Pogrom-Nacht in Würzburg

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Die „Novemberpogrome von 1938“ waren vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Verfolgungs- und Gewaltmaßnahmen gegen Juden im gesamten Deutschen Reich. Auch in Würzburg fanden in der Nacht vom 9. auf den 10. November gewalttätige Ausschreitungen und Zerstörungen statt, die von den NSDAP-Ortsgruppen organisiert und von SA- und SS-Angehörigen massiv unterstützt wurden.

Hintergrund

Die Nachricht des Todes des deutschen Legationssekretärs von Rath durch einen jüdischen Attentäter in Paris diente dem nationalsozialistischen Regime und seinen Untergliederungen als Vorwand, massive Ausschreitungen und Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung im ganzen deutschen Reich zu organisieren bzw. die Menschen zu entsprechenden Gewalttaten aufzurufen. In der Öffentlichkeit wurden die Aktionen als „spontane Kundgebungen“ dargestellt, in welchen sich „die tiefe Empörung des deutschen Volkes Luft machte". [1] Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde beschönigend auch als „(Reichs-)Kristallnacht“ bezeichnet. Bei den Aktionen wurden Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe zerstört. Insgesamt wurden vom 7. bis 13. November 1938 etwa 400 Menschen ermordet oder in den Selbstmord getrieben.

Ausschreitungen in Würzburg

In Würzburg wurden die Ausschreitungen hauptsächlich durch den NSDAP-Kreisleiter Xaver Knaup organisiert. Nach einer nächtlichen Sitzung im Gestapo-Gebäude bestellte er die Ortsgruppenleiter zum Befehlsempfang ein. Sie sollten alle Kräfte ihrer Gruppen für Aktionen gegen jüdische Geschäfte und Wohnungen mobilisieren. Seine Einschränkung, dass Plünderungen und Gewalttätigkeiten zu vermeiden seien, wurde nur in einzelnen Ortsgruppen beachtet. Deutlich verstärkt wurden die Gewalttaten durch Angehörige der SA und SS, welche von ihren Führern entsprechende Befehle erhalten hatten.

Insbesondere von den Zerstörungen betroffen waren jüdische Geschäfte und Kaufhäuser in der Semmelstraße, Eichhornstraße, Schönbornstraße, Domstraße und am Kürschnerhof. Auslagen und Bestände wurden zertrümmert. SS und SA zerstörten u.a. die komplette Einrichtung und die Fenster der Hauptsynagoge in der Domerschulstraße. Nur die dichte Bebauung, welche ein Übergreifen der Flammen auf andere Bauwerke gefördert hätte, hielt sie vom Legen eines Feuers ab. In Heidingsfeld allerdings fiel die Synagoge in dieser Nacht den Flammen zum Opfer.

In Zusammenhang mit dem gewalttätigen Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerung in dieser Nacht stehen vier Todesfälle in Würzburg. Der Weinhändler Ernst Lebermann verstarb nachdem man ihn unter Leitung des Ortsguppenführers Martin Neff brutal aus dem Haus in der Scheffelstraße gezerrt und misshandelt hatte. Er wurde noch in der Nacht auf die Polizeiwache verschleppt und von dort ins Landgerichtsgefängnis gebracht, wo er einen Schlaganfall erlitt. Auch eine Überstellung ins Israelitische Krankenhaus konnte sein Leben nicht mehr retten. Im Zusammenhang mit den nächtlichen Ereignissen, die gravierend in die persönlichen Bereiche der Betroffenen wirkten, stehen auch die Selbstmorde von Frau Friedmann, Frau Katzmann und Klara Rosenthal.

Literatur

  • Dieter W. Rockenmaier: Das Dritte Reich und Würzburg. Versuch einer Bestandsaufnahme. Richterdruck und Echter, 4. Auflage, Würzburg 1993.
  • Roland Flade: Der Novemberpogrom von 1938 in Unterfranken, Schriften des Stadtarchivs Würzburg, H. 6, 1988 ( Darstellung der Ereignisse vom 9. bis 11. November 1938 )
  • Herbert Schultheis: Juden in Mainfranken 1933-1945 unter besonderer Berücksichti­gung der Deportationen Würzburger Juden (Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Frankens. Bd. 1). Verlag Max Rötter, Bad Neustadt a. d. Saale 1980.
  • Herbert Schultheis (Hrsg.): Die Reichskristallnacht in Deutschland nach Augenzeugen­berichten (Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Frankens. Bd. 3). Rötter Druck und Verlag GmbH, Bad Neustadt a. d. Saale 1986.
  • Herbert Schultheis: Honorige Brandstifter. S. 18 - 26, in: Kristallnacht in Bayern. Ju­denpogrom am 9. November 1938. Eine Dokumentation. Hrsg. von Friedrich Kraft (Sonn­tagsblatt-Taschenbuch). Claudius Verlag, München 1988.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pressebericht nach den Ausschreitungen in Würzburg. Quelle: Rockenmaier: Das Dritte Reich und Würzburg. 4. Auflage 1993. S. 118
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