinio (um 1530/35), weil der in diesem Gemälde dargestellte Architekt durch den Vergleich überhaupt erst als Porträt Serlios identifiziert werden konnte. Seither gehört das Bilderduo zu den Glanzpunkten der Gemäldegalerie. 2024 erwarb die Universität Würzburg die Hommage à Tiepolo von Thomas Grochowiak; das 1959 geschaffene bekanntesten Gemälde gehört zu den bekanntesten Werken des deutschen Informel. Einen noch bedeutenderen Neuzugang stellen die drei zusammengehörigen Ölskizzen Giambattista Tiepolos dar, die 2024 und 2025 von dem Würzburger Unternehmer Joachim Kuhn für das Martin von Wagner Museum erworben wurden.
Das Museum heute
2014 erhielt das Museum eine neue Leitungsstruktur. Die Ältere und die Neuere Abteilung werden seitdem von zwei habilitierten Wissenschaftlern gleitet, den amtierenden Direktoren. Ihnen steht ein Beirat zur Seite, bestehend aus mehreren museumsaffinen Fachwissenschaftlern der Universität Würzburg sowie insgesamt vier externen Mitgliedern, die in der Regel Leiter größerer Museen sind.
Die nunmehr erlangte Autonomie gegenüber den Instituten für Klassische Archäologie und Kunstgeschichte setzte einen Erneuerungsprozess in Gang, der noch nicht abgeschlossen ist. Der vorläufige Höhepunkt war die Wiedereröffnung der Gemäldegalerie 2018 nach einer durchgreifenden Modernisierung. Möglich wurde sie dank einer Anschubfinanzierung durch Herbert Wellhöfer, den wichtigsten privaten Wohltäter des Museums der letzten Jahrzehnte.
Das Museum erfuhr in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen quantitativen Zuwachs und eine spürbare qualitative Vertiefung. Darüber hat es nie seinen Auftrag aus den Augen verloren, eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu sein. Genau deshalb muss dieser Auftrag immer wieder aktualisiert werden. Welchen Beitrag für die Gesellschaft kann ein universitäres Kunstmuseum im 21. Jahrhundert leisten?
In dem Maße, wie die digitale Revolution fortschreitet, wachsen auch die Ansprüche an die moderne Mediengesellschaft, Bilder ‚lesen‘ zu können. Die kommunikativen Eigenschaften von Bildern sind vor allem in der Kunst etabliert worden. Die Beschreibung, Analyse und Interpretation von Kunstwerken sind Kernkompetenzen der Fächer Klassische Archäologie und Kunstgeschichte. Es ist eine einzigartige Stärke des Martin von Wagner Museums, dass diese Kompetenzen dort entlang der gesamten Kulturgeschichte – von Alt-Ägypten bis zur Moderne – vermittelt werden können. Leitfragen unserer künftigen konzeptionellen Museumsarbeit lauten: Welchen Status haben Bilder als Medien? Welche Bedeutung kommt der Kunst für die Entwicklung ästhetischer Qualität und Sensibilität zu? Welche Lehren ergeben sich aus Betrachtung von Kulturgeschichte in der longue durée?
Daneben hat sich das Museum in jüngster Zeit als Ort intensiver Forschung profiliert. Größere und kleinere Tagungen fanden beispielsweise zu Giambattista Tiepolo oder Peter van Lint (1609-1690) statt; von beiden Künstlern besitzt die Graphische Sammlung bedeutende Zeichnungskonvolute. Ambitionierte Sonderausstellungen verstehen sich als genuine Forschungsbeiträge, etwa zu Tiepolo und seiner Werkstatt in Würzburg (2020/21), zu Martin von Wagners Auseinandersetzung mit Homers Ilias (2023), [31] [32] zur Weinkultur im antiken Griechenland (2023/24) oder zu den italienischen Zeichnungen aus der Sammlung Martin von Wagners (2025/26).
2023 wurde die hochdotierte „Wellhöfer-Stiftung für das forschende Museum“ gegründet; [33] mit den Dividenden werden Dissertationen zu Schwerpunktepochen des Martin von Wagner Museums finanziert, insbesondere zur Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Daneben werden, je nach Höhe der Ausschüttung, auch Tagungen, Ausstellungen oder Publikationen zu den genannten Themengebieten bezuschusst. Alle zwei Jahre findet das „Wellhöfer“-Kolloquium zu wechselnden Themen aus der Epoche zwischen 1750 und 1850 statt. Die Wellhöfer-Stiftung ist ein zentraler Baustein für die Profilierung des Martin von Wagner Museums als ein Zentrum für Studien zur Kunst im Zeitalter von Aufklärung und Klassizismus. Immerhin gehören zwei ‚Heroen‘ der Neueren Abteilung dieser ‚Sattelzeit‘ zwischen Neuzeit und Moderne an, Giambattista Tiepolo und Martin von Wagner.
In der 2014 festgelegten Ordnung des Martin von Wagner Museums wurde festgelegt, dass von zwei habilitierten Wissenschaftlern geleitet wird. Die derzeitigen Direktoren sind Jochen Griesbach-Scriba (Ältere Abteilung/Antikensammlung) und Damian Dombrowski (Neuere Abteilung/Gemäldegalerie und Graphische Sammlung).
Namensgeber
Nach dem Wagnerschen Nachlass wurde das Museum in „Wagnersches Kunstinstitut“ und später in Martin-von-Wagner-Museum umbenannt.
Besucherinformation
- Der Zugang befindet sich im Innenhof der Residenz (Durchgang neben der Hofkirche).
- Die Räume in den Obergeschossen sind über einen Fahrstuhl erreichbar.
- Das Museum bietet diverse Sonderveranstaltungen und Führungen.
- Öffentliche Führungen jeden 3./4. Sonntag im Monat um 11.00 Uhr und auf Anfrage.
- Der Eintritt ist frei.
Öffnungszeiten
- Antikensammlung
- Dienstag - Samstag: 10.00 - 13.30 Uhr
- Gemäldegalerie
- Dienstag - Samstag: 13.30 - 17.00 Uhr
Sonntags von 10.00 bis 13.30 Uhr im wöchentlichen Wechsel
Letzter Einlass ist 30 Minuten vor Ende.
- Graphische Sammlung
- nach Vereinbarung
Museumsinitiative
Sonntägliche thematische Führungen durch Fachstudenten der Universität Würzburg bietet die Museumsinitiative.
Anschrift
- Martin von Wagner Museum
- Residenzplatz 2 (Tor A)
- 97070 Würzburg
Siehe auch
- Erika Simon
- Ernst Langlotz
- Franz Joseph Fröhlich
- Hans Möbius
- Heinrich Bulle
- Herbert Siebenhüner
- Herbert Wellhöfer
- Johann Martin von Wagner
- Joseph Bonavita Blank
- Karl Ludwig von Urlichs
- Karl Sittl
- Museen und Galerien
- Paul Wolters
- Reinhard Herbig
- Residenz
- Winckelmann-Feier
- Würzburger Vierjahreszeiten-Altar
Quellen und Literatur
- Guntram Beckel: Lebendige Antike in der Würzburger Residenz. Die Sammlung des Martin von Wagner-Museums zählt zu den bedeutendsten Nordeuropas, in: 15 Jahrhunderte Würzburg, hrsg. v. Heinz Otremba, Echter Verlag, Würzburg 1979, S. 345-351.
- Heinrich Ragaller: Die Gemäldegalerie und die Graphische Sammlung des Martin von Wagner-Museums. 300 Gemälde und 30 000 graphische Blätter in zwölf Sälen der Residenz, in: 15 Jahrhunderte Würzburg, hrsg. v. Heinz Otremba, Echter Verlag, Würzburg 1979, S. 340-344.
- Peter Kolb: Museen und Sammlungen - kulturelle Koordinaten des Landes, in: Unterfränkische Geschichte, hrsg. von Peter Kolb und Ernst-Günter Krenig, Band 5/2, Echter Verlag, Würzburg 2002, S. 317-375, S. 325 f.
- Abschnitt „Geschichte“ von Damian Dombrowski
Museumsführer:
- Ulrich Sinn und Irma Wehgartner (Herausgeber): Begegnungen mit der Antike. Zeugnisse aus vier Jahrtausenden mittelmeerischer Kultur im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg, Ergon Verlag 2001, ISBN: 3935556721 (u.a. erhältlich an der Museumskasse)
Historisches Verzeichnis:
- L. Urlichs: Verzeichniss der Antikensammlung der Universität Würzburg. Commissionsverlag der Stahel'schen Buch- und Kunsthandlung, Würzburg 1865. (Digitalisat)
Weblinks
- Internetseiten des Martin von Wagner Museums
- einBLICK - Online-Magazin der JMU: „Digitale Antike“ (6. Mai 2025)
Einzelnachweise
- ↑ Bonavita Blank: Das Kunstkabinet in dem Minoritenkloser zu Wirzburg. Das Einzige in seiner Art. Würzburg 1792
- ↑ Bonavita Blank: Uebersicht des Blankischen, jetzt der großherzogl. Universitaet zu Wuerzburg gehoerigen Naturalien- und mosaischen Kunst-Kabinetes. Würzburg 1810
- ↑ Bonavita Blank: Beschreibung seiner Musivgemälde. Nebst kurzer Nachricht von dem Kunstsaale und einigen Zuwüchsen des Naturalien-Kabinets. Würzburg 1820
- ↑ Johannes Grave: Grenzfälle zwischen Naturpräparat und Landschaftsbild. Bonavita Blanks „Musivgemälde“. In: Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik 9 (2012), H. 1, S. 39–48
- ↑ Stefan Kummer: Die Anfänge der Kunstgeschichte an der Universität Würzburg. In: Anfänge der geschichtlichen Forschung an der Universität Würzburg. 150 Jahre Historisches Institut/100 Jahre Kunstgeschichtliches Institut, hrsg. von Helmut Flachenecker und Franz Fuchs, Regensburg 2010, S. 9–62
- ↑ Johann Joachim Winckelmann war ein deutscher Archäologe, Bibliothekar, Antiquar und Kunstschriftsteller der Aufklärung. Er gilt, neben Flavio Biondo, als der Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und Kunstgeschichte und als geistiger Begründer des Klassizismus im deutschsprachigen Raum. Weitere Informationen bei Wikipedia [1].
- ↑ Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, ab 1808 Ritter von Schelling, war ein deutscher Philosoph, Anthropologe, Hochschullehrer, Theoretiker der sogenannten romantischen Medizin und einer der Hauptvertreter des Deutschen Idealismus. Weitere Informationen bei Wikipedia [2].
- ↑ Christian August Fischer war ein deutscher Schriftsteller. 1804 wurde er Professor für Kulturgeschichte und schöne Literatur in Würzburg. Weitere Informationen bei Wikipedia [3].
- ↑ Emil Kieser: Die Sammlung Fröhlich, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 6, 1954, S. 262–275
- ↑ Friedrich Ringelmann: Beiträge zur Geschichte der Universität Würzburg in den letzten zehn Jahren, Würzburg 1835, S. 75
- ↑ Karl August Böttiger war ein deutscher Philologe, Archäologe, Pädagoge und Schriftsteller, der zu den einflussreichen Persönlichkeiten der Goethezeit in Weimar gehörte. Weitere Informationen bei Wikipedia [4].
- ↑ Gustav Friedrich Waagen war ein deutscher Kunsthistoriker. Weitere Informationen bei Wikipedia [5].
- ↑ Matthias Steinhart: „Humani nihil a me alienum puto”. Karl Ludwig von Urlichs zum zweihundertsten Geburtstag, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft, Neue Folge 37, 2013, S. 139–155
- ↑ Carolin Goll: Ein zeichnerisches Vermächtnis. Martin von Wagners Zeichnungen zur „Ilias“ als Gesamtwerk: Hintergründe und Hypothesen, in: ANTIKE ERFINDEN | Martin von Wagner und Homers „Ilias“, Ausstellungskatalog Würzburg 2023, hrsg. von Carolin Goll und Damian Dombrowski, Wiesbaden 2023, S. 18–40.
- ↑ Giovanni Battista Gaulli, genannt il Baciccia oder Baciccio war ein italienischer Maler und Freskant und ein Hauptmeister des römischen Hochbarock. Weitere Informationen bei Wikipedia [6].
- ↑ Erika Simon: 100 Jahre Sammlung Feoli in Würzburg, in: Frankenland. Zeitschrift für das Frankenvolk und seine Freunde 24, 1972, S. 286–292.
- ↑ Corpus Vasorum Antiquorum. Würzburg, Martin-von-Wagner-Museum, 4 Bde., bearb. von Fernande Hölscher, Irma Wehgartner, Gudrun Günter, München 1975–1999.
- ↑ Carl Sittl: Würzburger Antiken, Würzburg 1890
- ↑ Die Deutsche Orient-Gesellschaft hat seit 1898 das Ziel Forschungen auf dem Gebiet der Vorderasiatischen Altertumskunde zu fördern und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Weitere Informationen auf deren Internetseiten.
- ↑ Heinrich Bulle: Aus der Antikensammlung der Universität Würzburg, in: Zeitschrift des Münchner Alterthums-Vereins, Neue Folge 11, 1899/1900, S. 20–25.
- ↑ Fritz Knapp: Kunstgeschichtliches Museum Würzburg, Katalog der Gemälde und neueren Skulpturen, Würzburg 1914.
- ↑ Ernst Langlotz: Griechische Vasen. Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg, 5 Bde., München 1932.
- ↑ Hans Möbius: Antike Kunstwerke aus dem Martin von Wagner-Museum. Erwerbungen 1945–1961, Würzburg 1962.
- ↑ Thomas Grochowiak war ein deutscher Maler und Museumsdirektor. Weitere Informationen bei Wikipedia [7].
- ↑ Die Sammlung Kiseleff im Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg. Minoische und griechische Antiken, hrsg. von Erika Simon, Mainz 1989. – Ein Geschenk an die Alma Julia. Die Stiftung der Sammlung Alexander Kiseleff, in: Informationen der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität. Mitteilungsblatt der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität, hrsg. von der Universität Würzburg, Würzburg 1990, Heft 24/2, S. 33–34.
- ↑ Die Sammlung Kiseleff im Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg. Ägyptische und koptische Antiken, 2 Bde., hrsg. von Martin Stadler und Karl-Theodor Zauzich, Wiesbaden 2021.
- ↑ einBLICK – Online-Magazin der Universität Würzburg: „Antike Gläser fürs Museum“ (7. März 2023)
- ↑ Karl August Lindemann-Frommel war Landschaftsmaler und Lithograf. Weitere Informationen bei Wikipedia [8].
- ↑ Bartolomeo Passarotti war ein italienischer Maler und Radierer der Renaissance. Weitere Informationen bei Wikipedia [9].
- ↑ einBLICK – Online-Magazin der Universität Würzburg: „Vor- und Nachbild vereint: Ein kunsthistorischer Glücksfall“ (25. April 2023)
- ↑ „Der Arbeit die Schönheit geben“ | Tiepolo und seine Werkstatt in Würzburg, Ausstellungskatalog Würzburg 2020/21, hrsg. von Damian Dombrowski unter Mitarbeit von Aylin Uluçam, Berlin 2020.
- ↑ ANTIKE ERFINDEN | Martin von Wagner und Homers „Ilias“, Ausstellungskatalog Würzburg 2023, hrsg. von Carolin Goll und Damian Dombrowski, Wiesbaden 2023.
- ↑ einBLICK – Online-Magazin der Universität Würzburg: „Gleichgezogen mit Martin von Wagner“ (21. Februar 2023)