Hirtenturm
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Der Hirtenturm war der südwestliche Eckturm und Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Er stammt in seiner heutigen Form aus dem Jahr 1642.
Lage
Er steht am westlichen Ende der Tiepolostraße oberhalb des Mains. Unterhalb läuft der Willy-Brandt-Kai.
Geschichte
Die erste Stadterweiterung erfolgte um 1200, wahrscheinlich einige Jahre vorher, unter Einbeziehung der südlichen Vorstadt „Sand“. Veranlassung dazu war wohl der angestrebte Schutz des Benediktinerklosters St. Stephan sowie der sicher schon zahlreichen Bewohner dieses Viertels. Der Mauerzug mit vorgelagertem Wassergraben schloss am jetzigen Josef-Stangl-Platz an den der Bischofsmütze an und führte entlang der heutigen Straßenzüge Zwinger, Rotlöwengasse und Tiepolostraße bis zum Mainufer. An mehreren Stellen sind noch großflächige Reste der Mauer sichtbar. Verstärkt wurde die Wehranlage durch den Hexenturm (ehemals Hensleinsturm) in der südöstlichen Biegung sowie durch den Hirtenturm (ehemals Roren) am Mainufer. Ob diese Türme schon mit der Mauer entstanden, kann nicht belegt werden, ist aber nicht unwahrscheinlich.
Die Roren am Sander Eck, der Südwestecke der Stadtbefestigung, war ihrem Namen nach ein Rundturm und muss von stattlichem Ansehen gewesen sein, da 1504 die Stadt Ochsenfurt den Würzburger Rat ersuchte, sie die Roren besichtigen zu lassen, weil sie „einen (Turm) dornach begerten zu bauen“. [1] An der Roren endete der südliche Stadtgraben und war durch eine mit Überlauf versehene Mauer gegen den Main abgeschlossen.
Der Bauernkrieg brachte 1525 der Roren den Untergang. Nach Niederschlagung des Aufstandes mussten die Bürger den ganzen Mauerzug zwischen Roren und Pleidenturm, einschließlich dieser beiden Türme, abbrechen. Ab 1527 errichte man, neben dem Wiederaufbau der Mainmauer und Pleidenturm, auch den Turm der Südwestecke, allerdings nicht mehr in der früheren Höhe; die oberen Geschosse ließ man weg. Anstelle der Roren baute man einen niedrigeren, nun aber viereckigen Turm mit Stückscharten, der mit der Außenfront auf die Zwingermauer aufgesetzt wurde. Diese neue Turm wurde nun als „neue Letz“ bezeichnet. Da die Stadt immer Geld benötigte, vermietete sie jeden verwendbaren Raum gegen Zins; 1548 wird auch die neue Letz um 4 fl verliehen. [2]
1641 begann man mit der Verstärkung der Südwestecke der Stadt und errichtet die sogenannte „Hirtenturmschanze“. Anschließend wurde der Hirtenturm selbst 1642 [3] stärker ausgebaut und erhielt seine heutige Gestalt. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Turm durch Balthasar Neumann in die damals neu errichtete Alte Infanteriekaserne integriert [4] und diente als „Soldatenstock“ (Gefängnis).
Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 wurde die ehemalige Alte Infanteriekaserne stark zerstört, die Ruine in den Folgejahren abgebrochen und auf ihrem nördlichen Teil Wohnhäuser errichtet; die südliche Hälfte nimmt das Wirsberg-Gymnasium ein. Durch den Abbruch der Ruine wurde der in die Kaserne eingebaute Hirtenturm freigelegt und in seiner ursprünglichen Form wieder aufgebaut.
Namensgebung
Die ursprünglich hier wohnenden Hirten, die sich gegen Zins eingemietet hatten, konnten vom Turm aus das am Mainufer weidende Vieh beobachten. Unter dem Turm befand sich eine kleine Pforte zum Main.
Bildgalerie
Heutige Nutzung
Der Turm dient heute der 1. KaGe Elferrat Würzburg 1935 e.V. als Vereinsdomizil.
ÖPNV
Nächste Straßenbahnhaltestelle: | Sanderring |
Siehe auch
Quellen und Literatur
- Franz Seberich: Die Stadtbefestigung Würzburgs. I. Teil. Die mittelalterliche Befestigung mit Mauern und Türmen. Mainfränkische Hefte 39, Hrsg.: Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V., Würzburg 1962
- Franz Seberich: Die Stadtbefestigung Würzburgs. II. Teil. Die neuzeitliche Umwallung. Mainfränkische Hefte 40, Hrsg.: Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V., Würzburg 1963
Einzelnachweise
- ↑ Stadtarchiv Würzburg, Ratsprotokolle 1504, S. 213
- ↑ Stadtbaurechnungen 1548, f.2
- ↑ Stadtarchiv Würzburg, Ratsprotokolle 1642, S. 341
- ↑ Joseph Anton Oegg: Entwicklungsgeschichte der Stadt Würzburg. Würzburg 1881, S. 115