Gaswerk Würzburg
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Das Gaswerk Würzburg produzierte ab Ende des 19. Jahrhunderts Gas für die Stadt Würzburg zur Straßenbeleuchtung.
Vorgeschichte
Bereits 1790 konnte Würzburg anlässlich des Besuchs von Kaiser Leopold II. mit Hilfe von Holzgas erleuchtet werden. Seit dem Jahre 1840 hatte die Stadt Verhandlungen über eine Gasbeleuchtung geführt. Im Juni 1853 wurde mit der Firma L. A. Riedinger in Augsburg ein Vertrag geschlossen zur Herstellung von Holzgas nach v. Pettenkofer's Patent. Die Finanzierung und der Betrieb erfolgte durch die Stadt Würzburg, die zur Subskription von Gas- und Wasseranschlüssen aufrief. [1] Im Juni 1855 wurde auf dem Gebiete der ehemaligen Gullenmühle und eines danebengelegenen grossen Gartens, am nordöstlichen Ende der Stadt aber noch innerhalb der Festungswerke ein Gebäude fertig gestellt, das gleichzeitig das Gas- und Wasserwerk aufnahm. Schon zu Kiliani 1855 konnten 616 Straßen- und 150 Hauslaternen entzündet werden. Die steigende Gasnachfrage machte diverse Erweiterungen und Verbesserungen notwendig, die aber nicht auf Dauer den Ansprüchen der aufblühenden Stadt genügten. Da auch das Wasserwerk vergrößerungsbedürftig war, wurde das alte gemeinsame Gebäude zu klein und eine Neuanlage eines Gaswerkes notwendig. Dieses sollte vor die Stadt verlegt und in der Nähe der Bahn erbaut werden, um die Materialien direkt zu- und abführen zu können. Aufgrund steigender Holzpreise und den Fortschritten bei Steinkohlengasbereitung wandte man sich auch in Würzburg dem Kohlengas zu und vermied dabei auch die mühsame, Arbeiter und Umgebung belästigende Kalkreinigung.
Geschichte
1871 beschloss die Stadt, aus wirtschaftlichen Gründen von Holzgas auf Steinkohlengas umzustellen und einen Neubau anzulegen. Im März 1874 wurde der Bau des städtischen Gaswerks in der Ständerbühlstraße [2] begonnen und nach eineinhalb Jahren Bauzeit in Betrieb genommen und somit die Stadtgasproduktion [3] aus der Bahnhofstraße hierher verlegt. Das Gaswerk verfügte über einen eigenen Gleisanschluss, der teilweise in städtischem Eigentum war. [4]
Charakteristisch für die früher in allen größeren Städten vorhandenen Gaswerke waren die großen Gaskessel bzw. Gasometer. Ihr Füllgrad war variabel, d.h. sie konnten größer und kleiner werden, so dass man mit einem Blick sah, wie viel Gas gerade gespeichert war.
Baubeschreibung
„Gaswerk; dreiteilige Baugruppe der Neuen Sachlichkeit bestehend aus Turm mit Durchfahrt, Halle und dreigeschossigem Wohnhaus, sämtlich Putzmauerwerk mit Flach- bzw. Flachsatteldach; Neue Sachlichkeit, 1926/1932-36 (Wohnhaus im Kern 1874); Betriebsgebäude, dreigeschossiger Satteldachbau mit Putzgliederungen, 1874.“ Das Wohnhaus wurde 1926 und 1932-36 umgebaut und auch der Turm wurde zwischen 1932 und 1934 erneuert.
Bildergalerie
Historische Abbildungen
Blick vom Mainviertel auf Grombühl und das Gaswerk (1970/71)
Gaswerk in der Ständerbühlstraße (1986) (© Roland Pleier)
Ortsgasversorgung
Die Stadt Würzburg verfügte über eine so genannte Gruppengasversorgung, die nicht nur das Stadtgebiet, sondern auch angrenzende Gemeinden wie Versbach, Höchberg, Eibelstadt, Randersacker und Zell a. Main mit versorgte, ein Versorgungsmodell, das eigentlich bislang Ballungsräumen vorbehalten war. In dem großen Gasometer wurde das aus Steinkohle gewonnene Gas unter niedrigem Druck zwischengelagert und nach Bedarf ins Netz abgegeben.
1962 gründeten die Ruhrgas AG und weitere deutsche Gasversorger, sowie 16 Städte und zahlreiche Industriebetriebe, auch auf Betreiben der Stadt Würzburg hin, die Ferngas Nordbayern GmbH und setzten damit den Grundstein für eine zentrale Ferngasversorgung. Dieses Gas ist ein Nebenprodukt der Kokereien im Ruhrgebiet und Saarland und konnte kostengünstig abgezweigt und in ein Fernleitungsnetz eingespeist werden. Die lokale Gasproduktion wurde somit eingestellt und der Gasometer als Niedrigdruckgasbehälter nicht mehr benötigt. 1994/1995 wurde der letzte Gasbehälter (30.000 m³; Baujahr 1930) abgebrochen.
Heutige Nutzung
Das denkmalgeschützte alte Gaswerk beherbergt heute im Turm das Historische Archiv der Würzburger Verkehrs- und Versorgungs GmbH.
Aktuelle Gasversorgung
Heute wird die Region mit fossilem Erdgas versorgt. Seit 1964 ist die gasuf, die Gasversorgung Unterfranken, für die Bereitstellung von Gas zuständig.
Siehe auch
Quellen und Literatur
- Landeszentrale für politische Bildungsarbeit: Unsere Stadt Würzburg. Verlag Bild+Druck GmbH, Holzmühle 1968, S. 54
- Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Baudenkmäler in Würzburg, Nr. D-6-63-000-774
- Daniel Gerken: Die Selbstverwaltung der Stadt Würzburg in der Weimarer Zeit und im „Dritten Reich“. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 17, Hrsg.: Ulrich Wagner, Verlag Ferdinand Schöningh, Würzburg 2011, S. 150 ff.
- Suse Schmuck: Ein Gaswerk als Denkmal? - Spurensuche zur Frühen Moderne in Würzburg. Hrsg.: Stadtwerke, Würzburg, 1992.
- Christian Leininger: Das städtische Gaswerk. In: Würzburg, insbesondere seine Einrichtungen für Gesundheitspflege und Unterricht. Herausgegeben vom Hygienischen Vereine Würzburg. Redaktion: Prof. Dr. Karl B. Lehmann und Dr. Julius Röder. Verlag J.F. Bergmann, Wiesbaden 1892
- Deutsche Gewerbezeitung: „Das Holzgaswerk in Würzburg“ (4. Juli 1856) S. 273 ff.
Weblinks
Einzelnachweise, Erläuterungen und Hinweise
- ↑ Würzburger Stadt- und Landbote (28. März 1854) S. 388
- ↑ Frühere Postadresse: Ständerbühl 22 (Telephon-Anlage Würzburg: Verzeichniss der Sprechstellen, Nr. 1 - abgeschlossen am 30. September 1887, Königl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz, Würzburg 1887, S. 13 und 36)
- ↑ Stadtgas oder Leuchtgas bezeichnet ein ab der Mitte des 19. Jahrhunderts weithin übliches Brenngas, das zumeist in städtischer Regie durch Kohlevergasung hergestellt wurde. Es diente zur Beleuchtung von Straßen und Wohnungen und dort auch zum Betreiben von Gasherden und Gasdurchlauferhitzern. Stadtgas in den öffentlichen Gasnetzen wurde in Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Erdgas ersetzt. Weitere Informationen bei Wikipedia [1].
- ↑ Verzeichniss der nutzbaren Längen der Ausweichspuren, sowie der Nebengleise und der Doppelbahn-Strecken &c. &c. auf den K. B. Staatseisenbahnen, Januar 1877, S. 109