Ortolf von Baierland

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Ortolf von Baierland - auch Ortolf von Würzburg (* 13. Jahrhundert in Bayern; † vor 1339, wahrscheinlich in Würzburg) war Arzt in Würzburg und Verfasser eines bedeutenden medizinischen Lehrbuches.

Leben und Wirken

Ortolf wurde im Herzogtum Bayern geboren, vielleicht im Weiler Bayerland bei Bischofsheim in der Rhön. Es ist anzunehmen, dass er nicht nur eine praktische Ausbildung, sondern auch an einer oder mehreren Universitäten studiert hatte. Ortolf arbeitete als Wundarzt [1] im Dienst des Würzburger Domkapitels und versorgte als solcher auch das Dietricher Spital (zwischen heutiger Blasiusgasse und jetzigem Marktplatz). Auch als Leibarzt seines arbeitgebenden Bischofs dürfte er mit einiger Wahrscheinlichkeit tätig gewesen sein. Seine Wohnung hatte er - entgegen früheren Annahmen[2] - wohl in der spitalseigenen Domvikarie (Klein-)Weinsberg im Bereich vom heutigen Kardinal-Döpfner-Platz 3.

Literarisches Werk

„Meister Ortolf“ verfasste um 1280 ein Handbuch für praktisch tätige Ärzte. Es beruht auf dem mittelalterlichen Konzept der Viersäftelehre, enthält internistische, z.B. durch Harnschau und Pulstasten gewonnene Diagnosen als auch allgemeinmedizinische Verfahren wie Aderlass und medikamentöse Therapien sowie chirurgische Behandlungsmöglichkeiten.

In leicht verständlichen Worten stellt Ortolfs Buch das Wissen antiker und mittelalterlicher Autoritäten zusammenfassend und kompakt für die Wundärzte seiner Zeit dar. So finden sich darin von der Salerner Hochschule ausgehende, für die Schulmedizin des Mittelalters und der frühen Neuzeit grundlegende Aussagen aus den Werken von z.B. Hippokrates (um 400 v. Chr.), Rhazes († 925), Constantinus Africanus (11. Jahrhundert), den Verfassern des Macer floridus (11. Jahrhundert), Roger Frugardi (12. Jahrhundert), Gilbertus Anglicus (um 1240) oder Gilles de Corbeil († 1242).

Bemerkenswert ist, dass Ortolf seinen medizinisch-chirurgischen „Leitfaden“ [3] in deutscher Sprache verfasste, und das zu einer Zeit, als die Sprache der Wissenschaft beinahe ausnahmslos das Lateinische war. Das „Arzneibuch“ Ortolfs von Baierland setzte sich dennoch gegenüber anderen derartigen Werken durch. Es wurde ab etwa 1400 in hunderten von Handschriften (z.B. M.ch.f. 79 in der Würzburger Universitätsbibliothek) und später auch Drucken (z.B. 1477 durch Anton Koberger in Nürnberg) publiziert und war bis in die Neuzeit hinein eines der meistgelesenen Fachbücher. Ortolfs Werk wurde aus dem Deutschen in verschiedene europäische Sprachen übersetzt und teilweise sogar ins Lateinische „rückübersetzt“. Wie andere Autoren medizinischer Fachliteratur des 15. und 16. Jahrhunderts bedient sich auch der am 29. September 1548 in Würzburg gestorbene „Chirologe“ Walther Hermann Ryff [4] in seinen medizinischen Veröffentlichungen der Texte des „Dr. Ortolf“. Im laienärztlichen Bereich wurde das Lehr- und Handbuch Ortolfs bis ins 17. Jahrhundert angewendet.

Einer der ersten Wissenschaftler, die auf Ortolf aufmerksam gemacht haben war 1839 Friedrich Anton Leopold Reuss, der 1840 Würzburgs erster Professor für Deutsche Philologie wurde und die Handschriften und Wiegendrucke der Universitätsbibliothek erstmals katalogisierte. [5]

Quellen

  • Gundolf Keil: Ortolf von Baierland (von Würzburg). Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 605 f. (Digitalisat).
  • Gundolf Keil: Ortolf von Baierland. in: Enzyklopädie Medizingeschichte, hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, S. 1079 f.
  • Hans Dünninger: Wo stand das Haus des Mag<isters> Ortolf, „arzet in Wirzeburc“?, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 9 (1991), S. 125-131.
  • Mittelalterliche Heilkunst. Das Arzneibuch Ortolfs von Baierland (um 1300), eingeleitet, übersetzt und mit einem drogenkundlichen Anhang versehen von Ortrun Riha, Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2014 (= DWV-Schriften zur Medizingeschichte, 15).

Weblinks

Einzelnachweise und Hinweise

  1. Informationen zur Bezeichnung „Wundarzt“ bei Wikipedia [1].
  2. Günter Kallinich und Karin Figala: „Ortolf von Baierland“, ein Beweis seiner Existenz, Sudhoffs Archiv 51 (1967), S. 184-187
  3. Karlheinz Bartels: Die Würzburger Pharmakopöen, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 25 (2006), S. 75-112, S. 78 f.
  4. Franz J. Bendel: Kirche und Kloster zu St. Stephan in Würzburg als Begräbnisstätte, Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 52 (1910), S. 159-179, S. 171
  5. Bernhard Schnell: Ein Würzburger Fragment des 'Iatromathematischen Hausbuchs'. Ein Beitrag zu dessen Überlieferungsgeschichte, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 5 (1987), S. 123-141, S. 125
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