Odeon

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Inschrift des ehemaligen Varietés
„Gruß aus dem Odeontheater Würzburg“ (1903)

Das Odeon in der Augustinerstraße 18 ist ein traditionsreiches Haus. Im Folgenden finden sich Informationen über die wechselvolle Geschichte seit der Eröffnung als Odeon Varieté-Theater im Jahr 1897.

Odeon Varieté

Nachdem die Augustinerstraße, die zuvor an der engsten Stelle ganze drei Meter breit war, im Jahre 1896 gehörig erweitert worden war, um die Straßenbahn zweigleisig betreiben zu können, entstand das Haus Augustinerstraße 18. Aus der neubarocken Fassade trat ein kräftiger Erker, der mit einer Zwiebelhaube aus Schiefer gekrönt war. Er war der „witzigste“ neubarocke Erker der Stadt: mit flügelspreizendem Adler am 2. Stock und einer koketten Dachzwiebel, die aussah, als wäre sie, wie früher Damenroben, mit raffiniert verteiltem Fischbein ausgesteift.

1897 eröffnete hier das Odeon als Varieté-Bühne. Besitzer und Direktor war Hans Hammerbacher, ein schwerer schnautzbärtiger Mann, die nie anders als in braunen oder schwarzen Gehröcken gesichtet wurde.

Den Namen Odeon hatte man sich von der antiken Stätte für musikalische oder deklamatorische Aufführungen entnommen, wie etwa dem „Odeion“ des Herodes Atticus in Athen. [1]

Für Hans Hammerbacher galt nur die leichte und unterhaltende Muse etwas, die aber nur bis 22 Uhr walten durfte, um die Besucher nicht um ihren Schlaf zu bringen. Damit auch Familien und ältere Bürger nicht um den Kunstgenuss kamen, wurde am Sonntag eine Nachmittagsvorstellung ab 14 Uhr vor die Abendvorstellung gelegt, die um 18 Uhr begann.

Nach dem frühen Tod von Hans Hammerbacher 1910 führte seine Witwe Therese Hammerbacher das Unternehmen mit Hilfe ihres artistischen Direktors Carl Drexler weiter. Damals bezeichnete sich das Odeon noch als „Einziges erstklassiges Familien-Varieté am Platze. Beliebtestes Vergnügungs-Etablissement der Würzburger Gesellschaft.“ [2]

An der Rückseite des Gebäudes (zur Rittergasse) ist davon noch eine Inschriftstafel verblieben. Das Haus genoss überregional einen exzellenten Ruf und wurde zu Kaiser Wilhelms Zeiten zu den besten Varietébühnen Deutschlands gezählt. Krieg und Inflation setzten dem Odeon zu, da kam 1923 der Film als Retter.

Odeon-Lichtspieltheater (O-Li)

Nach einem Umbau begann ab dem 22. Dezember 1923 der Betrieb als Odeon-Lichtspieltheater, abgekürzt „O-Li“. [3] Betreiber des neuen Kinos war der gebürtige Unterfranke Kommerzienrat Ludwig Scheer. Sein damaliger Schritt zur Unternehmensgründung stellt zur Zeit der Weimarer Republik eine große Ausnahme in der Würzburger Kinogeschichte dar und war für derartige Unternehmungen in ungewissen Zeiten ein großes Risiko. Eröffnungsfilm war „Der Weg zu Gott“, ein Bauerndrama in 5 Akten. Auch wenn in der Kinowelt bald Hollywood in all seinen Facetten Einzug halten sollte, hatte sich Ludwig Scheer auch in der Programmauswahl seiner Heimat Bayern verschrieben. Das „O-Li“ umfasste 3 Kinosäle mit ca. 320 Plätzen und entwickelte sich prächtig. Nach einer zweimonatigen Umbauphase eröffnete das Kino am 16. September 1933 den erneuerten Saal mit 554 Sitzplätzen und zeigte ab 5. Dezember ganze zwei Wochen lang den Film „King Kong und die weiße Frau“. Zusätzlich befand sich im Haus die „Münchner Weißbierstube“.

Während der NS-Herrschaft wandte sich Scheer stets gegen die Verbreitung der NS-Filmpropaganda. Scheer war auch Mitinhaber und Geschäftsführer der Reichsligafilm GmbH, die diverse Filme unter jüdischer Leitung und mit jüdischen Schauspielern produzierte. Das zog ihm den Hass der Nazis zu, die ihn zunehmend unterdrückten. Die einzige Möglichkeit seine Restexistenz zu retten, bestand im Beitritt zur NSDAP. Dass auch dieser Schritt dem Kommerzienrat innerhalb der Partei nicht weiter als Abneigung einbrachte, wurde im Entnazifizierungsverfahren nach 1945 als Beweis für seine antifaschistische Gesinnung gewertet. [4]

Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 wurde das Haus schwer beschädigt. Der Besitzer des Anwesens, Carl Drexler, war jahrelang stummer Teilhaber des Kinobetriebes unter der Leitung von Ludwig Scheer. Drexler hatte sich bereits 1947 an die Stadtverwaltung gewandt mit dem Bestreben, das sich seit 1897 im Familienbesitz befindliche Unternehmen wieder aufzubauen. Aus einem Schreiben an die Stadtverwaltung vom 3. März 1947 geht hervor, dass er das Anwesen nicht nur als Lichtspielhaus nutzen wollte, sondern an ein Mehrzweck-Unternehmen dachte. [5] Letztendlich entschloss sich Drexler dann aber einen Kinosaal mit 570 Sitzplätzen zu errichten und ihn künftig selbst zu betreiben.

Am 25. Dezember 1949 konnte das Lichtspieltheater wieder öffnen - zeitgleich mit der Neueröffnung des Corso Kino Centers. Im Odeon fand die Erstaufführung von „Vom Winde verweht“ in Würzburg statt. Am 22. Dezember 1950 eröffnete Ludwig Scheer sein neues Kino in der Juliuspromenade, das Bavaria-Film-Theater.

Carl Drexler gab sein Geschäft am 16. Februar 1970 aus unbekannten Gründen auf.

Historische Abbildungen

Disco Odeon-2000

Vom 3. Mai 1970 bis 1982 wurde im Odeon die Disco „Odeon 2000“ betrieben.

Odeon-Kino

Seit Mitte der 1970er Jahre versuchten die Kinobetreiber sowohl Programmvielfalt als auch eine intime Atmosphäre zu bieten, vor allem aber eine möglichst hohe Auslastung der Sitzkapazitäten zu erreichen. Die Kinos wurden zu „Schachtelkinos“ mit mehreren kleinen Kinosälen in einem Gebäude umgebaut.

Am 5. Februar 1982 wurde der Kinobetrieb im Odeon unter der Geschäftsleitung von Lothar Michel (Corso-Lichtspiele GmbH) wieder aufgenommen. Drei Säle mit bequemen Polstersesseln boten Platz für 168 (Odeon 1), 68 (Odeon 2) bzw. 48 Zuschauer (Odeon 3). Neuerung war, dass Naschen und Trinken im Saal erlaubt war. Auch das Rauchen war gestattet. Für die Frischluft sorgte eine zugluftfreie Be- und Entlüftungsanlage. Dem Sitzkomfort diente ein Reihenabstand von 1,2 Meter. Fortschrittlich für damalige Verhältnisse war auch die barrierefreie Konzeption der Säle 2 und 3. Gezeigt wurden vor allem Hollywood-Produktionen. Der Saal 3 im Erdgeschoss war „Filmen für Erwachsene“ (Pornos) vorbehalten und hatte rund um die Uhr geöffnet. Am 30. April 2003 wurde der letzte Film im Odeon-Kino gezeigt.

Die heutige Odeon Lounge

Odeon Lounge

Der Immobilienmakler Rudolf Singer mietete mit seinem Partner daraufhin das Gebäude an und ließ es in einen Club mit Bar umbauen. Gemeinsam mit dem Gastronomen Berthold Krieger und dem Immobilienmakler Rene Werner betrieb er die Odeon Lounge von 2006 bis 2016.

Anschließend wurde der Betrieb von dem Investor Frank Knüpfing übernommen. Von vielen Ideen inspiriert und dem Mut auch Neues zu wagen führt er seitdem die Odeon Lounge. Der Eingangsbereich der Odeon-Lounge erinnert selbst heute noch an die Zeiten des Varietés. Ein imposanter Treppenaufgang, hohe Decken und eine stilvolle Bar prägen den ersten Eindruck. Geht man dann weiter in den eigentlichen Club, warten gemütliche Lounges, eine große Rundbar und eine weit ausgedehnte Tanzfläche auf die Gäste. Ein besonderer Blickfang ist die exklusive Champagner-Bar mit ihren ausgewählten High-Class Produkten. Mit viel Liebe zum Detail und handwerklichem Können zaubern die Barkeeper die Drinks und auch die DJs fühlen sich hier wohl – von Jan Delay, über Harris bis hin zu internationalen Acts wie DJ Angelo oder DJ A-Train. Dank des weiten gefächerten Programms, das von 90er Partys bis zu Hip-Hop Abenden einlädt, ist für jeden Geschmack und jede Altersklasse etwas dabei. Für besondere Anlässe wird auch der ehemalige große Kinosaal im ersten Obergeschoss geöffnet, der zum Eventraum umgebaut wurde.

Siehe auch

Quellen und Literatur

Weblinks

Erläuterungen und Einzelnachweise

  1. Das Odeon (lateinisch odeum, griechisch ᾠδεῖον), auch Odeion, war in der Antike ein Gebäude, das für Aufführungen und Wettkämpfe in Gesang und Instrumentalmusik sowie für Rezitationsvorträge und Ratsversammlungen genutzt wurde. Nähere Informationen bei Wikipedia [1]
  2. Programmanzeige im Würzburger General-Anzeiger vom 31. Oktober 1910
  3. Das „O-Li“ war damals das 5. Lichtspieltheater in Würzburg und in den 1930er Jahren das zweitgrößte Tonfilm-Theater in der Stadt.
  4. Margit Maier: Das Geschäft mit den Träumen. Kinokultur in Würzburg. Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2009, S. 78 f.
  5. Stadtarchiv Würzburg

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