Papstenhof (Holzkirchen)
Der Papstenhof war ein landwirtschaftliches Anwesen im ehemaligen Wirtschaftshof des Klosters in Holzkirchen.
Geschichte
Nicht nur in Rom, sondern auch hier bei uns gab es einen Papst. Die Familie Papst, die in Holzkirchen so viele Ländereien zu bewirtschaften hatte, dass dort Knechte und Mägde und viele Leute vom Ort zugange waren.
Im Papstenhof stand oben am Waldesrand ein altes Forsthaus mit einer großen Freitreppe, an der man beidseitig hochlaufen konnte. Wenn man die große Tür passiert hatte, musste man noch einmal eine Treppe hochlaufen, um in die Zimmer zu kommen. Die Treppen waren deshalb so hoch, weil früher im Gewölbekeller Kartoffel lagerten.
Im Forsthaus wohnte früher ein Förster, der sich „Baron von Wiedersberg“ nannte. Sehr oft ging er mit seinem Gesinde auf die Jagd. Mit dabei war oftmals ein alter Knabe oder Kauz, der sich Borrlein nannte und auch im Forsthaus nächtigte. Gleich neben dem Forsthaus stand eine Gerätehalle oder eine „Bulldoghalle“ wie sie im Volksmund hieß. Im Anschluss an die Gerätehalle stand der lange Konventbau mit einem beidseitigen kleinen Treppenaufgang.
Wer damals im Obergeschoss den langen Flur betrat, war sehr erstaunt, denn über den Türen, die alle nummeriert waren, hing ein Gehörn oder Geweih von Tieren von mir damals unbekannten Tieren, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Hier oben wohnten damals die Hausherren samt Personal. Wenn man im angebauten Turm die ausgetretene Wendeltreppe runterging, konnte man dort gleich in die Küche gehen, in der früher die Frau Gutbrot ihr strenges Regiment führte. Nicht bei allen, die in der Küche mit der Zubereitung des Essens beschäftigt waren, war sie beliebt.
Oben in der „Bulldoghalle“ konnte man früher einen alten Lanz [1] mit langem Auspuffrohr bewundern. Dieses alte Unikum brauchte keine Luftpumpe, denn der Lanz hatte zwei große Eisenreifen, die auf den Wegen und im Flur Spuren hinterließen, die jeder im Ort kannte. So wusste jeder sofort, wo der Papst unterwegs war.
Zu der Zeit, in der viele Familien wegen der Landwirtschaft zwei Kühe hatten, mussten diese zum Besamen zum Papstenhof gebracht werden, weil dort der Bulle sein Domizil hatte und zur Besamung ein Stand in der Bulldoghalle eingerichtet war. Sehr oft saß die ganze Rasselband von Kindern am Treppenlauf nebenan, um zuzuschauen, was jetzt wohl passiert, aber der Ferdinand, der den Bullen betreute, trieb uns immer wieder fort. Als es wieder einmal soweit war, saßen ich auf der Treppe, als Ferdinand den Bullen zur Halle führte. Der Bulle hatte zwischen den Nasenlöchern einen Ring, an dem hatte Ferdinand einen Führungsstock eingeklinkt und führte ihn zur Halle. Er war nicht mehr weit von uns weg, als der Bulle plötzlich stehen blieb, kräftig seinen Kopf schüttelte, schnaufend auf den Boden schaute und plötzlich frei war: Durch das Schütteln hatte sich der Nasenring ausgeklinkt. Dann stürmte der Bulle mit aufgestelltem Schwanz über den Hof, rannte durch die Scheune, an der beide Tore offen standen, durch den Garten auf die ehemalige abgesperrte Einfahrt zu, die mit Holzgattern gesichert war, überrannte dieses Absperrgatter, dass er nur so splitterte, und stürmte mit einem Satz in die Freiheit. Auf der Straße angekommen, drehte er sich um und stürzte ins Dorf. Später wurde er bei Scheiner friedlich grasend wieder eingefangen. Zum Zuschauen hatten wir an diesem Tag die Nase voll, so dass wir uns ängstlich nach Hause aufgemacht haben.
Einstens waren am Aalbach, wo das Wasserhäuschen stand, und auf dem Gelände die Pferde eingezäunt waren, Bohnen angebaut, die nach der Reife geerntet werden mussten. Da alle Männer noch im Krieg waren, mussten wir Kinder zum Pflücken ran. Jeder hatte einen großen Sack, in den die Bohnen gepflückt wurden und den wir bei zunehmendem Gewicht auf dem Boden nachgezogen, was uns viel Kraft gekostet hat. Die Bohnensäcke, die wir beschrifteten, wurden dann vom Klosterpersonal abgeholt, gewogen und nach Gewicht bezahlt. Jede Mark, die wir damals bekamen, machte uns glücklich und die Mütter konnten die Unterstützung im Haushalt gut gebrauchen. Trotzdem – es war sauer verdientes Geld.
Genauso ging es uns am „oberen Stück“. Die Erbsen, die dort angebaut du schon überreif waren, wurden von uns Kindern mühevoll eingesammelt. Einmal, als die Sonne besonders heiß runterknallte, trugen wir das ganze Erbsenkraut, das noch nicht abgeerntet war, haufenweise in den angrenzenden Wald, um die Schoten dann bei kühlendem Schatten zu pflücken. Das Geld, das viele Kinder nach der Schule sich verdienten, konnte jeder Haushalt gut gebrauchen.
Weil der Papst auf seinen Feldern einmal so viel Frucht angebaut hatte, dass die Scheunen das Stroh nicht fassen konnten, wurde diese zum Teil im Freien auf einem Acker aufgeschichtet. Das Stroh, das haushoch aufgesetzt war, animierte uns Kinder, dort zu spielen und Höhlen zu bauen. Dabei stellten wir fest, dass dort überall Mäuse rumliefen, denn hob man ein Strohbündel hoch, rannten bestimmt immer 2-3 Mäuse davon. Deshalb war es für uns Kinder ein Sport, möglichst viele davon einzufangen, was uns auch gelang, denn wir brachten es einmal auf 92 Mäuse.
Eine Abwechslung ganz anderer Art hatten dort alle Schulkinder. Der Papst hat auf dem sehr großen Acker, auf dem zuvor das Stroh saß, im folgenden Jahr Kartoffeln angebaut. Weil in den Kriegszeiten die Amis, laut Aussage vieler Ortsbürger, dort angeblich kartonweise Kartoffelkäfer abgeworfen haben sollen, um die deutsche Wirtschaft zu ruinieren, war der ganze Acker mit Kartoffelkäfern, die bisher keiner von uns kannte, verseucht. Die Schüler, die ein Glas dabei hatten, gingen dann mit dem Lehrer ins Kartoffelfeld, um in mühevoller Arbeit die Schädlinge einzufangen. Der Geruch von den gelb gewordenen Fingern geht mir bis heute nicht aus der Nase. Das Positive an diesem Tag war, dass wir schulfrei hatten und uns in der Natur bewegen konnten. Während des Krieges spielten wir auch mit Dingen, von denen uns damals noch nicht bewusst war, wie gefährlich sie waren.
Im Papstenhof brannte in der Mitte vom Hof ein Feuer, dessen Rauchentwicklung uns Kinder anlockte. Weil überall, wo man auch herumlief, Waffen, Munition oder auch uns bekannte Dinge rumlagen, kamen die großen Jungs auf die Idee, die angeblichen Waffen ins Feuer zu werfen. Man sagte uns damals, dass es dann einen großen Knall gäbe. Von Weitem warfen wir dann die Dinger, die einen langen Stiel und Eisenköpfe hatten, in das Feuer. Zwei blieben am Rand liegen, aber eins von den Dingern flog mitten ins Feuer. Man sollte dann schnell um die Ecke rennen, weil es gleich laut knallen würde, sagten die Großen zu uns. Wir warteten dann hinter der Garage lange auf den großen Knall, der aber nicht erfolgte. Später hörten wir von alten Leuten, dass die Dinger, die wir ins Feuer geworfen hatten, Panzerfäuste gewesen seien und wir unglaublich großes Glück gehabt hätten, dass sie nicht explodiert seien. Vielleicht war das Feuer nicht heiß genug. Auf jeden Fall müssen dankbar sein, dass nichts passiert ist.
In der Scheune, in der nach dem Ausbau die Neumänner wohnten, sprangen wir oft von den Balken mit Purzelbäumen ins Stroh und bauten uns dort Gänge und Höhlen. Als dann die Landessiedlung die Siedlerstellen eingeteilt hatten, zogen die Neumänner in die umgebaute Scheune und die Familie Süssner in das alte Forsthaus ein und der ehemalige Papstenhof wurde wieder mit Leben erfüllt.
Siehe auch
Quellen und Literatur
- Berthold Kohrmann: Der Papstenhof. In: Holzkirchner gschichtli ... wie es früher einmal war. Hrsg.: Seniorenclub 60+ und Gemeinde Holzkirchen, 2020, S. 44-47. [2]
Erläuterungen und Hinweise
- ↑ Lanz Bulldog war die Verkaufsbezeichnung für Ackerschlepper, die die 1956 von John Deere übernommene Heinrich Lanz AG in Mannheim von 1921 bis 1957 herstellte. Durch diese Traktoren prägte sich der Name Bulldog in Teilen Deutschlands als umgangssprachlicher Gattungsname für einen Ackerschlepper. Weitere Informationen bei Wikipedia [1].
- ↑ Das Buch „Holzkirchner gschichtli ... wie es früher einmal war.“ kann im Büro des Bürgermeisters käuflich erworben werden.