Reichsnährstandssilos

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Reichsnährstandssilo Nördliche Hafenstraße 5
Reichsnährstandssilo Nördliche Hafenstraße 7

Als Reichsnährstandssilos wurden Ende der 1930er Jahre drei Silogebäude an der Nördlichen Hafenstraße im Neuen Hafen (Stadtteil Dürrbachau) nach deutschlandweit einheitlichen und typisierten Bauplänen errichtet. Die Bauwerke sind Zeugnis von Strategie-, Logistik- und Autarkiedenken der Nationalsozialisten und waren Bestandteil der deutschen Kriegsvorbereitung. Gegenwärtig existieren noch zwei dieser Silos.

Geschichte

Befasst man sich mit der Geschichte der Würzburger Reichsnährstandssilos, so muss man sich zunächst mit der Entwicklung der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten auseinandersetzen: Mit der Machtübernahme der NSDAP wurden im Reichsnährstand [1] unter der Leitung des Reichsbauernführers Walther Darré, der in Personalunion auch an der Spitze des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und des Reichsamtes für Agrarpolitik stand, sämtliche Personen gleichgeschaltet, die an der Erzeugung und dem Absatz landwirtschaftlicher Produkte beteiligt waren. [2] Institutionell waren von der Vereinheitlichung bzw. Gleichschaltung Mitte der 1930er Jahre die landwirtschaftlichen Genossenschaften, Marktverbände, Lagereibetriebe und Vereinigungen betroffen. [3] [4]

Der Reichsnährstand setzte sich mit dem Vierjahresplan verstärkt das Ziel, die „Auslandsabhängigkeit in der Selbstversorgung Deutschlands mit Nahrungsmitteln“ zu reduzieren und das Autarkiebestreben der Nationalsozialisten - somit die Unabhängigkeit vom Ausland - voranzutreiben. Da aber nicht genügend „Lagerraum für die geplanten Vorratsreserven des Reichs“ zur Verfügung stand, wurde die Vorratshaltung zu einer Aufgabe erklärt, die das gesamte deutsche Volk, insbesondere auch die private Wirtschaft, angehen sollte. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Landwirte 1936 eine Rekordernte einfuhren, die vor Verderben gesichert werden musste. [5] Der Reichsnährstand stellte deshalb 1938 mit dem „Programm für den beschleunigten Bau von Getreidelagerräumen“ ein Förderprogramm auf, dass auch Baumaßnahmen der privaten Wirtschaft bzw. oben genannten Genossenschaften (nicht: Wehrmacht) den Abruf von Reichszuschüssen ermöglichte. Um das Bauprogramm nach reichseinheitlichen Richtlinien durchführen zu können und die Zielerreichung zu beschleunigen, wurden bestimmte Bautypen (einheitliche, typisierte Baupläne) für Getreidespeicher mit einer Kapazität von 300, 500 und 1.000 Tonnen je Baueinheit sowie für Getreidesilos mit einer Kapazität von 5.000 t und 10.000 t geschaffen. [5]

In Würzburg wurden mit dem Reichszuschuss Ende der 1930er Jahre im Neuen Hafen zwei große Getreidesilos (Nördliche Hafenstraße 5 und 7) und ein kleinerer Getreidespeicher (Nördliche Hafenstraße 9) errichtet. In der Anfangszeit standen die Bauwerke für sich isoliert mit reichlich Abstand, um das Risiko von Brand- und Bombenschäden zu minimieren. Insbesondere ab den 1970er Jahren wurden die Speicher mit größeren Anbauten erweitert, die das Erscheinungsbild des Neuen Hafens bis heute aufgrund ihrer Dimensionen nachhaltig prägen. Der kleinere Getreidespeicher in der Nördlichen Hafenstraße 9 (heute: SLP) wurde aus wirtschaftlichen Gründen abgerissen und durch ein größeres Silo ersetzt.

Baubeschreibung

Blickt man von außen auf die großen Reichsnährstandssilos, so lässt sich anhand der Anordnung der Fenster eine Zweiteilung erkennen: Auf der einen Seite befinden sich mehrere Etagen mit Fenstern, die als Schüttböden bzw. Bodenspeicher bezeichnet werden. Gelagert werden konnte hier sowohl Schüttgut wie Getreide, als auch Stückgut wie Säcke oder Kisten. Auf der anderen Seite - ohne Fenster - befinden sich senkrechte Silozellen, die wie ein Wabenstock aufgebaut sind. [6] Gasdichte Zellen konnten ferner begast werden: So konnten Schädlinge wie Kornkäfer, Getreideplattkäfer oder Mehlmotte effektiv bekämpft werden. Zur technischen Gebäudeausstattung gehören ferner Verteilkettenförderer, Becherwerke und Lastenaufzüge für den Transport.

Die Stahlbetonskelettbauweise und Betonstützen mit Vouten ermöglichte eine hohe Tragkraft der Böden. Die Dachstühle sind luftschutzkonform komplett in Beton ausgeführt und boten wirksamen Schutz vor Splittereinwirkungen und Stabbrandbomben. Die eigentliche Ziegelabdeckung ist im Grunde genommen eine optische Attrappe und somit kein Dachstuhl im klassischen Sinne. [6] Die Außenmauern der Reichsnährstandssilos bestehen aus verputztem Mauerwerk.

Beide Würzburger Silospeicher haben eine Anbindung an die Hafenbahn und können außerdem von Schiffen und LKW angesteuert werden.

Bilder

Abgrenzung

Zwar gibt es bauliche und ausstattungstechnische Gemeinsamkeiten mit dem Heeresverpflegungshauptamt (HVA) in der Friedrich-Koenig-Straße. Das HVA wurde jedoch von der Wehrmacht errichtet und militärisch verwaltet.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der Reichsnährstand (RNST) war eine ständische Organisation der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im Deutschen Reich in den Jahren 1933 bis 1945, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Selbstverwaltungskörperschaft) mit eigener Satzung sowie eigenem Haushalts-, Beitrags- und Beamtenrecht eingerichtet war und bis 1948 bestand. Siehe Wikipedia: Reichsnährstand
  2. Uffa Jensen: Reichsnährstand, in: Wolfgang Benz u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. Aufl., Stuttgart 2007, S. 750.
  3. Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa (Hrsg.): Archivführer zur Geschichte Ostbrandenburgs bis 1945. München / Oldenbourg 2007, S. 191 f.
  4. siehe auch Wikipedia: BayWa: Phase des nationalsozialistischen Einflusses
  5. 5,0 5,1 Werner Tornow: Chronik der Agrarpolitik und Agrarwirtschaft des deutschen Reiches von 1933- 1945. Parey, 1972, S. 136/137.
  6. 6,0 6,1 Geschichtsspuren.de: Reichsnährstandssilos

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