Stolpersteine in Giebelstadt

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Die Stolpersteine in Giebelstadt enthalten die Stolpersteine, die im Rahmen des gleichnamigen Kunstprojekts von Gunter Demnig in der unterfränkischen Marktgemeinde Giebelstadt, einschließlich des Ortsteils Allersheim, verlegt wurden. Mit ihnen soll Opfern des Nationalsozialismus gedacht werden, die in Giebelstadt und seinen Ortsteilen lebten und wirkten.

Verlegte Stolpersteine im Ortsteil Allersheim

Adresse Erinnerung an/Historische Notizen Verlegedatum
Hauptstraße 5 Für Heinrich, Jenny, Amalie und Stephanie Baumann
Heinrich Baumann wurde am 26. August 1877 als Selig Hirsch Baumann als Sohn von Jakob und Amalie Baumann in Untererthal geboren. Der Ort Allersheim trat erstmals in sein Leben, als sein Vater Jakob dort 1903 die Stelle als Aufseher über den großen jüdischen Friedhof antrat. Während die Eltern mit seinen beiden jüngeren Geschwistern daraufhin ihren Wohnsitz dorthin verlegten, war Heinrich zu dieser Zeit bereits alt genug um ein selbstständiges Leben zu führen und trat dementsprechend die Reise nicht mit an.
Als junger Mann lernte er seine Frau Jenny kennen. Diese war am 6. März 1883 als Jenny Blumenthal als Tochter von Zerline und Heinrich Blumenthal in Großeicholzheim geboren worden. Das Paar ließ sich in Jennys Heimat Mosbach nieder. Dort wurden in den kommenden Jahren auch die Kinder der Baumanns geboren: Amalie am 4. Januar 1915, Friedrich am 8. Juli 1917 und Stefanie Zerline am 23. Juni 1920, wobei Friedrich schon im Kindesalter verstarb, vermutlich an Dyphterie.
Wie also kam es, dass Heinrich sich schlussendlich doch noch in Allersheim niederließ? Der Grund dafür war ein Versprechen, das er seinem Vater gegeben hatte. Jakob Baumann hatte seinen Sohn gebeten, nach seinem Tod die Pflege des Allersheimer Friedhofes zu übernehmen. Nachdem dieser am 14. Juli 1920 eingetreten war, war es für Heinrich an der Zeit, sein Versprechen in die Tat umzusetzen. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern erfolgte am 6. April 1921 der Umzug. Die Familie war zunächst alles andere als glücklich über das neue Zuhause. War Mosbach zumindest eine Kleinstadt mit einer aktiven jüdischen Gemeinde und einem eigenen Kulturleben, so war beides im kleinen Allersheim vergeblich zu suchen. Nach der bereits Jahre zuvor erfolgten Auflösung der jüdischen Gemeinde waren die Baumanns die einzige jüdische Familie im Ort. Im Haus mit der Nummer 55 versuchten die Eltern nach Kräften dennoch ein neues Zuhause zu schaffen. Da das geringe Gehalt als Friedhofspfleger nicht ausreichte, um die Familie zu ernähren, betrieben Heinrich und Jenny daneben einen kleinen Laden mit Textilien und Schulartikeln am Ort. Heinrich vertrieb seine Waren auch als Hausierer und trug sie im Umland mit dem Korb auf dem Rücken von Tür zu Tür. Hauptabnehmer waren neben den örtlichen Bauern Arbeiterfamilien aus den Steinhauergemeinden der näheren Umgebung. Um trotz fehlender Gemeinde den beiden Töchtern ihren Glauben näherzubringen, engagierten die Eltern einen religiösen Hauslehrer, der regelmäßig den Weg nach Allersheim auf sich nahm.
1932 verließ Tochter Amalie Allersheim in Richtung Fürth. Stefanie dagegen blieb zunächst noch bei den Eltern wohnen. Doch mit dem Siegeszug des Nationalsozialismus endete auch die Hoffnung der Familie Baumann auf ein ruhiges Leben unter Nachbarinnen und Nachbarn. Die Familie wurde im Ort immer stärker isoliert. Nachdem Stefanie bereits 1936 einige Monate in Kitzingen verbracht hatte, verließ auch sie 1938 Allersheim und ging zunächst nach Frankfurt. 1939 wurde das Wohnhaus des Ehepaars Baumann, ursprünglich im Besitz der Friedhofskooperation Allersheim, zwangsverkauft. Dem Paar wurde lediglich ein dauerhaftes Bleiberecht eingeräumt. Noch schwerer jedoch wog, dass es Heinrich Baumann ab dem 1. Januar 1939 untersagt war, seinen Laden weiter zu betreiben. Die Familie musste nun von dem geringen Einkommen als Friedhofswärter und Erspartem leben. Immer offener trat ihr nun der Hass des Dorfes entgegen. In den örtlichen Geschäften bediente man sie nicht mehr, immer mehr Einwohner mieden aus Abneigung und Furcht den Kontakt. Einige wenige Ortsnachbarn gab es angeblich, die die Familie unterstützten, indem sie des Nachts Einkäufe an vereinbarten Stellen deponierten, um so zumindest die nötigste Versorgung der Baumanns sicherzustellen. Beiden Töchtern war nach ihrem Weggang die Flucht gelungen. Während Stephanie zunächst danke der Hilfe von Verwandten in Großbritannien Zuflucht fand, war Amalie in der Schweiz als Dienstmädchen für mehrere prominente jüdische Familien wie die Guggenheims tätig. In Briefen an sie offenbarte sich das Leid der Eltern, wenn diese davon sprachen, dass „Onkel Lechem“ (das hebräische Wort für Brot) in letzter Zeit kaum noch zu Besuch komme. Mehrfach überquerte Amalie daraufhin illegal die Grenze, um die Eltern zu besuchen, ehe sie 1939 die Chance ergriff, in die USA zu emigrieren. Dort finanzierte sie sich durch Strickarbeiten und die Pflege einer tuberkulosekranken Dame, durch deren Familie sie auch ihren späteren Ehemann traf.
Inzwischen war unverkennbar, dass eine Ausreise die einzige Möglichkeit sein würde, um der Verfolgung in Deutschland zu entkommen. Amalie und Stephanie bemühten sich aufopferungsvoll darum, ihre Eltern in Sicherheit zu bringen. Am 16. Oktober 1941 beantragte Heinrich Baumann ein Visum für die von Tochter Amalie organisierte Ausreise nach Ecuador, die jedoch ebenso nicht stattfand wie eine geplante Emigration nach Bolivien. Stephanie hatte sogar gültige Visa für Großbritannien organisiert, doch auch diese verfielen ungenutzt. Warum Heinrich und Jenny nicht emigrierten, das bleibt ungewiss.
Wenig später beendeten die Nationalsozialisten alle Pläne zur Emigration. Am 19. März 1942 wurde Heinrich Baumann gemeinsam mit seiner Frau nach Izbica deportiert und anschließend ermordet. Angeblich hatte er zuvor noch Gelegenheit, sich von den wenigen Dorfbewohnern zu verabschieden, die noch heimlich Kontakt zu ihm gehalten hatten. Mit der Ermordung von Heinrich und Jenny Baumann fanden Jahrhunderte jüdischen Lebens in Allersheim ein Ende.
Im Jahr 1944 heirateten in New York Amalie Baumann, die sich inzwischen Amely nannte, und Joseph Sullivan. Das Paar bekam eine Tochter und lebte gemeinsam in der Metropole. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2006 war Amely Sullivan Freunden und Familie als hochgebildete und tief in der deutschen Kultur verankerte Frau bekannt. Sie hatte umfangreiche Kenntnisse des Judentums, praktizierte selbst ihren Glauben aber nicht mehr aktiv. Stephanie Baumann heiratete im Frühjahr 1945 in Großbritannien ebenfalls. Obwohl sie sich mit ihrem Mann Siegfried Preiss dort ein gutes Leben aufgebaut hatte und das Paar gemeinsam zwei Töchter hatte, entschlossen sich die Eheleute 1948 der Familie wegen zu einer Emigration in die USA, wo Familie Preiss zunächst ein schwieriger Start erwartete. Zeit Lebens blieb Stephanie tief religiös. Ihre Kinder erinnern sich daran, dass sie teilweise Deutsch mit ihrem Mann sprach, wenn sie etwas nicht verstehen sollten. 2021 ist Stephanie Preiss gestorben.
22. März 2022

Verlegte Stolpersteine im Ortsteil Giebelstadt

Adresse Erinnerung an/Historische Notizen Verlegedatum
Flugplatzstraße 7 Für Carolina, Gitta und Henriette Krämer
Stolpersteine für Carolina, Gitta und Henriette Krämer
Carolina Krämer wurde 1873 in Berlichingen geboren und heiratete im Jahr 1900 den Giebelstadter Metzger Moses Krämer. Dieser starb 1908 in Werneck aufgrund eines unbekannten psychischen Leidens. Ihre 1904 geborene Tochter Gitta lebte ab 1930 in der Heil- und Pflegeanstalt in Lohr am Main. Von dort wurde sie am 1. April 1940 in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar bei München gebracht und am 20. September 1940 in Hartheim bei Linz in Österreich im Zuge der Massenverbrechen der Nationalsozialisten an Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen (Aktion T4 „Erwachseneneuthanasie“ [1]) umgebracht.
1930 mussten Carolina und Henriette Krämer in ein Anwesen in der heutigen Flugplatzstraße 7 umziehen. 1939 wurde das Haus an einen Friseur verkauft. Carolina und ihre Schwägerin wohnten noch im Dachgeschoss bis sie im November 1939 zwangsweise in die jüdische Gemeinschaftsunterkunft in Würzburg umgesiedelt wurden, wo Carolina Krämer am 1. September 1940 starb.
Heinriette Krämer musste ins jüdische Altersheim in der Dürerstraße umziehen. Am 10. September 1942 wurde die 77-Jährige mit dem vierten Deportationszug zunächst nach Theresienstadt, anschließend in Vernichtungslager Treblinka (Polen) verschleppt und dort am 29. September 1942 ermordet.
29. Juni 2023
Mergentheimer Straße 22 Für Selma, Max und Leopold Pollak:
Stolpersteine für Selma, Max und Leopold Pollak

Der Getreidehändler Ludwig Pollak vom Hof Gieshübel (heute Gemeindeteil der Ortsgemeinde Oberwies im Rhein-Lahn-Kreis) ehelichte 1884 die aus Giebelstadt stammende Mina Fischer und zog hierher. Die drei Kinder des Ehepaares Selma, Max und Leopold Pollak kamen in Giebelstadt - in der Wohnung ihrer Eltern - zur Welt.

Selma Pollak, die älteste der drei Kinder, wurde am 20. Oktober 1887 geboren, blieb zeitlebens unverheiratet und war beruflich als Haushaltshilfe tätig. Vermutlich seit 1939 lebte sie bei ihrem Bruder Leopold und dessen Frau Berta in Würzburg. Am 27. November 1941 wurde sie nach Riga (Lettland) deportiert, in das Außenlager Jungfernhof gebracht und vermutlich dort beziehungsweise in der Nähe in den folgenden Wochen oder Monaten ermordet.
Max Pollak erblickte am 13. Juli 1890 das Licht der Welt. Er verdiente sein Geld als Tabakwarenhändler und zog bereits 1936 mit seiner Ehefrau Klara Pollak (geb. Günther) und den drei in Giebelstadt geborenen Kindern, Günther (6. Mai 1926), Manfred (20. Mai 1928) und Margot (12. Oktober 1929), nach Würzburg. Max Pollak emigrierte Ende Juli 1938 mit Unterstützung des Hilfsvereins der Juden in Deutschland nach New York / USA. Die Familie sollte später folgen. Der Ehefrau und den Kindern gelang die Auswanderung jedoch nicht, sie wurden mit der ersten Würzburger Deportation am 27. November 1941 nach Riga verschleppt und dort ermordet.
Der jüngste Sohn der Familie, Leopold Pollak (geboren am 2. September 1891), erlernte das Bäckerhandwerk. Er wohnte mit seiner zeitlebens ledigen Schwester im Elternhaus in Giebelstadt. Kurz nach dem Novemberpogrom 1938 zogen beide nach Würzburg. Dort lernte Leopold seine spätere Ehefrau Berta Gerstl kennen und beide heirateten am 25. November 1941 in der Stadt.
Mit der fünften Deportation aus Unterfranken wurde das Ehepaar am 23. September 1942 in das Konzentrationslager nach Theresienstadt (Tschechoslowakei) abtransportiert. Am 23. Februar 1943 wurde dort ihre Tochter Dora (Dorle) geboren. Alle drei überstanden die Arbeits- und Lebensbedingungen im KZ und kehrten nach dem Krieg nach Würzburg zurück. Hier starb Berta Pollak jedoch bereits im Jahre 1950.
Während Leopold Pollak, der auch an einer Verwundung aus dem Ersten Weltkrieg litt, in Würzburg blieb, schickte er seine neunjährige Tochter 1952 nach Israel, wo sie noch heute lebt. Er selbst verstarb am 8. Juli 1973 in Würzburg und fand dort seine letzte Ruhestätte.
22. März 2022
Mergentheimer Straße 23 Für Hirsch, Rudolf und Betty Schmidt
Stolpersteine für Hirsch, Rudolf und Betty Schmidt
Der Kaufmann Hirsch Schmidt, geboren 1853, bewohnte als Witwer zusammen mit seinem Sohn Rudolf und seiner Schwiegertochter Betty das Haus Nummer 95 1/2. Im Januar 1939 wurde der 85-Jährige, im jüdischen Altersheim in Würzburg in der Konradstraße 3 untergebracht und starb dort am 8. November 1941.
Durch die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ sowie die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom Herbst 1938 waren Rudolf und Betty Schmidt gezwungen, ihr Geschäft aufzugeben und das Haus zu verkaufen. Der Erlös ging teilweise auf ein Treuhandkonto des Gauleiters Dr. Otto Hellmuth und zum größten Teil auf ein Sperrkonto bei einer Bank.
Im März 1942 wurden Rudolf und Betty Schmidt als die zwei letzten jüdischen Einwohner von Giebelstadt auf einem offenen Lastwagen zu einem Sammelplatz nach Kitzingen gebracht. Ihr zurückgelassenes Mobiliar wurde versteigert. Am 24. März 1942 wurde das Ehepaar Schmidt mit dem zweiten Deportationszug von Würzburg nach Izbica im Distrikt Lublin (Polen) gebracht, wo beide ums Leben kamen.
29. Juni 2023
Untere Kirchgasse 2 Für Leo, Berthold und Hedwig Baumann
Leo Baumann wurde am 13. August 1906 in Adelsberg, jetzt Ortsteil von Gemünden am Main geboren. Seine Eltern waren der Viehhändler Sigmund Baumann (1878-1942) und dessen Ehefrau, die gebürtige Gaukönigshöferin Sabina (Selma) Baumann geborene Thalheimer (1882-1942). Sie heirateten 1905 und wohnten in Adelsberg (heute Stadtteil von Gemünden am Main / Landkreis Main-Spessart).
Die Baumanns aus Adelsberg hatten drei Söhne: Leo, Theodor (Theo) geboren am 20. Juli 1910 in Adelsberg und Alfred (Fred) geboren am 26. Mai 1913 in Adelsberg. Theo und Fred konnten 1938 mit finanzieller Hilfe ihres Vaters in die Vereinigten Staaten von Amerika nach New York emigrieren. Nach dem Novemberprogrom 1938 wurden die Baumanns aus Adelsberg vertrieben und waren danach in der Bibrastraße in Würzburg unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht.
Fred kam am 24. September 1938 in New York an. Damals wurde er als Viehhändler registriert. Er wurde von einem Freund der Familie Mr. Meyer Strauss in Baltimore aufgenommen. Er arbeitete zunächst bei Fuller Brush, später eröffnete er ein Geschäft für Damenmoden. Fred und Edith Spier heirateten im März 1943 in Manhatten. Sie hatten zwei Söhne von denen der erste kurz nach der Geburt 1948 starb. Der zweite Stanton Abraham Baumann wurde am 9. Juli 1949 in New York City geboren. Er heiratete Sarah Taylor mit der zusammen er eine Tochter namens Catherine Ann hatte.
Theo (Ted) Baumann kam am 25. Januar 1938 in New York an und kam bei seiner Tante Rose Buschhoff unter. Er starb im September 1985. Sein Sohn Steven Baumann ist Dr. der Psychiatrie in Utah (USA).
Verheiratet war Leo Baumann mit Hedwig (geb. Heinemann) die am 21. November 1901 in Giebelstadt das Licht der Welt erblickt hatte. Ihre Eltern Markus Heinemann und seine Ehefrau Emma Friedmann aus Crailsheim heirateten 1893. Hedwig hatte noch eine Schwester Jenny und einen Bruder Siegfried, der 1914 zum Militär eingezogen wurde und am [[3. Oktober] 1917 in einer der blutigsten Schlachten des 1. Weltkrieges in Belgien fiel. Jenny heiratete 1913 Isidor Bloch aus Schmieheim (Schwarzwald). Deren Tochter Irma kam 1914 in Giebelstadt zur Welt. Danach verlieren sich die Spuren von Jenny, Isidor und Irma. Irma kam 1937 nach New York, ließ sich in Philadelphia nieder und heiratete dort.
Die Eheschließung von Leo und Hedwig fand am 21. November 1932 in Giebelstadt in der Synagoge statt. Ihre Hochzeit war das letzte große jüdische Fest im Ort und das ganze Dorf feierte mit. Leo wohnte mit seiner Ehefrau Hedwig im Anwesen von Hedwigs Vater Markus Heinemann in diesem Anwesen in Giebelstadt, Hausnummer 40, heute Untere Kirchgasse 2. Leo Baumann hatte auch den Hausierhandel mit Schnittwaren (Stoffe) seines Schwiegervaters übernommen und verkaufte sie von Haus zu Haus. Nachdem es seit Hitlers Machtergreifung verboten war, bei Juden einzukaufen, verarmten die Baumanns zusehends. Das Ehepaar hatte nur einen Sohn, Berthold Baumann, der am 27. Juni 1934 in Würzburg geboren wurde.
Beim Novemberpogrom (im Ochsenfurter Gau erst am 10. November 1938) wurde nicht nur die jüdische Synagoge geschändet, sondern „von den Teilnehmern der zusammengerotteten Menschenmenge mit vereinten Kräften Zerstörungen am und im Anwesen Baumann durchgeführt.“ Leo Baumann wurde verhaftet, kam aber wieder zurück nach Giebelstadt. Wie lange und wo er in Haft war, konnte ich nicht feststellen. Leos Schwiegervater Markus Heinemann verstarb 1941 und ist im Allersheimer Judenfriedhof beigesetzt.
Schließlich wurden im März 1942 unter dem harmlosen Begriff der Umsiedlung in den Osten die letzten fünf verbliebenen jüdischen Mitbürger zur Deportation aufgefordert. Die Eheleute Leo und Hedwig Baumann und ihr fast achtjähriger Sohn Berthold wurden mit einem LKW in Giebelstadt abgeholt und zur Gastwirtschaft „Fränkischer Hof“, der Sammelstelle in Kitzingen, gebracht. Mitnehmen durften sie ein Gepäckstück (Koffer oder Rucksack), eine Wolldecke, Verpflegung und 50 Reichsmark, um den Transport zu bezahlen. Vom Bahnhof Kitzingen aus fand am 24. März 1942 die zweite von insgesamt 8 Deportationen unterfränkischer Juden statt. Verschleppt wurden 208 Personen in das Durchgangslager Izbica in Ostpolen. Mit dem gleichen Transport wurde auch das Ehepaar Betty und Rudolf Schmidt (Mergentheimer Straße 23) deportiert. Die Besitztümer der Familien Baumann und Schmidt wurden versteigert! Ob die Deportierten wohl ihr furchtbares Schicksal geahnt hatten? Spätestens, als sie in überfüllten Güterwaggons ohne Wasser und Nahrung nach Osten transportiert wurden, dürften sie geahnt haben, welches grauenhafte Schicksal sie erwartet.
Nicht lange nach der Ankunft im dortigen Durchgangsghetto wurden sie vermutlich in eines der im Raum Lublin (Ostpolen) gelegenen Vernichtungslager geschickt und ermordet. Niemand hat diesen Transport überlebt. Ein schicksalhafter Vorgang soll hier nicht unerwähnt bleiben: Leos Eltern, die zuletzt in der Bibrastraße in Würzburg lebten, wurden mit dem gleichen Transport von Kitzingen aus nach Izbica deportiert und wie ihr Sohn, die Schwiegertochter und das Enkelkind ermordet. (Leo Baumann hatte die EvakuierungsNummer 999, seine Frau die Nummer 1000 und sein Sohn die Nummer 04).
22. März 2022
Untere Kirchgasse 3 Für Jette Mannheimer
Stolperstein für Jette Mannheimer
Jette (genannt Ida) Neumann (verheiratete Mannheimer) wurde am 27. Januar 1878 in Giebelstadt geboren, wo sie auch wohnte. Sie war Tochter des Viehhändlers Seligmann Neumann und seiner Ehefrau Babetta Neumann (geborene Bretzfelder) beide wohnhaft in Giebelstadt Hausnummer 41. Am 13. Oktober 1898 vermählte sie sich in Giebelstadt mit dem Viehhändler David Mannheimer, geboren am 27. Januar 1872 in Bütthard. Einziges Kind der Eheleute David und Jette Mannheimer war der Sohn Otto, geboren am 1. September 1899 in Giebelstadt. Otto Mannheimer flüchtete nach der Novemberprogrom 1939 nach Belgien und kehrte nach Kriegsende mit seiner Familie wieder nach Giebelstadt zurück.
David Mannheimer diente im Ersten Weltkrieg von 1914-1918 seinem Vaterland als Soldat an der Westfront in Belgien. Für seine tapferen Kriegstaten wurde er mit dem „Bayerischen Militärverdienstkreuz III. Klasse mit Krone und Schwertern“ gewürdigt. Auf diese Auszeichnung mit dem Orden soll er nach Aussage seines Urenkels sehr stolz gewesen sein. David Mannheimer verstarb am 28. Juli 1933 in Giebelstadt und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Allersheim beigesetzt.
Jette Mannheimer wurde nach dem Tod ihres Mannes angehalten, das familieneigene Wohngebäude an den Giebelstädter Steinmetz Josef Honecker zu verkaufen. Sie zog gezwungenermaßen 1937 nach Würzburg, wohnte am 30. November 1938 am Dominikanerplatz 5 und zuletzt in der Sammelunterkunft in der Domerschulstraße 25. Von dort wurde sie am 23. September 1942 mit dem fünften Deportationszug ab Würzburg in das Ghetto Theresienstadt in der Tschechoslowakei (heute Tschechien) deportiert und 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Polen) gebracht, wo sie ermordet wurde.
29. Juni 2023

Siehe auch

Quellen

Pressespiegel

Weblinks

Hinweise

  1. Nähere Informationen zur Aktion T4 („Erwachseneneuthanasie“) bei Wikipedia [1]
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