Ignatz Wertheimer

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Ignatz Wertheimer (* 1797 möglicherweise in Prichsenstadt; † 15. November 1859 in Würzburg) war Optiker und Gründer der heutigen Firma Kresinsky.

Vorgeschichte

Die Familie Wertheimer ist erstmals für das Jahr 1798 in Prichsenstadt dokumentiert. Die Conscriptionstabelle der immediat-Juden in der Stadt Prichsenstadt vom Jahr 1798 bezeugt in der Rubrik „Toleranzjuden“ unter der laufenden Nr. 9 und für das Wohnhaus 120 einen Bewohner mit dem Namen „Lippmann Wolf“ von Fürstenforst, 50 Jahre alt. Er ist verheiratet mit „Mehrlein“ von Mainstockheim, 36 Jahre alt. Im Haus leben sechs Kinder, unter anderem die Zwillinge Ignatz Hirsch und Meyer Löw, ½ Jahr alt.

Ab wann sich die Familie „Wertheimer“ nannte, ist nicht nachzuweisen. Dass die Familie sich später den Namen „Wertheimer“ gab, wirft die Frage nach ihrer Herkunft auf: Bis 1814 gehörten Würzburg und auch Prichsenstadt nicht zum Königreich Bayern. Prichsenstadt unterstand bis 1803 dem fränkischen Teil Brandenburg-Preußens und fiel dann an Würzburg. Das ehemals fürstbischöfliche Würzburg war 1806 Großherzogtum geworden. So führte die Territorialstaatlichkeit des zerfallenen Deutschen Reiches seit 1803 dazu, dass für die bayerischen, die Würzburger und die Prichsenstädter Juden unterschiedliche Bestimmungen galten bis zur endgültigen Vereinigung der Gebiete mit dem Königreich Bayern im Jahre 1814. Das bayerische Judenedikt von 1813 sollte nach dieser Vereinigung auch überall in Bayern umgesetzt werden, was allerdings in sehr unterschiedlichem Tempo geschah.

In jedem Ort mit Juden war eine Höchstzahl von Matrikelstellen festgeschrieben. Über eine Normzahl hinaus waren Ausnahmen möglich, „wenn ein Antragsteller für eine neu zu schaffende Matrikelstelle beabsichtigte, eine Manufaktur oder Fabrik zu errichten, wenn er ein ordentliches Handwerk bei einem zünftigen, d.h. bis zu diesem Zeitpunkt bei einem christlichen Meister erlernt und das Meisterrecht erworben hatte. Solche Voraussetzungen waren jedoch für Juden in dieser Zeit kaum zu erfüllen. So war der Matrikelparagraf auch ein Mittel, die Zahl der jüdischen Bewohner in einer Gemeinde begrenzt zu halten. Da sich jedoch andererseits die städtischen Behörden von der zusätzlichen Ansiedlung von Juden höhere Gewerbeeinnahmen versprechen konnten, wurde der Matrikelparagraf durch die Erteilung von temporären Aufenthaltsbewilligungen häufig umgangen, was z.B. in Würzburg zu einem Anstieg der jüdischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert führte.

Bei der Anfertigung der Matrikellisten in den einzelnen Gemeinden – etwa ab Beginn des 19. Jahrhunderts – mussten seit dem oben erwähnten Judenedikt von 1813 die Juden auch einen Familiennamen angeben, der einen klaren Nachvollzug von verwandtschaftlichen Verhältnissen ermöglichte. Im Allgemeinen hatten die Juden die Möglichkeit, sich ihren Namen frei auszuwählen. Das war jedoch in Würzburg nur mit Einschränkungen erlaubt, wollten sich doch vor allem adlige Familien aus den Ritterschaften nicht unliebsamer Verwechslung aussetzen – so auch das Geschlecht Löwenstein-Wertheim. Demnach hätte die Prichsenstädter Familie des Lippmann Wolf nicht Wertheimer heißen dürfen. So ist zu vermuten, dass sie sich diesen Namen in der Zeit gegeben hat, als Prichsenstadt nicht zum Großherzogtum Würzburg gehörte, also zwischen 1805 und 1810.

Nach Inkrafttreten des Judenedikts im Untermainkreis suchten die Zwillinge Ignatz und Meyer 1827/28 in Prichsenstadt, wo sie aufgewachsen waren, um das Heimatrecht nach. Das bayerische Heimatrecht zu besitzen war Grundvoraussetzung dafür, sich in Zukunft eventuell in Würzburg niederlassen zu können. Würzburg war immer noch sehr restriktiv, was die Aufnahme von Juden betraf. Um überhaupt nur temporär in der Stadt geduldet zu sein, wurde vom Stadtmagistrat eine Aufenthaltsbewilligung nur auf Ruf und Widerruf gewährt und musste in bestimmten Zeitabständen bei der Polizeibehörde erneuert werden. Der Ankauf eigener Häuser in der Stadt war nicht erlaubt. Zudem mussten die Antragsteller das Heimatrecht in einem anderen Ort besitzen, der sich im Notfall um seine Bürger zu kümmern hatte. So haben sich, um ein Aufenthaltsrecht in Würzburg zu erhalten, viele Juden um Heimatrechte in den ringsum liegenden Dörfern und kleinen Städten bemüht, um von hier aus in Würzburg ihren Geschäften nachgehen zu können.

Alle Juden, die Würzburg besuchten bzw. hier temporären Aufenthalt hatten, unterlagen dem Protokollierungszwang, d.h. dass in den Polizeiakten Name, Beruf, Ankunft in Würzburg, Aufenthaltsort und manchmal auch Zweck des Aufenthalts festgehalten wurden.

Leben und Wirken

Ähnlich wie sein Zwillingsbruder Meyer Wertheimer versuchte er als wandernder Händler mit optischen Gläsern den Lebensunterhalt für sich und seine Geschwister zu sichern. Auch er machte in Erlangen eine Ausbildung für die Anfertigung von optischen Gläsern.

Am 24. November 1822 wurde Meyer zum ersten Mal in Würzburg registriert und im März 1823 noch einmal. Am 4. November 1823 erfolgte eine weitere Registrierung, dann aber mit seinem Bruder Ignatz. Dass Meyer Wertheimer ab 1828, dem Jahr seiner Ansässigmachung in Prichsenstadt, bereits dauerhaft in Würzburg lebte, ist aus einem Wohnungsverzeichnis aus Prichsenstadt aus dem Jahr 1838 zu schließen; hier steht hinter einem Eintrag: „wohnen seit 10 Jahren zu Würzburg“. Er ist gemeinsam mit seinem Bruder Ignatz aufgeführt, der immer wieder in Würzburg auftaucht, aber dann durch seine Heirat am 26. Dezember 1833 mit Leo Schloss aus Veitshöchheim dort die Ansässigkeit und das Heimatrecht erwarb. [1] Dadurch war ihm jedoch für die Zukunft die Chance verbaut, in Würzburg ein temporäres Aufenthaltsrecht zu erwerben, um das er 1833 erstmals nachsuchte mit dem Hinweis auf seinen Bruder Meyer, der ja auch in diesen Genuss gekommen war. Außerdem berief er sich auf ein Recht zum freien Aufenthalt im Königreich Bayern. Seine Bewerbung wurde jedoch mit dem Hinweis auf fehlende Zeugnisse und auf seine jüdische Religionszugehörigkeit abgelehnt. Letztere stellte ihn rechtlich nicht mit Christen gleich. Gegen diesen Bescheid legte Ignatz Wertheimer erfolglos Berufung ein, die ins Ministerium des Innern weitergeleitet wurde. [2]

Ein weiterer Versuch von Ignatz Wertheimer, in Würzburg sozusagen einen Fuß in die Tür zu bekommen, war ebenfalls zum Scheitern verurteilt: Er stellte den Antrag auf eine Genehmigung, in Würzburg eine Niederlage – wohl ein Warenlager – einrichten zu dürfen, da Veitshöchheim zu klein für einen ausreichenden Absatz seiner Ware sei. Das wurde ihm vom Stadtmagistrat zunächst nicht gestattet, da er nicht so viele Waren habe, dass er sie auf den Jahresmessen absetzen könne. Ein Einspruch gegen diesen Bescheid war erfolgreich; die Regierung des Untermainkreises verfügte, dass die Niederlage genehmigt werden müsse. [3] Allerdings wurde es Ignatz nicht gestattet, in dieser Niederlage zu übernachten, was er in Hinblick auf die Tatsache beantragte, dass er gesundheitlich nicht in der Lage sei, in den kalten Wintermonaten täglich den weiten Hin- und Rückweg zwischen Veitshöchheim und Würzburg zu bewältigen. Zum Beweis legte er ein ärztliches Attest vor. Außerdem beklagte Ignatz Wertheimer die hohen Kosten für die doppelte Haushaltsführung. Auch diese Auseinandersetzung zog sich über Monate hin: Vom ersten Antrag der Niederlage bis zur endgültigen Erlaubnis des temporären Aufenthalts in Würzburg, die von der königlichen Regierung, Kammer des Innern, angeordnet wurde, vergingen vier Jahre. 1838 durfte sich Ignatz Wertheimer temporär in Würzburg niederlassen; die Erlaubnis war auf sechs Jahre begrenzt.

Am 15. November 1859 starb Ignatz Wertheimer in Würzburg. Der Eintrag seines Todes, der auch die Todesursache benennt, gibt dem Arzt, der seinerzeit das Gesundheitsattest ausgestellt hatte, nachträglich recht: Ignatz Wertheimer starb an erbrochenem schwarzen Blut, also einer Magenerkrankung.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Ursula Parr: Familie Wertheimer. In: Blätter für fränkische Familienkunde 43 (2020), S. 127 ff. ISBN: 978-3-929865-83-7

Danksagung

Wir danken insbesondere Herrn Dr. Riccardo Altieri vom Johanna-Stahl-Zentrum für die freundliche Unterstützung.

Einzelnachweise

  1. Im Würzburger Meldebogen jüngerer Reihe ist seine Heimatberechtigung in Veitshöchheim festgehalten.
  2. Zum Vorgang der temporären Ansässigmachung: Stadtarchiv Würzburg – MA – Magistratsakten (Akten ab ca. 1814 bis 1945), Nr. 52b
  3. Stadtarchiv Würzburg: Rückseite seines Würzburger Meldebogen jüngerer Reihe.
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