Gerhardscher Hof

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Julianum vor 1880 und 1905 (Abbildung 1)
Plan des Gerhartischen Hausgartens, 1775-1777 (Abbildung 2)

Der Gerhardsche Hof war ein zweigeschossiger barocker Dreiflügelbau mit Gartenanlage in der Kapuzinerstraße 6. [1]

Baugeschichte und -beschreibung

Am 16. Januar 1726 erwarb der Würzburgische Hofkammerrat Johann Anton Gerhard von der Kartause Engelgarten für 420 Gulden das Grundstück in der Kapuzinerstraße, auf dem er sich noch im selben Jahr auf dem bis dahin unbebauten Platz ein stattliches, dem Straßenverlauf folgendes Gebäude errichten ließ, das sich mit einem dreiflügeligen Grundriss gegen Südosten zum angrenzenden Garten öffnete. Im Mai 1727 wurde dem Hofkammerrat, der ein Günstling von Fürstbischof Christoph Franz von Hutten war und gleichsam als zweiter Mann im Staat auftrat [2], ein angrenzendes Grundstück überlassen, das für die „erbauung einer wintherung“ [3] vorgesehen war.

Das dreiflügelige Gebäude wurde zwar nach den von Balthasar Neumann erarbeiteten Richtlinien für neue Baumaßnahmen errichtet, eine Autorschaft Neumanns darf aber aufgrund der unaufhörlichen Zwistigkeiten zwischen dem Architekten und dem Bauherrn ausgeschlossen werden. Max Hermann von Freeden schrieb den Entwurf „einem der zahlreichen handwerklichen Meister der Stadt“ zu. [4] Eine Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen des Gerhardschen Hofes, der sich über einem dreiflügeligen Grundriss mit zwei Vollgeschossen und Mansarddach erhob, gibt der obere Teil einer im Jahr 1910 veröffentlichten Photocollage (Abbildung 1) wieder, der die Gartenseite des Gebäudes vor seiner Aufstockung in den 1880er Jahren zeigt. Den Fassadenaufriss des Gerhardschen Hofs zeigt eine Zeichnung aus der Zeit um 1765 (Abbildung 2).

Das Gebäude hatte an der Seite zur Kapuzinerstraße neun Fensterachsen, zur Gartenseite jeweils zwei Fensterachsen an den Risaliten und fünf Fensterachsen an der Rücklage. Zur Gliederung der Putzfassaden wurden in Sandstein ausgeführte rustizierte [5] Lisenen [6] an den Gebäudekanten, ein geschosstrennendes Gesims sowie Fenster mit geohrten Rahmungen eingesetzt.

In welchem Jahr der zum Gerhardschen Hof gehörende Garten angelegt wurde, lässt sich weder durch Archivalien noch durch historische Pläne oder Ansichten von Würzburg dokumentieren. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass Gerhard kurz nach oder auch schon während der Planungen bzw. der Errichtung des Gebäudes die gartenkünstlerische Gestaltung des Geländes, das sich nach Südosten erstreckte, vorsah und entwarf. In dem vom Ingenieurfähnrich Adam Schöpflein [7] 1730 gezeichneten Stadtplan von Würzburg war der Gerhardsche Garten mit seiner achsensymetrischen Anlage zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellt. [8] Die entscheidende Rolle spielte ein wechselseitiger Bezug zwischen den Achsen des Hauptgebäudes und dem Wegenetz des Gartens. Die vom Hauptgebäude aus betrachtet querrechteckige Grundfläche des Gartens ist durch die Wegeführung in zwei Abschnitte gegliedert: in ein schmaleres Paterre, das auf die Gartenfassade des Hauptgebäudes ausgerichtet ist, und in ein breites, im Osten angrenzendes Boskett [9], das sich hinter den Wirtschaftsgebäuden und dem Hof erstreckt.

Sowohl im Parterre als auch im Boskett befanden sich jeweils im Zentrum kleine, zum Verweilen einladende „Salons“. Den „Salon“ des Parterres schmückte ein querovales Brunnenbecken auf einem steinernen Sockel, das wahrscheinlich auch als Springbrunnen in Betrieb genommen werden konnte. In Verlängerung zu dieser Sichtachse befand sich am Ende des Gartens als Blickfang ein weiteres Brunnenbecken, der Arion-Brunnen, ein figürlich gestalteter Wandbrunnen, der als Ziel- und Blickpunkt in der Hauptachse des Gartens eine Verbindung zum Wohngebäude herstellte und eine bedeutende Stellung innerhalb der als Einheit zu verstehenden Anlage von Haus und Garten einnahm.

Der Gerhardsche Garten wurde, wie dies bei barocken Gartenanlagen üblich war, von einer das Grundstück begrenzenden Mauer eingefasst, die den Blick von außen schützen sollte. Die Mauer wurde lediglich durch ein in Abbildung 2 als „Glas oder Winderungs-Hauß“ bezeichnetes Glashaus unterbrochen.

Nutzung als Königlich Bayerisches Adeliges Julianum

Da sich das Anwesen bis zum Jahr 1880 im Besitz der Nachkommen Johann Anton Gerhards befand, hatte es sich seine ursprüngliche Anlage von Haus und Garten bewahrt. Mit der neuen Nutzung als Königlich Bayerisches Adeliges Julianum und dem damit verbunden erhöhten Raumbedarf wurde das Gebäude nach und nach um zwei Geschosse erhöht; die letzte Aufstockung erfolgte 1886. Durch diese Aufstockung ging der Charakter eines Schlösschens verloren und der steil aufragende Bau mit seinem flachen Walmdach wirkte eher kasernenartig (Abbildung 1 unterer Teil).

Auch wenn bereits im Jahr 1886 eine Kegelbahn auf dem Gartengelände errichtet wurde, so blieb doch die Grundfläche des Gartens zunächst weitgehend erhalten. Allerdings war die Gartengestaltung auch schon vor 1880 Veränderungen unterworfen, da man in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und dann im 19. Jahrhundert von streng regulierten Gärten abwich und mehr zur Form des englischen Landschaftsgartens überging, das heisst der Natur mehr Spielraum gewährte. An die Stelle des zentralen ovalen Brunnenbeckens trat nun ein natürlich geformter Stein, der, in einem kreisrunden Wasserbecken stehend, als Springbrunnen diente. Aufgrund seiner künstlerischen Qualität blieb der Arion-Brunnen erhalten.

Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Planung und der Wiederaufbau der „ziemlich gut erhaltenen Ruine“ [10] oblag um 1951/52 der Leitung des Regierungsbaumeisters Hubert Groß. Obwohl auf gestalterische Details der Fassade weitgehend verzichtet und das Gebäude mit drei Vollgeschossen wieder errichtet wurde, wurde die bauliche Struktur des 18. Jahrhunderts weitestgehend erhalten. Die Einweihung des Studienseminars Julianum erfolgte am 4. Februar 1954.

Siehe auch

Quellen und Literatur

Einzelnachweise und Erläuterungen

  1. Uraufnahme im geoportal.bayern.de/bayernatlas
  2. Geschichte der Stadt Würzburg. Band II. Vom Bauernkrieg 1525 bis zum Übergang an Bayern 1814. Hrsg: Ulrich Wagner. Verlag Theiss, Stuttgart 2004, S. 144
  3. Unter „wintherung“ ist ein Gewächshaus zu verstehen, das für die im Garten meist als Kübelpflanzen aufgestellten, frostempfindlichen Gewächse gebaut wurde.
  4. Max von Freeden: Balthasar Neumann als Stadtbaumeister. Kunstwissenschaftliche Studien Band XX, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1937, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V., Nachdruck, Würzburg 1978, S. 34
  5. Die Oberfläche eines Bauglieds heißt rustiziert, wenn die einzelnen Steinlagen durch starke Fugen getrennt sind.
  6. Die Lisene (von frz. lisière „Saum“, „Rand“‚ „Kante“), auch Mauerblende, ist im Bauwesen eine schmale und leicht hervortretende vertikale Verstärkung der Wand.
  7. Adam Adolph Schöpflein (* 1704 in Würzburg; † 1753 ebenda) war Ingenieuroffizier in Würzburg im Range eines „Ingenieur und Leutnant unter der Landmiliz“. Gestorben im Range eines „subcenturio“.
  8. Rudolf Feurer und Petra Maid: Gesamtansichten und Pläne der Stadt Würzburg 15.-19. Jahrhundert. Aus der Graphischen Sammlung des Mainfränkischen Museums Würzburg, Echter Würzburg, Fränkische Gesellschaftsdruckerei und Verlag GmbH, Würzburg 1988, S. 314
  9. Boskett (Neutrum das Boskett, Plural auch die Bosketten/die Boskette, von französisch bosquet „Wäldchen“, „Gehölz“ oder „Dickicht“) ist ein „Lustwäldchen“ innerhalb eines geometrisch gestalteten barocken Schlossgartens. Es ist eine Form einer speziellen, aufwendig gestalteten Gartenanlage und gehört zum schematischen Aufbau fast aller Barockgärten. Boskette folgen meist im Anschluss an das sogenannte Parterre, dessen Baumbestand von „geraden“ Achsen durchzogen und von hohen Hecken gesäumt ist. Ein Boskett soll demgemäß einen Kontrapunkt zur Gebäudearchitektur bilden, da die „Architektur des Grünen“ ebenso Gänge, Treppen, Kabinette und Säle aufweisen kann. (Quelle: Wikipedia)
  10. Main-Post: „Julianum vor dem Wiederaufbau. Wertvolles Stadtgebiet harrt der baulichen Neugestaltung“ (28. Juli 1951)

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