Heeresverpflegungshauptamt
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Das Heeresverpflegungsamt Würzburg bzw. ab 1937 Heeresverpflegungshauptamt Würzburg (kurz: HVA) war eine militärische Einrichtung der Reichswehr bzw. Wehrmacht in Würzburg. Aufgaben waren die Beschaffung, Lagerung und Bewirtschaftung von Nahrungsmitteln für das Militär. Im Deutschen Reich gab es bis 1944 über 200 Heeresverpflegungsämter. [1]
Geschichte
Das Würzburger Heeresverpflegungsamt (in älteren Publikationen auch bezeichnet als Reichsverpflegungsamt) befand sich bis Ende der 1930er Jahre im Westen der Faulenbergkaserne: Es umfasste unter anderem zwei Getreidemagazine (viergeschossige Sichtziegelbauten mit Satteldach) und ein dazugehöriges Waaghaus (eingeschossiger Sichtziegelbau mit Satteldach). Diese markanten Backsteingebäude mit Baujahr um 1895 sind noch erhalten und stehen unter Denkmalschutz. Auf älteren Stadtplänen ist zu erkennen, dass das HVA noch weitere Gebäude westlich der heutigen Matthias-Thoma-Straße umschloss. [2] Die HVA-Verwaltung befand sich in der Faulenbergstraße 5 (heutige Nürnberger Straße 47). [3]
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs gewann die Versorgung der Truppen an Bedeutung. Aus dem Würzburger Heeresverpflegungsamt wurde 1937 verwaltungstechnisch ein Heeresverpflegungshauptamt. [4] Dem Amt war somit ein eigener Ankaufsbezirk für Getreide im Wehrkreis XIII Nürnberg zugewiesen. Es ist davon auszugehen, dass das Getreide von Landwirten aus dem Raum Mainfranken bezogen wurde. Das Heeresverpflegungshauptamt Würzburg wurde von einem Oberstabszahlmeister geleitet, sein Vertreter war ein Oberzahlmeister. Zum Amt zählte außerdem ein Heeresbackmeister. 1938 zog die HVA-Verwaltung von der Faulenberg-Kaserne in die Friedrichstraße 22 (Zellerau) um. [5]
Wie in vielen anderen deutschen Städten wurde auch in Würzburg die Lagerkapazitäten kriegsbedingt massiv ausgebaut: Bereits 1937 fasste man im Neuen Hafen das Areal in der Bauerstraße 1 (heute: Friedrich-Koenig-Straße 24) ins Auge, wo sich die Vulkanolwerke AG befand. [6] Um 1939/1940 wurden die großen Reichstypenspeicher errichtet. [7] Namensgebend für die Verpflegungsanlage ist die Tatsache, dass die Speicher nach deutschlandweit einheitlichen und typisierten Bauplänen erstellt wurden. Baugleiche Speicher gibt es deshalb auch in vielen anderen deutschen Städten mit Heeresverpflegungsämtern. [1] Der neue Standort bot viele Vorteile: Über den Neuen Hafen bestand Anschluss an die Bundeswasserstraße Main, außerdem wurde eine Verknüpfung mit dem Schienennetz der Reichsbahn geschaffen. Das Areal bot ferner ausreichend Flächen für Erweiterungen.
Während des Zweiten Weltkrieges blieb das Heeresverpflegungshauptamt Würzburg weitestgehend unzerstört: Es ist davon auszugehen, dass die Alliierten kein Interesse daran hatten, eine Infrastruktur zu zerstören, die im Falle eines für sie siegreichen Ausganges des Krieges für die Versorgung ihrer eigenen Soldaten in Frage kam. Lediglich das südliche Silospeicher-Gebäude erlitt bei den Luftangriffen auf den benachbarten Rangierbahnhof einen Treffer, wobei das Dach teilweise zerstört wurde. Mit dem Kriegsende 1945 ging letztlich auch das Ende des Heeresverpflegungshauptamt Würzburg einher: Die Gebäude in der Faulenbergkaserne gingen in die Obhut der US-Streitkräfte über, die Gebäude im Neuen Hafen gingen wiederum an das Bundesvermögensamt. [8] Die Reichstypenspeicher werden seitdem durch Privatunternehmen (z.B. anfangs Bayerische Lagerversorgung GmbH & Co. KG, aktuell Mainfranken Silo Würzburg GmbH) genutzt.
Gebäude an der Faulenberg-Kaserne
Parallel zur Matthias-Thoma-Straße stehen die zwei großen Getreidemagazine. Zur Nürnberger Straße hin befindet sich das Waaghaus. Das einstige HVA-Verwaltungsgebäude wird heute als Wohnhaus genutzt. Weitere Gebäude des HVAs sind an der Faulenberg-Kaserne nicht mehr erhalten.
Gebäude im Neuen Hafen
Karten aus den Jahren 1950, 1954 und 1983 sowie ein Bild vom Würzburger Rangierbahnhof aus den 1950er Jahren zeigen, dass das Gelände des Heeresverpflegungshauptamtes früher größer war: Demnach sind einige Gebäude wohl Ende der 1990er bzw. Anfang der 2000er Jahre der Erweiterung der Koenig & Bauer AG (Fertigung) in Richtung Norden zum Opfer gefallen. Anhand historischer Aufnahmen ist belegt, dass im Zuge dieser Erweiterung zwei Bodenspeicher abgerissen wurden. Das Heeresverpflegungshaupt im Neuen Hafen umfasst aktuell noch zwei Typen von Speichergebäuden: [9] Bei den zwei nördlichen Gebäuden handelt es sich um Silospeicher, die auch als Zellenspeicher oder Schachtspeicher bezeichnet werden. Bei den südlichen Gebäuden mit zahlreichen Fenstern handelt es sich um Bodenspeicher. Die Speichergebäude sind unterirdisch durch Versorgungsschächte miteinander verbunden.
Die Speichergebäude waren beidseitig mit Gleisen bahntechnisch erschlossen. Die Züge konnten somit bis an die Laderampen der Gebäude fahren. Die Gleise waren wiederum südöstlich des Heeresverpflegungshauptamtes im Bereich des Rangierbahnhofs an das Schienennetz angebunden. Das Stichgleis der Hafeneisenbahn parallel zur Friedrich-Koenig-Straße gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Eine dazugehörige Gleiswaage musste 2018 drei modernen Rundsilos mit je 3.500 Tonnen Lagerraum weichen.
Noch erhalten ist an der Zufahrt zum Gelände eine Trafostation.
Blick von der Frankenwarte auf den Neuen Hafen mit HVA (1996) (© Roland Pleier)
Silospeicher
Die Höhe eines Silospeichers entspricht bis zur Traufe ca. 17 Meter, bis zum Giebel ca. 24 Meter. Die Breite liegt bei ca. 13 Meter. Die Länge des gesamten Zellenspeichergebäudes beträgt 57 m. [9] Das Sockelgeschoss ist bei den beiden Würzburger Silospeichern in heimischen Muschelkalk ausgeführt. Die verputzen Wände und sogar der Dachstuhl besteht luftschutzkonform aus massivem Stahlbeton. Im Gebäude befinden sich zahlreiche senkrechte Silozellen für die langfristige Lagerung von Getreide (bis zu sieben Jahre). [9] Die Silozellen konnten durch Öffnungen im Boden von unten belüftet werden. Einzelne Zellen konnten ferner begast werden: So konnten Schädlinge wie Kornkäfer, Getreideplattkäfer oder Mehlmotte effektiv bekämpft werden. Außerdem befanden sich in jedem Speichergebäude eine Anlage für die Trocknung von zu feuchtem Getreide, eine mechanische Reinigungsmaschine, eine Waage sowie ein Staubabscheider und eine Staubabsackung. Elevatoren, so genannte Becherwerke, transportieren das Getreide in vertikaler Richtung; Verteilkettenförderer [10] beförderten das Korn auf horizontaler Ebene. [9] Die Reinigung und Annahmegosse der Silospeicher wurden in jüngerer Vergangenheit im Sinne eines zeitgemäßen Lagerbetriebs modernisiert. Eine Besonderheit der Silospeicher ist ein etwa 200 Meter langes, unterirdisches Förderband zum Main hin, das dort an einem unscheinbaren Terminal das Be- und Entladen von Schiffen ermöglicht. [11]
Bodenspeicher
Die Bodenspeicher sind bis zur Traufe ca. 15,5 Meter und bis zum Giebel etwa 22,5 Meter hoch, etwa 13,50 Meter breit und ca. 60 Meter lang. [9] Die architektonische Ausführung erfolgte ähnlich wie bei den Silospeichern, jedoch mit dem großen Unterschied, dass in den Fassaden zahlreiche Fensteröffnungen integriert wurden. Bei den Bodenspeichern erfolgte die Lagerung der Güter nicht in senkrechten Silozellen, sondern auf verschiedenen Etagen/Stockwerken (den Böden), die auch mit zwei Lastenaufzügen erreichbar sind. Die Trennung verschiedener Schüttgüter wurde mit Holzbohlen erzielt. Die Bodenspeicher waren darüber hinaus für jede Art von Stückgut ausgelegt. Die Stahlbetonskelettbauweise und Betonstützen mit Vouten ermöglichte eine hohe Tragkraft der Böden. [9] Die Würzburger Bodenspeicher sind nahezu im Originalzustand erhalten: So sind heute noch unter den Fenstern die Holzlamellen zu erkennen, die eine natürliche Luftzirkulation ermöglichten.
Denkmalschutz
Die Bauwerke in der Nürnberger Straße sind denkmalgeschützt, die Gebäude im Neuen Hafen stehen nicht unter Denkmalschutz. Aufgrund ihrer augenscheinlich banalen Funktion als Getreidespeicher erfuhren sie in der Zeit nach 1945 kaum kritische Betrachtung und zählen so zu den weniger belasteten, aber insbesondere auch weniger bekannten Bauwerken des Dritten Reichs in Würzburg. Trotzdem sind die Bauwerke Zeugnis von Strategie-, Logistik- und Autarkiedenken der Wehrmacht sowie der deutschen Kriegsvorbereitung.
Siehe auch
Weblinks
- Uni Münster - Institut für vergleichende Städtegeschichte: Das Heeresverpflegungsamt
- Geschichtsspuren.de: Heeresverpflegungsämter
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Uni Münster - Institut für vergleichende Städtegeschichte: Die Heeresverpflegungsämter im Deutschen Reich 1936 bis 1944
- ↑ Landkartenarchiv.de: Stadtplan von 1924 und Landkartenarchiv.de: Stadtplan um 1930
- ↑ u.a. Würzburger Adressbücher von 1936, 1938
- ↑ Würzburger Adressbücher 1937 und 1938
- ↑ Würzburger Adressbücher 1938 und 1939
- ↑ Siehe Planzeichnung „Industrie-Gelände an der Friedrich-Koenig-Straße“ vom 27. Dezember 1937, in der Karten- und Plansammlung des Stadtarchivs Würzburg (KuP, Eh 33/2). Dort sind folgende Flächenangaben vermerkt: Reichs-Woll-Verwertung ca. 1,375 Hektar, Heeresverpflegungsamt ca. 3,8 Hektar, Vulkanolwerk ca. 2,38 Hektar.
- ↑ laut Würzburger Adressbücher ging das Grundstück 1939 aus Privatbesitz an die Wehrmacht über, im Adressbuch 1941 wird das Heeresverpflegungshauptamt aufgeführt, im Adressbuch 1943 ist von „Ersatzverpflegungsmagazin - neue Verpflegungsanlage“ die Rede.
- ↑ Nachfolger: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA)
- ↑ 9,0 9,1 9,2 9,3 9,4 9,5 Uni Münster - Institut für vergleichende Städtegeschichte: Das Heeresverpflegungsamt
- ↑ Beispiele für Förderanlagen
- ↑ Bayernhof.de: Informationen der Mainfrankensilo Würzburg GmbH
Kartenausschnitte
- HVA Faulenberg-Kaserne
- HVA Neuer Hafen