Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels
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Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Johann Ignaz Scanzoni von Lichtenfels (* 21. Dezember 1821 in Prag; † 12. Juni 1891 auf Schloss Zinneberg bei Glonn in Oberbayern) war königlicher Geheimrat, Gynäkologe und Geburtshelfer sowie Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg.
Leben und Wirken
Nach seinem 1838 begonnenen medizinischen Studium in Prag wurde Friedrich Wilhelm Scanzoni Assistent und Sekundärarzt an der dortigen Entbindungsanstalt und erhielt später die Leitung der Frauenabteilung des Krankenhauses. Promoviert wurde er 1844 zum Doktor der Medizin und Chirurgie sowie zum Magister der Geburtshilfe.
Professor in Würzburg
Danach hatte der 1850 als Nachfolger des Franz Kiwisch von Rotterau, zum ordentlichen Professor für Geburtshilfe nach Würzburg berufene Scanzoni knapp 40 Jahre lang bis zu seiner Emeritierung 1888 den Lehrstuhl für Geburtshilfe an der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg inne. Er leitete die Frauenklinik, die von ihm 1856 konzipierte Entbindungsanstalt und die Hebammenschule. Rufe nach Berlin, Wien und Baden-Baden lehnte er ab. Sein ehemaliges Domizil war am Röntgenring 9 im Physiologischen Institut. Zwei seiner bedeutenderen Schüler waren Ernst Bumm (1858-1925), welcher Professor in Basel, Halle an der Saale und Berlin wurde, und der als Assistent Scanzonis von 1862 bis zum Krieg von 1866 arbeitende spätere Berner Professor für Geburtshilfe und Frauenheilkunde Peter Müller (1836-1916). [1] [2]
Der wohl interessanteste Aspekt in Scanzonis Lebenslauf ist seine erste Einladung nach St. Petersburg im April 1857 und die damit verbundene Betreuung der Entbindung der Kaiserin Maria Alexandrowna, Prinzessin von Hessen, der Gattin Alexanders II. von Rußland. Eine weitere Einladung an den russischen Hof erfolgte im Jahre 1863 zu einer zweiten Entbindung der Kaiserin. Außerdem begleitete und betreute Scanzoni diese mehrmals während ihrer Kuraufenthalte nach Bad Brückenau und Bad Kissingen.
Nicht nur das Ritterkreuz des königlichen Verdienstordens der bayerischen Krone sowie den von Seiner Majestät dem Kaiser von Rußland ihm verliehenen St. Anna-Orden II. Klasse wurden Scanzoni aufgrund dieser Reise zuteil, sondern auch eine stets wachsende und lange Zeit nachwirkende Beliebtheit nicht nur im russischen Adel, sondern auch in verschiedenen Fürstenhäusern, von der Würzburg wie auch die genannten Bäder wirtschaftlich außerordentlich profitierten. [3]
Erfindungen
Nach ihm benannt ist das Scanzoni-Manöver mit Hilfe der von ihm entwickelten Scanzoni-Zange.
Rektor der Universität Würzburg
Von 1855 bis 1856 war Scanzoni von Lichtenfels Rektor der Universität.
Ehrungen und Auszeichnungen
- 1857: St. Anna-Orden II. Klasse des russischen Kaisers
- 1858: Ehrenbecher der Kurstadt Kissingen in Anerkennung seiner Verdienste.
- 21. Dezember 1858: Ehrenbürgerwürde der Stadt Würzburg aufgrund seiner wissenschaftlichen Verdienste.
- 1863: Ritterkreuz des königlichen Verdienstordens der bayerischen Krone mit Erhebung in den Adelsstand [4]
- Scanzoni war Mitglied und Ehrenmitglied verschiedener ärztlicher und wissenschaftlicher Vereinigungen und Gesellschaften
Lebensende und letzte Ruhestätte
Seit Anfang der 1860er Jahre litt Friedrich Wilhelm Scanzoni an einem chronischen Halsleiden, das ihm die Abhaltung von Vorlesungen zunehmend erschwerte, so dass er sich gezwungen sah, seine Lehrtätigkeit allmählich einzuschränken. Auch die Sitzungen der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft besuchte er in den 1870er und 1880er Jahren nur noch sehr selten. Die zunehmende Verschlimmerung des Leidens konnte wohl durch Scanzonis Befreiung von der Vorlesung verlangsamt, jedoch nicht verhindert werden. Schließlich bewog ihn jenes Leiden im Dezember 1887, in einem Gesuch um seine Versetzung in den Ruhestand zu bitten. Darin legte er dar, es sei ihm aufgrund seines hartnäckigen chronischen Kehlkopfkatarrhs snicht mehr möglich, seine Lehrtätigkeit weiter auszuüben. Inzwischen war es wohl zu einer deutlichen Verschlechterung dieses Leidens gekommen, „infolgedessen er nach längerem Sprechen kaum mehr ein Wort zu sprechen vermöge und mehrere Tage hindurch heftigste Schmerzen im Halse zu erdulden habe.“ Auch darüber hinaus fühlte sich Scanzoni allgemein schwach.
Friedrich Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels starb am 12. Juni 1891, um 2 Uhr morgens, auf dem Landsitz der Familie, Schloss Zinneberg in Oberbayern (Gemeinde Glonn). Über das Begräbnis Scanzonis gibt es einige Unstimmigkeiten. Offenbar fand es in Zinneberg bei Glonn statt. Das glanzvolle Grabmal der Familie von Scanzoni befindet sich auf dem Würzburger Hauptfriedhof. Im Fränkischen Volksblatt von 1963 geht man davon aus, dass Scanzoni in Würzburg begraben wurde. Seine Frau Auguste († 23. August 1891) ist anscheinend in Würzburg beerdigt worden, wie aus ihrer Todesanzeige mit Angabe der Trauerfeier, die im Stift Haug stattgefunden haben soll, hervorgeht. Andererseits gibt der Würzburger General-Anzeiger Zinneberg als ihren Bestattungsort an.
Die Grabstätte auf dem Würzburger Hauptfriedhof wurde druch den Sohn Gustav am 2. September 18981 erworben. Möglicherweise ist Scanzonis Leib nachträglich exhumiert und nach Würzburg überführt worden. Aber auch sorgfältigste und gründlichste Nachforschung von Ralf Vollmuth und Thomas Sauer haben keinen Hinweis auf eine Überführung ergeben, so dass die Frage offen bleibt, ob Scanzonis sterbliche Überreste nun tatsächlich in Glonn oder in Würzburg liegen. Auch wenn Friedrich Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels möglicherweise nicht in Würzburg begraben wurde, so hat er hier auf jeden Fall eine Ehrengrabstätte auf dem Hauptfriedhof im Familiengrab der Scanzonis, wo auch seine Frau Auguste ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, bekommen. Für den Erhalt dieser Grabstätte haben sich Anfang der 1990er Jahre Ralf Vollmuth und Thomas Sauer eingesetzt. [5] [6]
Posthume Würdigung
Die Stadt Würzburg benannte die Scanzonistraße in der Äußeren Pleich nach ihm.
Quellen und Literatur
- Hanna Brigitte Enders: Scanzoni in Würzburg. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Mai 2003 (Online-Version)
- Charlotte Hartmann: Das Leben und Wirken des Würzburger Frauenarztes Fried. Wilhelm Scanzoni v. Lichtenfels [medizinische Dissertation], Düsseldorf 1938 (= Düsseldorfer Arbeiten zur Geschichte der Medizin, 2)
- Thomas Sauer und Ralf Vollmuth: Briefe von Mitgliedern der Würzburger Medizinischen Fakultät im Nachlaß Anton Rulands. Quellen zur Geschichte der Medizin im 19. Jahrhundert mit Kurzbiographien, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 9 (1991), S. 135-206, S. 175 f.
- Ralf Vollmuth: Scanzoni von Lichtenfels, Friedrich Wilhelm, in: Enzyklopädie Medizingeschichte, hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, S. 1287
Weblinks
Erläuterungen und Einzelnachweise
- ↑ Thomas Sauer und Ralf Vollmuth: Briefe von Mitgliedern der Würzburger Medizinischen Fakultät im Nachlaß Anton Rulands. Quellen zur Geschichte der Medizin im 19. Jahrhundert mit Kurzbiographien, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 9 (1991), S. 135-206, S. 164 und 175
- ↑ Ralf Vollmuth und Gundolf Keil: Beständigkeit und Fortschritt: Die Würzburger Medizin im Spiegel der Jahrhunderte. Ein Beitrag zur Erstgründung der Universität Würzburg vor 600 Jahren, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 22 (2003), S. 7-20, S. 15
- ↑ Hanna Brigitte Enders: Scanzoni in Würzburg, medizinische Dissertation, Würzburg 2003, S. 76 ff.
- ↑ Das für Scanzoni selbst und auch für seine Familie sicherlich bedeutsamste Ereignis wurde sein 42. Geburtstag, der 21. Dezember 1863, an dem er das am 19. Juni 1863 ausgestellte Adelsdiplom und die Adelsmatrikel erhalten und fortan den Namen „Scanzoni von Lichtenfels“ tragen sollte (der Zusatz entstammte dem Mädchennamen seiner Mutter „Beutner von Lichtenfels“). Wie aus einer Akte des bayerischen Staatsarchivs hervorgeht, hätte Scanzoni eigentlich noch lieber den Titel „Ritter von Riva“ - nach der Herkunft seiner Familie aus Riva am Gardasee - getragen. Dieser Namenszusatz wurde abgelehnt, da er eine Titelerhöhung bedeutet hätte. Daraufhin nahm Scanzoni seinen Wunsch zurück, entschuldigte sich für seine Unkenntnis der Adelsprädikate, gab an , nicht unbescheiden sein zu wollen, und schlug schließlich selbst den Zusatz „von Lichtenstein“ vor.
- ↑ Hanna Brigitte Enders: Scanzoni in Würzburg, medizinische Dissertation, Würzburg 2003, S. 87 ff.
- ↑ Ralf Vollmuth und Thomas Sauer: Das Grabmal Friedrich Wilhelm Scanzonis von Lichtenfels. Anmerkungen zu einer ungelösten Frage, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 13 (1995), S. 521-524