Deckenfresko im Treppenhaus der Residenz

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Treppenhaus der Residenz mit dem Deckenfresko von Tiepolo

Das Deckenfresko Tiepolos im Haupttreppenhaus der Würzburger Residenz (Pläne von Balthasar Neumann) ist das größte zusammenhängende Decken-Fresko der Welt von fast 700 m².

Geschichte

Es wurde 1752 und 1753 von Giovanni Battista Tiepolo aus Venedig, dem berühmtesten Freskenmaler seiner Zeit, sowie dessen Söhnen – insbesondere Giovanni Domenico Tiepolo – und weiteren Helfern gemalt. Ein Titel durch den Künstler oder den Auftraggeber ist nicht gesichert, jedoch wird das Gesamtbild auch als "Allegorie von Himmel und Erde, Verherrlichung des Würzburger Fürstbischofs Carl Philipp von Greiffenclau mit den vier Erdteilen" bezeichnet.

Eine Ölskizze für den Fürstbischof vom April 1752, so zu sagen die Auftragsgrundlage, befindet sich heute im New Yorker Metropolitan Museum. Tiepolo erhielt für das Werk die stattlichen Summe von 15.000 Gulden, das entsprach dem 13fachen Jahresgehalt vom fest angestellten Balthasar Neumann.

Das Treppenhaus

Im Treppenhaus führt eine dreiläufige Treppe mit Ruhe- und Wendepodesten vom damals offenen Erdgeschoss mit der Kutscheneinfahrt in das Hauptgeschoss. Das Treppenhaus ist mit korinthischen Kolossalpilastern und einem mächtigen Gesims gegliedert, über dem das 19 x 32 m weite Muldengewölbe, der Malgrund, ruht. Im Obergeschoss gibt es um diese Treppen herum einen breiten Umlauf. Von dort konnten Ankommende in Ruhe betrachtet werden. Umgekehrt aus der Sicht der Person, die die Treppe herauflief oder in einer Sänfte getragen wurde, wirkten die dort Herumstehenden schon wie ein Teil des Deckengemäldes, das so einen lebendigen Vordergrund erhielt. Die Ballustraden wurden später mit einem Figurenprogramm dekoriert.

Thema

Deckenfresko von Tiepolo im Treppenhaus der Residenz

Die Verherrlichung des Hausherrn, des Fürstbischofs, durch die (damals bekannten) vier Kontinente. Der geistliche Fürst Karl Philipp von Greiffenclau zu Vollrads schwebt in einem Medaillon über der Figur Europa als Bewahrer und Förderer der Künste. Er wird von der ganzen Welt gefeiert, die durch vier Frauengestalten (= Kontinente), auf für ihren Kontinent typischen Tieren reitend, symbolisiert werden.

Im Zentrum des Bildes wird Apoll, umgeben von der antiken Götterwelt, über den vier Erdteilen im Himmelsgewölbe dargestellt.

Als Stellvertreter der Künste sind Balthasar Neumann (Architektur), Antonio Giuseppe Bossi (Bildhauer/Stuckateur) und Tiepolo (Malerei) unter ferner liefen selbst auch im Bild vertreten: Neumann auf einer Kanone reitend, eine Anspielung auf seinen ersten Beruf und seine offizielle Stellung als Oberst der Artillerie des fränkischen Kreises[1]. Danach Bossi mit seinem Handwerkszeug zu Füßen über dem rechten Aufgang, sowie zuletzt Tiepolo im Eck zwischen Afrika und Europa, als Beobachter der Künstlerkollegen mit rotem Mantel und weißem Schal gekleidet.

Hinter Balthasar Neumann sind Musikanten aktiv, unter denen der Hofkomponist und Geiger Giovanni Benedetto Platti und seine Frau, die Sängerin Theresa Platti vermutet werden dürfen. [2]

Die Wände sind zurückhaltend weiß in frühklassizistischen Formen stuckiert. So wirkt dieser Raum nicht überladen, lenkt die Betrachter nicht ab und lässt das Deckenfresko bestmöglich zur Geltung kommen.

Europa

Europa erscheint in der Gestalt des Würzburger Hofs. Kircheninsignien und einer Weltkugel, die weiter ergänzt wird, zeigt sie als Herrscherin über die Welt. Der Hof wird als Hort der Künste und der wissenschaftlichen Studien dargestellt.

America

Eine barbusige Indianerin sitzt, mit buntem Federschmuck auf dem Kopf, als Allegorie für den neu entdeckten Kontinent Amerika auf einem riesigen Krokodil und ruft zur Jagd. Um sie herum eine tanzende, blutgierige Gesellschaft, die abgeschlagene Köpfe weißer Männer zu ihren Füßen liegen hat. [3]

Africa

Inmitten eines Markttreibens liegt träge die nackte Africa auf einem Dromedar, umgeben von Schwarzen, Orientalen und Europäern; demütig überbringt ihr ein Krieger Geschenke. Ein Affe geht einem Strauß ans Federkleid.

Asia

Die Asia reitet bekleidet auf einem prächtig geschmückten Elefanten. Es gibt Hinweise auf Asien als Geburtsstätte von Schrift und Wissenschaft. Ein Papagei fliegt aus dem Bild heraus.

Die Zentralgruppe

Vom Himmel steigt der Sonnengott Apoll, der Beschützer der Künste, in einer Strahlenglorie herab. Andere sagen, dass er eher als ein Sonnengott aufzufassen sei, der seinen Tageslauf beginnt. Eilfertige Putten und Horen schirren seinen Sonnenwagen ein. Europa, die der Besucher erst über den Türen zum Saal erblickt, nachdem er sich auf dem Wendepodest umgedreht hat, präsentiert der Fama - sie steht hier als Verkörperung des Ruhms - ein Medaillon mit dem Porträt des Auftraggebers. Und Fama kündigt es mit einem Trompetenstoß den Göttern. Zwischen dem Bildnis des Fürstbischofs und Apollon schwebt Merkur, der Götterbote.

Der große Treppenhausleuchter

Durch den Brand und die Kriegsereignisse 1945 ging ein von Materno Bossi um 1775 gestalteter großer Leuchter im Treppenhaus verloren. Er trug ca. 30 bis 50 Kerzen in drei versetzten Etagen. Sein Aussehen ist durch diverse Aufnahmen gut dokumentiert.

Unterkonstruktion und Maltechnik

Das Muldengewölbe im Haupttreppenhaus ist aus Ziegel und Kalktuff gemauert. Es wurde nach Fertigstellung des Rohbaus (1743) mit einer ersten Schicht aus Kalkmörtel verputzt. Der Grobputz wurde in Wurftechnik Kelle für Kelle auf den vorgenässten Unterputz aufgetragen und grob abgezogen. Auf diesen zweilagigen Grundputz (arriccio) konnten nach dem Trocknen vermutlich Hilfslinien, Raster oder evtl vom Entwurf skizzenhafte Konturierungen der vorbereiteten Einzeldarstellungen übertragen werden werden. So entdeckten 1948 die Restauratoren unter einer abgefallenen Fläche des Feinputzes Teile eines aufgezeichneten Quadrierungsnetzes. Zur Konstruktion des Gerüsts, der Beleuchtung und genauen Abläufe der Gewerke für das riesige Gemälde sind keinerlei Überlieferungen bekannt. Vermutlich waren kleine mobile Gerüsteinheiten in Form einfacher Podeste, Bockleitern oder Bockgerüste zum Erreichen aller Gewölbeflächen über einem 2 bis 3 m tieferen Grundgerüst verwendet worden, um sich den kontrollierenden Blick nicht zu verstellen. Eine vollständige Einrüstung des Treppenhauses, die für den Arbeitsablauf eigentlich vorteilhaft gewesen wäre, gab es deshalb vermutlich nicht.

Als Tiepolo nach seinen Arbeiten im Kaisersaal an dieses Fresko ging, wurde üblicherweise von oben nach unten tagwerksweise (218 Giornate) Feinputz (intonaco) aufgezogen und jeweils sofort bemalt. Es handelt sich also um eine Mischtechnik aus Fresko- und Seccomalerei. Dazu wird der Mörtel vom Verputzer aufgezogen, also mittels leicht angekippter Kelle (auch Putzhobel) gleichmäßig auf den Rauhputz gebracht und angedückt (verdichtet). Dann wird der Entwurf auf einem Karton mit Nägeln auf dem Putz befestigt und die Vorzeichnung in den halbfeuchten Feinputz durchgedrückt. Davon finden sich an verschiedenen Stellen die Spuren. Diese Schicht wird bemalt und kann dann nur noch durch pastose Kalkmalerei überdeckt oder verfeinert werden.

Geschichte

  • 1750: Im Dezember Ankunft der Familie Tiepolo in Würzburg.
  • 1752/1753: Gestaltung des Fresko im Treppenhaus. Im November kehrt die Familie Tiepolo nach Venedig zurück.
  • 1765: Stuckierung der Wände des Treppenhauses durch Ludovico Bossi. Dabei Zusetzen der oberen Rundfenster auf der Westseite.
  • 1805: Einige Deckengemälden in der Residenz werden restauriert, ob die Fresken Tiepolos davon betroffen waren, ist unklar.
  • 1896: Ein Brand im Nordtrakt der Residenz greift auf das Dach des Kaisersaals über, verschont jedoch das Dach vom Treppenhaus.
  • 1919: Drängen auf Behebung von Schäden am Treppenhausfresko durch Max Doerner (Akademie der Bildenden Künste München).
  • 1920/1921: Aufstellung eines Gerüstes an die Ostseite des Treppenhauses „bei der Kamelgruppe“ und Begutachtung der Schäden. (G. Hager an Krongutverwaltung v. 14.10.1921).
  • 1923: Zwei seitliche Lüftungslöcher werden in den Gewölbescheitel des Treppenhauses eingefügt.
  • 1929: An der kleinen ursprünglichen Mittelöffnung des Gewölbes im Treppenhaus (Seil des Kronleuchters) wird ein herausgefallenes Putzstück ersetzt.
  • 1944: Fotodokumentation Carl Lamb. Sie zeigt bereits partiell erhebliche Ansammlungen von Schimmelpilzen. Zudem sind Versalzungs- und Reinigungsspuren erkennbar.
  • 1945: Durch den Luftangriff am 16. März werden auch alle Dächer zerstört. Die Hitzeentwicklung führt zur Bildung von Brandkalk auf der Oberfläche des Tuffgewölbes über dem Treppenhaus sowie zu „Abspaltungen des Putzes in größeren Flächen“ (O. Hertwig, 1952, S.57).
  • Mit dem später eindringenden Regenwasser dringt gelöschter Brandkalk als Kalkhydrat in das Gewölbe und führt partiell zu „Verglasungen“ des Freskos. Zeltplanen, ab dem Sommer Notdächer.
  • In den Erdteildarstellungen des Treppenhauses kam es zu Ablösungen der Farbhaut. Nachkriegsaufnahmen belegen die erhebliche Schwärzung der Oberfläche. Max Hermann von Freeden erinnerte sich an schlauchartige Pilzkörper, die in dieser Zeit herabhingen und das Gemälde zunehmend verunklärten (M. Staschull, 1996, S.290).
  • 1947: Dr. Stois vom Doernerinstitut und Restaurator Karl Tutschek untersuchen im Mai den Südteil des Freskos im Treppenhaus. (Gutachten vom 4.8.1947).
  • 1948/1949: Aufsetzen eines Stahldachstuhls und Dachdeckung über dem Treppenhaus.
  • 1948/49: Restaurierung des Treppenhausfreskos durch Johann Drobek und den wiederhergestellten Ludwig Gramberger. (Darstellung bei O. Hertwig, 1952, S. 59f ).
  • 1951: Farbproben zur Wandfassung im Treppenhaus werden aufgebracht; Abschluss der Restaurierungs- und Rekonstruktionsarbeiten im Fresko- und Stuckbereich des Kaisersaals; erstes Mozartfest nach dem Krieg.
  • 1960er Jahre: Neuerliche Schäden treten am Treppenhausfresko zu Tage.
  • 1966/1968: Voruntersuchungen, Farbmuster und Neufassung der Wände des Treppenhauses. Salzschäden an der Afrikadarstellung werden behandelt.
  • 1995: Umfangreiche Schadensdokumentation und Probenentnahme für mikrobiologische Untersuchungen, Pigment-, Bindemittel-, Salz- und Putzanalysen sowie Notfestigung extrem absturzgefährdeter Putzstellen und Farbschollen am Treppenhausfresko; Anlegen verschiedener Festigungsmuster. Fachkolloquium zum weiteren Vorgehen.
  • 1997/1998: Umfangreiche Schadensdokumentation und Probenentnahme für Pigment-, Bindemittel-, Salz- und Putzanalysen sowie Notfestigung absturzgefährdeter Stuckstellen im Kaisersaal.
  • 2002: Genehmigung im Landeshaushalt, Wiederaufstellung des verbesserten Brückengerüstes von 1995, weitere Voruntersuchungen
  • April 2003: Offizieller Beginn der jüngsten Restaurierungsmaßnahmen am Treppenhausfresko.

Restaurierung 2003 bis 2006

Die Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen waren sehr komplex. Zum einen gab es sichtbare Schäden wie Ausblühungen durch Salze, Schimmelpilze oder von schädlichen Festigungsmitteln früherer Restaurierungen. Bildbereiche mit gelockerten Malschichten sowie zahlreichen Rissen und Hohlstellen im Putz mussten möglichst dauerhaft stabilisiert werden.

Besonders die unteren Bereiche des Gemäldes mit den Erdteildarstellungen waren davon betroffen. Aber auch in der Himmelsdarstellung gab es als Folge des undichten Dachs Stellen mit erheblichen Salzausblühungen. So lösten sich vom Bildauftrag ganze Schollen oder Blasen von der Secco-Malschicht. Neben Schäden durch Tauben gab es vermutlich Folgen durch Schroteinschüsse.

Stabilität

Der Legende nach wurde Balthasar Neumanns Deckenkonstruktion des Treppenhauses wegen ihrer Größe von zeitgenössischen Architekten sehr kritisch beäugt; ein Kollege Neumanns wettete darauf, dass das Gewölbe nach Abnahme des Baugerüsts einstürzen würde. Die Gegenwette Neumanns soll ein Angebot gewesen sein, Kanonen im Vestibül abzufeuern – es werde der Druckwelle schon standhalten. Auch wenn diese Wetten nicht eingelöst wurden, so zeigte sich die Stabilität des Gewölbes beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945, bei der es diesen Druckwellen und dem Gewicht des darauf stürzenden Dachstuhls Stand hielt.

Zerstörung der Stadt und Rettung der Fresken

Nach der Einnahme der Stadt 1945 sorgte der amerikanische Offizier John D. Skilton für die provisorische Abdeckung des berühmten Freskos im Treppenhaus. Bis September 1945 war ein Notdach anstelle des abgebrannten Dachstuhls errichtet. Das Notdach schützte vor allem die Fresken Tiepolos im Treppenhaus und Kaisersaal sowie die Stuckdekoration von Bossi im Weißen Saal und das Mauerwerk vor einer weiteren Durchfeuchtung, die im nächsten Winter die restliche Zerstörung nach der Bombardierung herbeigeführt hätten.

Siehe auch

  • Hofkirche (andere Werke Tiepolos in Würzburg)

Literatur

  • Werner Helmberger, Matthias Staschull: Tiepolos Welt. Bayerische Schlösserverwaltung, München, 2006. ISBN: 978-3-932982-73-6
  • Keith Christiansen: Giovanni Battista Tiepolo (1696–1770). In Heilbrunn Timeline of Art History. New York: The Metropolitan Museum of Art, 2000 – online, October 2003, engl.)
  • Keith Christiansen (Hrsg.): Giambattista Tiepolo, 1696–1770. Exhibition catalogue. New York: Metropolitan Museum of Art, 1996 (engl.)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rudolf Endres, Der Fränkische Reichskreis, Hefte zur Bayerischen Geschichte, Bd.29, Haus der Bayerischen Geschichte, 2003, S.14
  2. Klaus Hinrich Stahmer: Musik in der Residenz. Würzburger Hofmusik, Stürtz-Verlag, Würzburg 1983, S. 43
  3. Die Epoche des europäische Kolonialismus begann Ende des 15. Jahrhunderts. Erst seit der Mitte des 15. Jahrhunderts befuhren europäische Segelschiffe die sieben Weltmeere. Die neuen Kolonialmächte wollten Kolonien aber nicht „einfach“ nur ausbeuten, sondern sie auch missionieren, sie christianisieren. Vielleicht war das aber auch nur ein Vorwand für die Art der damaligen Geschäftsanbahnung.
    Zum Hintergrund: Kolonialismus und Imperialismus von 1450 bis 1950" von Benedikt Stuchtey (bei www.ieg-ego.eu)

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