Geschichte der jüdischen Gemeinde Greußenheim
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Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Greußenheim reicht nachweislich bis ins 17. Jahrhundert zurück.
Von den Anfängen bis zum 18. Jahrhundert
Der erste Nachweis von Juden in Greußenheim stammt aus dem Jahre 1675, in dem ein Haushalt mit fünf Schutzjuden [1] erfasst ist. [2] Am 11. April 1699 verfügte Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths eine Zählung der im Hochstift Würzburg ansässigen Juden, um einen Überblick über die sich in seinem Herrschaftsgebiet aufhaltenden Personen zu erhalten. Das Amt Rothenfels [3] meldete am 15. Mai 1699 für Greußenheim sechs Juden.
Im Jahr 1799 waren in Greußenheim 125 Haushalte registriert, darunter fünf Juden-Haushalte. [4]
Gleichstellung der Juden im 19. Jahrhundert
Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass die Lebensumstände für die Juden verbessert werden mussten. Die Regierung ging davon aus, dass die Juden „zu nützlichen Staatsbürgern herangebildet“ werden müssen und verabschiedete am 10. Juni 1813 ein Gesetz („Judenedikt“ [5]), das die Juden davon befreite, einen Schutzbrief haben zu müssen. Gleichzeitig aber schrieb es die Zahl der Juden an einem Ort auf dem Iststand fest, der in einem sogenannten „Judenmatrikel“ festgehalten wurde. Nur wer einen „Matrikelplatz“ hatte, durfte eine Familie gründen. Die Judenmatrikelliste von Greußenheim gibt den Stand vom 10. Mai 1820 wieder und verzeichnet neun Familienväter. Wenn man für eine jüdische Familie ca. sieben Personen annimmt, entspricht dies einer Anzahl von etwa 60 Personen. 1830 wurden in Greußenheim 798 Einwohner gezählt, davon 739 Katholiken und 59 Juden.
1850 wurde die Synagoge in Greußenheim fertiggestellt. Sie diente nicht nur als Gebetsraum, sondern als jüdisches Gemeindezentrum, in dem auch die Lehrerwohnung und Schule untergebracht waren.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts konnte ein deutlicher Rückgang der Anzahl der Juden in Greußenheim registriert werden. Mit der Aufhebung des Matrikelparagrafen im Jahre 1861 hatten die jüdischen Bürger endlich die lang ersehnte Niederlassungsfreiheit erhalten und mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 [6] erreichten auch die Juden in Bayern die völlige rechtliche Gleichstellung. Dies schloss auch in Bayern die freie Wahl des Wohnortes ein, was zu einem Zug der Landjuden in die Stadt führte. 1867 wurden noch 39 Juden in Grreußenheim gezählt, 1895 waren es nur noch 25 Bewohner. Die Abwanderung hatte Auswirkungen auf die Greußenheimer Kultusgemeinde und damit auch auf die Schule und den Religionsunterricht. Da für den jüdischen Gottesdienst die Mindestanzahl von zehn männlichen Personen über 13 Jahren erforderlich ist, kam es mit dem Rückgang der Zahl der Gemeindeangehörigen und der Schulkinder bereits 1860 zur Fusion der Religionsschulen von Greußenheim und Unterleinach und später auch der beiden Israelitischen Gemeinden.
Auflösung der jüdischen Gemeinde
Um 1924, als noch 11 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (in drei Haushaltungen; 1,22% von insgesamt 900 Einwohnern), war (letzter) Vorsteher der jüdischen Gemeinde Julius Linz. Die Gemeinde war dem Distriktsrabbinat Würzburg zugeteilt und wurde wenig später aufgelöst.
Bis 1936 hatten alle jüdischen Einwohner den Ort verlassen. Unter den letzten waren Mayer Linz, Nathan Eppstein und Max Simon Fröhlich. Mehrere der früheren Greußenheimer Juden wurden von anderen Orten aus deportiert, darunter der Studienrat Dr. Jakob (Benno) Hirnheimer [7], der in Würzburg an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt unterrichtet hatte sowie Jette Eppstein geb. Hirnheimer, die zuletzt in Würzburg (Dürerstraße 20) lebte (Frau des Toraschreibers Nathan Eppstein).
Siehe auch
Quellen und Literatur
- Thomas Rützel: Die Geschichte der Juden in Greußenheim. Ein Beitrag zur Heimatforschung und zur Erinnerung. Verlag Religion & Kultur, Zell a. Main 2019, ISBN: 978-3-933891-34-1
Weblinks
Einzelnachweise und Erläuterungen
- ↑ Vom Ausgang des Mittelalters bis ins 18. Jahrhundert standen Juden unter dem alleinigen Schutz des herrschenden Fürsten, der ihnen die Sicherheit von Person, Eigentum und Religion garantierte. Er gewährte den Schutzjuden mit sogenannten „Schutzbriefen“ ein zeitlich befristetes Niederlassungsrecht, teilweise auch mit Handelslizenz. Der Schutzbrief galt für den Inhaber, seine Familie und seine Bediensteten. Als Gegenleistung wurden die Zahlung eines jährlichen Schutzgeldes und weitere Abgaben zu bestimmten Anlässen gefordert. Schutzjuden wurden somit eine wichtige Einnahmequelle. Kleinere Territorialherren konnten mit der Ansiedlung von Juden ihre politische Unabhängigkeit unter Beweis stellen, zum Beispiel gegenüber größeren Städten oder Bistümern, auf deren Gebiet Juden weiterhin unerwünscht waren.
< Juden, denen das Geld für einen Schutzbrief fehlte, waren gezwungen von Gemeinde zu Gemeinde zu ziehen, wo sie für eine Nacht oder während des Sabbats eine Bleibe fanden. Mit der wachsenden Zahl von heimatlosen Juden konnte dieses Hilfssystem, vor allem wegen der finanziellen Belastung, nicht mehr aufrechterhalten werden. Im ausgehenden 18. Jahrhundert zählten zehn Prozent der jüdischen Bevölkerung auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches zu diesen so genannten Betteljuden.
Mit Beginn der Verleihung der Staatsbürgerschaft an einzelne Juden ab Ende des 18. Jahrhunderts und den geographischen und politischen Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Schutzjudensystem aufgegeben. (Quelle: Synagoge Memmelsdorf online) - ↑ Winfried Mogge: Auf den Spuren der Juden von Rothenfels am Main. Beiträge zur Geschichte von Rothenfels am Main, 2016, S. 61
- ↑ Greußenheim gehörte seit dem Mittelalter zum Hochstift Würzburg und zum würzburgischen Amt Rothenfels.
- ↑ Johann Kaspar Bundschuh: Geographisch-statistisch-topographisches Lexikon von Franken. 2. Band, Ulm 1800, Spalte 389
- ↑ haGalil.com: „Die Bayerische Judengesetzgebung von 1813“
- ↑ Bundeszentrale für politische Bildung: „Das Deutsche Kaiserreich“
- ↑ Informationen über Dr. Benno Jakob Hirnheimer auch auf den Internetseiten der Stolpersteine Würzburg.