Fliegerhorst Gelchsheim
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Der Fliegerhorst Gelchsheim (auch: Einsatzhafen Gelchsheim, Flugplatz Gelchsheim) war ein Militärflugplatz zwischen Gelchsheim und Oellingen im Landkreis Würzburg.
Geschichte
- Im Herbst 1934 pachtete das Deutsche Reich 300 Tagwerk [1] Ackerland zur Anlegung eines Flugplatzes für die Luftwaffe und begann noch im gleichen Jahr mit den Planierarbeiten. Im Frühjahr 1935 waren diese abgeschlossen, ab April wurde außerdem mit der Aussaat von Grassamen für die Landebahn begonnen. [2] Die Landstraße Gelchsheim - Oellingen verlief dabei quer über den Flugplatz und damit auch das Rollfeld.
- Bis zum Frühjahr 1936 wurden auf dem neuen Fliegerhorstgelände drei große unterirdische Tankanlagen (T-Stoff-Lager 1/XII und Öllager der Luftwaffe) eingerichtet: Ein Tanklager befand sich in der Südwestecke des Flugplatzes nördlich der Rippach, zwei weitere im Nordwesten bei den Fliegerhorst-Gebäuden. Die Tanklager waren mit Zapfstellen für Flugzeuge versehen. [2]
- Gut getarnt als „Reichsgutverwaltung Klosterhof“ wurden zwischen 1935 und 1937 die Fliegerhorst-Gebäude im Nordosten des Areals angelegt. [3] In Oellingen entstanden östlich des Schleibachs mehrere Baracken in Holzbauweise. Weitere Gebäude, sogenannte „Holländische Scheunen“, entstanden nördlich der Landstraße im Bereich des Stichgleises der Gaubahn (siehe topographische Karte). [4] Der Gleisanschluss wurde zur Versorgung des Flugplatzes mit Munition, Treibstoff, militärischem Gerät und Nahrung eingerichtet. Der Abzweig vom Hauptgleis der Gaubahn befand sich etwa 500 Meter östlich des Bahnübergangs an der Baldersheimer Straße (Kreisstraße WÜ 43) und etwa 500 Meter westlich des heutigen Funkmastes am Gaubahn-Radweg und führte mit einer kleinen Brücke über die Rippach.
- Als schwierig gestaltete sich anfangs die Wasserversorgung des Flugplatzes: Bohrungen auf dem Gelände schlugen fehl und so musste in einem kleinen Wäldchen etwa auf halber Strecke zwischen Osthausen und Oellingen an einer Quellfassung das Wasser entnommen und mittels Pumpwerk zum Flugplatz befördert werden. [2]
- Ab 1937 kaufte das Deutsche Reich etwa ein Drittel des bis dato gepachteten Geländes, 1939 folgten noch weitere 15 Tagwerk an der Nordwestseite. Auf diesem Platz wurden 1939 fünf große Munitionsbunker gebaut. [5] Hier entstand ein Teil der Luftwaffenmunitionsanstalt 4/XIII (auch als Feld-Luftmunitionslager 4/XIII bezeichnet), eine Zweigstelle der Luftwaffenhauptmunitionsanstalt Oberdachstetten. Als Munitionsanstalt (kurz: Muna) wurden im Deutschen Reich (1871–1945) heeres- bzw. wehrmachtseigene Einrichtungen bezeichnet, die hauptsächlich zur Laborierung und Lagerung von Munition - in diesem Fall für die Luftwaffe - dienten. In den Baracken wurde Beutemunition zur Wiederverwendung bearbeitet. Ebenfalls zu erwähnen ist, dass in Gelchsheim laut Ortschronik die „hoffnungsvolle“ Vergeltungswaffe, kurz V 2 genannt, gelagert haben soll. [2]
- Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 erfuhr der Fliegerhorst (Ausweichflugplatz von Giebelstadt) einen Bedeutungsgewinn und wurde zum Einsatzhafen erster Ordnung [6], von dem aus die Piloten hauptsächlich Angriffe auf Ziele in Frankreich im Raum Metz-Sedan-Verdun und auch in England flogen. Platzkommandant war Major Luitpold Graf Wolffskeel von Reichenberg-Uettingen. In der Nähe des Flugplatzes wurden Flakzüge zur Flugabwehr stationiert. Sogar Scheinattrappen von Flugzeugen wurden aufgestellt, die feindliche Luftaufklärer vom Flugplatz ablenken sollten. Das Rollfeld wurde um etwa 50 Tagwerk erweitert, auf dem Stichgleis der Gaubahn rollten am Tag und insbesondere in der Nacht zahlreiche Versorgungszüge. [2]
- Kurz vor Kriegsende Ende März 1945 wurden viele der Gebäude durch deutsche Soldaten zerstört: Die Bauwerke wurden teilweise niedergebrannt und teilweise gezielt gesprengt. Mit einer besonders heftigen Detonation wurde der südliche der fünf Munitionsbunker gesprengt, was insbesondere auch in Gelchsheim und Oellingen, aber auch an den Flugplatzgebäuden durch die Druckwelle für große Schäden sorgte. [2] Auf einem Luftbild vom 8. April 1945 sind die Spuren der Zerstörung und der Sprengkrater des Bunkers deutlich erkennbar. [4] Auch der östlichste Munitionsbunker wurde zerstört, bei einem weiteren unmittelbar daneben reichte die Sprengkraft nicht. Dieser ist mit sichtbaren Schäden noch erhalten. Noch Jahrzehnte später war und ist das Areal erheblich durch Kriegsmunition belastet.
- Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging das Areal zunächst an die staatliche Vermögensverwaltung und wurde der Standort an die Staatliche Erfassungsstelle für öffentliches Gut (StEG) [7] übergeben, die auf dem Gelände einen Sprengplatz errichtete. Bis 1952 wurden hier Munitionsfunde gesprengt. Die verbliebenen drei Bunker wurden bis 1959 durch den Heimatvertriebenen Karl Schimana als Wohn-, Stall- und Lagerräume genutzt. [8] In den 1960er Jahren befand sich eine US-Radarstation auf dem Gelände. Zur Radarstation gehörten Unterkunfts- und Lagergebäude. Ein Lagergebäude ist gegenwärtig noch vorhanden. Ab 1973/1974 wurden die Flächen landwirtschaftlich genutzt.
Flugzeuge
Dokumentiert ist, dass in Gelchsheim vom 10. bis 18. Mai 1940 die I./KG 53 (Erste Gruppe des Kampfgeschwaders 53) mit dem Flugzeugtyp Heinkel He 111 stationiert war. [9] Da es sich bei den zweimotorigen Bombern um sehr große und etwa neun Tonnen schwere Flugzeuge handelte, ist davon auszugehen, dass lediglich ein Teil der etwa 40 Maschinen dieser Gruppe im Einsatzhafen Gelchsheim abgestellt war. Der weitaus größere Teil war möglicherweise auf dem Flugplatz Giebelstadt stationiert.
Dokumentiert ist des weiteren durch den Zeitzeugenbericht von Helmut Veeh aus Aub, dass auf dem Areal des Fliegerhorstes Gelchsheim 1944 Lastensegler abgestellt waren. In dem Zeitzeugenbericht heißt es: „Am Rande des Feldflugplatzes Gelchsheim waren große Doppelrumpf Lastensegler abgestellt. Weiter in der Flur standen einfache Lastensegler, bei denen die Kanzeln mit einer Plane abgedeckt waren. In den Gurten steckten mehrere Leuchtkugeln, die wir heimlich herausnahmen. Bis uns die Bewacher entdeckten, waren wir schon davon gesprungen. Schießen durften sie auf uns nicht.“ [10] Mit Doppelrumpf-Lastensegler sind Flugzeuge des Typs Gotha Go 242 [11] gemeint, mit den einfachen Lastenseglern Flugzeuge des Typs DFS 230 [12], einem Lastensegler für einen Piloten und mit einer Transportkapazität von neun Soldaten.
Möglich ist ferner, dass bereits ab 1938 Bomber (Heinkel He 111) den Fliegerhorst Gelchsheim anflogen, da ab dem 1. Juli 1938 die III./KG 355 (Dritte Gruppe des Kampfgeschwaders 355) in Giebelstadt [13] stationiert war. Dieses Kampfgeschwader wurde am 1. Mai 1939 in III./KG 53 (Dritte Gruppe des Kampfgeschwaders 53) umbenannt. Die III./KG 53 bestehend aus Stab und 3 Staffeln mit Heinkel He 111 mit einer Sollstärke von 36-40 Maschinen verblieb bis zum 3. Februar 1940 in Giebelstadt.
He 111 B-1 o. B-2, die Aufnahme entstand nicht in Gelchsheim, zeigt aber den Flugzeugtyp, mit dem die in Giebelstadt seit dem 1. Juli 1938 stationierte III./KG 355 ausgerüstet war. Möglicherweise war 1938 auch eine Staffel der III./KG 355 mit maximal zwölf He 111 B auf dem Fliegerhorst Gelchsheim stationiert.
Lastensegler Gotha Go 242. Flugzeuge dieses Typs waren 1944 laut Zeitzeugenbericht auf dem Fliegerhorst Gelchsheim abgestellt.
Lastensegler DFS 230. Flugzeuge dieses Typs waren laut Zeitzeugenbericht 1944 auf dem Fliegerhorst Gelchsheim abgestellt.
Bodenkontamination
Drei der Brand- und Sprengplätze - zu Flugplatzzeiten standen hier Baracken - sind mit pflanzenschädlichen Schwermetallen verseucht, wie eine Detailuntersuchung 2010 ergab. Die Rückstände von Kupfer und Zink lagen in der oberen Bodenzone, was sich vor allem negativ auf das Wachstum der Pflanzen auswirkte. Weil die Prüfwerte weit überschritten waren, musste auf den betroffenen Flächen der Boden ausgetauscht werden. Etwa 4.000 Tonnen kontaminierte Erde waren bei diesem Bodenaustausch betroffen - die Aktion kostete rund 290.000 Euro.
Heutige Situation
Heute finden sich nur wenige Spuren vom Flugplatz Gelchsheim und den dazugehörigen Anlagen. Auch die Gleisanlagen wurden fast rückstandslos zurückgebaut. In Luftaufnahmen kann man jedoch heute noch den Verlauf des einstigen Gaubahn-Stichgleises im Norden an Unregelmäßigkeiten im Gelände zumindest etwas erahnen. Erhalten geblieben sind im Norden drei der fünf Munitionsbunker der Luftmuna (heute Privatgelände - kein Zutritt!), im Nordosten ein unterirdisches Lager des Fliegerhorstes, sowie das Wasserhäuschen (Pumpstation) im Wäldchen zwischen Oellingen und Osthausen. Die heutigen Aussiedlerhöfe im Bereich des einstigen Flugplatzes sind alle jüngeren Datums. Vom Stichgleis der Gaubahn zeugt heute nur noch ein Brückenwiderlager [14] an der Rippach.
Bildergalerie
Südliches Rollfeld mit Blick in Richtung Landstraße, heute ein normaler Acker. Links im Bild verlief parallel zum Weg das Stichgleis der Gaubahn in Richtung Flugplatzgebäude. Etwa an dieser Stelle muss sich das südliche Tanklager befunden haben. Vom Tanklager und dem Gleis sind gegenwärtig keine Spuren mehr sichtbar.
Siehe auch
Literatur
- Fred Helmrich: Gelchsheim im Ochsenfurter Gau mit seinen Ortsteilen Oellingen und Osthausen. Hrsg.: Marktgemeinde Gelchsheim, 1985, S. 348-351 (mit Handskizze vom Flugplatz)
- Jürgen Zapf: Flughäfen der Luftwaffe 1934 - 1945. Band 8 Bayern Luftgau XIII Nürnberg. Zweibrücken, 2013, S. 135 ff. (mit Luftbildern)
Weblinks
Erläuterungen und Hinweise
- ↑ Ein Tagwerk entspricht 3.407,27 m²
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Fred Helmrich: Gelchsheim im Ochsenfurter Gau mit seinen Ortsteilen Oellingen und Osthausen. Hrsg.: Marktgemeinde Gelchsheim, 1985, S. 348-351
- ↑ Heute verläuft dort die Straße „Am Hohlgraben 2-6“.
- ↑ 4,0 4,1 Jürgen Zapf: Flughäfen der Luftwaffe 1934 - 1945. Band 8 Bayern Luftgau XIII Nürnberg. Zweibrücken, 2013, S. 135 ff.
- ↑ In anderen Quellen ist fälschlicherweise von vier Bunkern die Rede, siehe Main-Post: „Haufenweise explosive Erinnerungen“ (7. Januar 2014)
- ↑ Fliegerhorste der Luftwaffe auf lexikon-der-wehrmacht.de
- ↑ Die StEG - Staatliche Erfassungsgesellschaft für öffentliches Gut m. b. H. (München) war nach dem Zweiten Weltkrieg Treuhänderin von öffentlichem Gut und unterlag nicht nur der Aufsicht des Länderrates und der Landesregierungen, sondern auch der Kontrolle von Militärregierung und Armee. Weitere Informationen bei Wikipedia [1].
- ↑ Main-Post: „Die Bunker als Wohnraum genutzt“ (6. Dezember 2002)
- ↑ Lexikon der Wehrmacht: Kampfgeschwader 53 "Legion Condor"
- ↑ Heimatverein Aub: Auber Geschichtsblätter - Beiträge zur Auber Stadtgeschichte. Nr. 5, 1. Jahrgang.
- ↑ siehe Wikipedia: Gotha Go 242
- ↑ siehe Wikipedia: DFS 230
- ↑ Lexikon der Wehrmacht: Kampfgeschwader 355
- ↑ Widerlager zählen zum Unterbau einer Brücke, siehe Karl-gotsch.de: Widerlager
Kartenausschnitte
- Ehemaliger Standort
- Ehemaliger Standort der Fliegerhorst-Gebäude „Reichsgutverwaltung Klosterhof“
- Standort der Munitionsbunker
- Ehemaliger Standort der Baracken bei Oellingen
- Wasserhäuschen für die Versorgung des Flugplatzes