Werner Heyde

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Prof. Dr. Werner Heyde, alias Dr. Fritz Sawade, (* 25. April 1902 in Forst/Lausitz; † 13. Februar 1964 in Butzbach/Hessen) war Professor für Psychiatrie und Neurologie an der Universität Würzburg, Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik Würzburg und von 1940 bis 1941 Leiter der medizinischen Abteilung in der sogenannten „Euthanasie-Zentrale“.

Leben und Wirken

Heyde, der Sohn eines Tuchfabrikanten, machte 1920 in Cottbus das Abitur und studierte danach Medizin in Berlin, Freiburg, Marburg, Rostock und an der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, wo er 1925 promovierte. Während und nach dem Ersten Weltkrieg war er als Kriegsfreiwilliger und Angehöriger eines Freikorps in Estland militärisch aktiv. In Würzburg, wo er von 1926 an als Assistent und und auch Forschungsstipendiat an der Psychiatrischen Klinik tätig war, habilitierte er sich 1932 mit „Untersuchungen über Gehirnfermente“ und wurde im August 1932 Privatdozent für Psychiatrie und Neurologie an der Universität Würzburg.

Parteipolitische Laufbahn

1933 wurde Heyde Mitglied der NSDAP und von Oktober 1934 bis Mai 1936 war er führender Mitarbeiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP in Würzburg, zuletzt (ab 1935) als Kreisamtsleiter. Parallel dazu entschied er als Beisitzer im Erbgesundheitsgericht über Anträge der Polizeibehörden auf Zwangssterilisationen. Zum 1. Juni 1936 trat er als Hauptsturmführer der SS bei und dann der Sanitätsabteilung der SS-Totenkopfverbände zugeteilt. Er wurde Leiter der SS-Lazarettabteilung in der Würzburger Universitäts-Nervenklinik und baute die „Überprüfung der Erbgesundheit” der KZ-Häftlinge auf.

Professor in Würzburg

Heyde wurde am 5. April 1939 zum außerordentlichen Professor ernannt. Mit Wirkung zum 1. Dezember 1939 wurde er - laut Jobst Böning [1] gegen den Willen der Medizinischen Fakultät - seinem Lehrer Martin Reichardt (Schwiegersohn seines Vorgängers Konrad Rieger) nachfolgend als ordentlicher Professor und Direktor auf den Lehrstuhl für Psychiatrie und Neurologie berufen und behielt diesen bis Kriegsende. Werner Heyde war an der Vorbereitung der Ermordung von Geisteskranken und Behinderten, der „Aktion T4“ ("Erwachseneneuthanasie") [2], beteiligt, wobei er als sogenannter Obergutachter und (ab Sommer 1940) als Leiter der Tarnorganisation tätig war. Im März 1941 wurde die „Aktion T4“ auch auf KZ-Häftlinge ausgeweitet und erhielt die Tarnbezeichnung „14 f 13“. Heyde war hierbei insbesondere in den Konzentrationslagern Dachau un Sachsenhausen „gutachterlich“ tätig. Als im August 1941 die Ermordungen von Heilanstaltsinsassen eingestellt wurden, hielten die Massenvernichtungen im Rahmen der „Sonderbehandlung 14 f 13“ jedoch weiter an.

Nachkriegszeit

Am 28. Mai 1945 wurde Heyde vom britischen Militär interniert und am 26. Juli 1945 [3] offiziell seines Amtes erhoben. Während der Internierung lernte Heyde mehrere Personen kennen, die ihm später beim Untertauchen in Schleswig-Holstein behilflich waren. Am 13. Februar 1947 wurde Heyde der deutschen Justiz überstellt, nachdem das Landgericht Frankfurt am Main Haftbefehl gegen ihn erlassen hatte. Allerdings gelang ihm im Juli 1947 - nach Abschluss der Nürnberger Ärzteprozesse - die Flucht aus der Haft und das Untertauchen unter dem falschem Namen Fritz Sawade als Landarbeiter und Gärtner in Mönkeberg bei Kiel. Ende 1949 erhielt er unter seinem Decknamen Dr. Fritz Sawade eine Anstellung als Sportarzt an der Landessportschule in Flensburg. Ab Oktober 1951 war er für das Schleswiger Oberversicherungsamt gutachterlich tätig, brachte es damit „zu einem gewissen Wohlstand“ [4] und wurde, obgleich so manche Persönlichkeiten in Schleswig-Holstein wussten, um wen es sich wirklich handelte, erst am 12. November 1959 erneut verhaftet nachdem er sich bei der Frankfurter Oberstaatsanwaltschaft gestellt hatte. Vorausgegangen war eine Aufforderung des zuständigen Gesundheitsamtes an „Sawade“, eine Approbationsurkunde vorzulegen sowie die Großfahndung nach Werner Heyde. Einer Hauptverhandlung im Strafprozess entzog sich Heyde durch Erhängen im Zuchthaus Butzbach.

Erinnerung

  • Unter dem Titel „Die Affäre Heyde-Sawade“ wurde die Geschichte Heydes 1963 in der DDR verfilmt.
  • 1965 stellte der Maler Gerhard Richter die Verhaftung Heydes in einem Ölgemälde dar.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Henry Friedlander: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung. Berlin Verlag, Berlin, 2002. ISBN: 3-8270-0265-6
  • Ernst Klee (Hrsg.): Dokumente zur „Euthanasie“. Fischer, Frankfurt am Main, 1985. ISBN: 3-596-24327-0
  • Ernst Klee: Was sie taten – Was sie wurden. Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-596-24364-5
  • Werner E. Gerabek: Heyde, Werner, in: Enzyklopädie Medizingeschichte, hrsg. von Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner, Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, S. 592 f.
  • Klaus-Detlev Godau-Schüttke: Die Heyde/Sawade-Affäre. Wie Juristen und Mediziner den NS-Euthanasieprofessor Heyde nach 1945 deckten und straflos blieben. Baden-Baden 1998

Weblinks

Hinweise und Einzelnachweise

  1. Von Reichardt bis Beckmann: Würzburger Psychiatrie im 20. Jahrhundert, in: Tempora mutantur et nos? Festschrift für Dr. Walter M. Brod zum 95. Geburtstag, hrsg. von Andreas Mettenleiter, Akamedon, Pfaffenhofen 2007 (= Aus Würzburgs Stadt- und Universitätsgeschichte, 2), S. 413-419, S. 413
  2. Informationen über die Aktion T4 bei Wikipedia [1]
  3. Kai Sammet: Rezension zu „Alma Kreuter: Deutschssprachige Neurologen und Psychiater. [...]. 3 Bände, K. G. Sauer, New Providence, London und Paris 1996“. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 19 (2000), S. 580-585; S. 583
  4. Werner E. Gerabek, a.a.O., S. 594
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