Gasthof zum Hirschen

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Begriffsklärung.png Informationen über den gleichnamigen Hotelbetrieb finden sich unter Hotelgasthof zum Hirschen (Lengfeld).

Haus zum Hirschen (2014)
Haus zum Hirschen (zwischen 1945 und 1952)
Haus zum Hirschen (zwischen 1937 und 1945)
Gasthof zum Hirschen (um 1937)
Gasthof zum Hirschen (vor 1921)
Gast- und Kaffeehaus zum Hirschen (1897)

Der Gasthof zum Hirschen ist ein von Balthasar Neumann in den Jahren 1726 bis 1727 errichteter Mansarddachbau mit Eckpilastern. [1] Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 zerstört, wurde das Haus 1952 wiedererbaut.

Geschichte des Hofes zur Sturmglocke

Zunächst stand auf dem Areal das Haus beim Gottweiligen, als späterer Teil des Hofes zur Sturmglocke am ehemaligen Schuh- und Ledermarkt. Bis zum Erwerb des Grafeneckart im Jahre 1316 hielt der Rat der Stadt seine Versammlungen laut Lorenz Fries Die Würzburger Bischofs-Chronik im „Hof zur Sturmglocke” ab [2], an dessen Stelle im 18. Jahrhundert der „Gasthof zum Hirschen” errichtet wurde. In dem Hof war eine Glocke aufgehängt, welche die Bürger zu den Zusammenkünften und auch bei außergewöhnlichen Anlässen zusammenläutete. Diese Glocke gab dem Hof seinen Namen. Da die Bürger bei ihren häufigen Empörungen und Fehden die Glocke auch als „Signal des Aufruhrs” gebrauchten, wurden in dem im Jahre 1296 zwischen ihnen und dem Bischof Manegold von Neuenburg abgeschlossenen „Sühnungsvertrag” die Abschaffung dieser Glocke zur Bedingung gemacht. Der Name „Sturmglocke” hat sich über Jahrhunderte hinweg erhalten.

Geschichte des Hofes zum Hirschen

1720 hatte Balthasar Neumann den Plan, die kleineren Häuser am Fuße der Alten Mainbrücke und den Hauptwachturm auf der Brücke abbrechen zu lassen um so den Blick auf den Dom zu öffnen. Vor allem der Turm war aus städtebaulichen Erwägungen heraus ein optisches Hindernis für eine repräsentative Hauptstraße und die Schaffung der großen Ost-West-Achse, die die links- und rechtsmainischen Zentren Würzburgs, Festung und Dom, miteinander verbinden sollte.

Ziel war es, nicht nur Platz zu schaffen, sondern den gewonnenen Raum auch nach städtebaulichen Gesetzen zu gestalten. Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn, den Balthasar Neumann stets über den Fortgang unterrichtete, drängte auf den baldigen Abbruch der Häuser und erließ im Juni 1722 ein Dekret, wonach damit sofort zu beginnen war. [3] Er wollte, neben dem Neubau der Residenz, eine Umgestaltung der bürgerlichen Stadt. Bis zu seiner Regierung im Jahre 1719 baute man nach Willkür und ohne Rücksicht auf die Symmetrie der Stockwerke, Fenster, Dächer und Straßen. Daher erließ der Fürstbischof am 22. August 1722 ein Baumandat, welches für Plan und Ordnung im Bauwesen der Stadt Würzburg sorgte. Danach durfte ab sofort niemand mehr willkürlich bauen, sondern musste sein Bauvorhaben einer Baukommission vorlegen. Erst nach deren Genehmigung durfte mit dem Bau begonnen werden. Für den Fall, dass jemand einen sehr ansehnlichen Bau mit geschmackvollem Portal, zierlichen Fenstern, Gesimsen und dergleichen von Bildhauerarbeit aufführen würde, sicherte die Baukommission noch größere Begünstigung zu und versprach, dass bei solchem Privat-Bauwesen selbst die fürstlichen Bau- und Werkmeister mit ihren Ratschlägen Hand anlegen sollten.

Im April 1722 trat die Baukommission unter Teilnahme Neumanns zusammen, um über die Entfernung der Häuser auf der Brückenauffahrt – dem heutigen Platz Beim Grafeneckart, auf dem der Vierröhrenbrunnen steht – zu beraten, jedoch bereitete die Abfindung der Hausbesitzer größte Schwierigkeiten. Nach endlosen Verhandlungen einigte man sich: eine Hälfte der Summe übernahm der Rat der Stadt, die andere der Fürstbischof.

Nach der Freilegung des Platzes erklärte sich der Hirschenwirt Christoph Bechtold bereit, zu bauen, allerdings zog sich der Baubeginn noch bis 1726 hin. Bechtold ließ der Baukommission durch Neumann ausrichten, dass er vom Fundament auf neu bauen und einen „rechtschaffenen” Bau errichten lassen wolle, wenn ihm das Umgeld [4] aufgrund seiner Kapitalaufnahmen für den Neubau erlassen werde. Am 8. März 1726 legte Balthasar Neumann der Baukommission einen Entwurf für das neu zu bauende Haus des Hirschenwirts vor. Nachdem auch der Fürstbischof eingewilligt hatte und dem Hirschenwirt zugesagt wurde, ihn für einen Zeitraum von 10 Jahren die „Getränkesteuern“ zu erlassen, wurde mit dem Neubau nach den Plänen von Balthasar Neumann begonnen; im Februar 1727 war der Rohbau vollendet.

Der „Gasthof zum Hirschen“ war eines der schönsten bürgerlichen Häuser Würzburgs. Mit relativ eingeschränkten Mitteln hatte Balthasar Neumann es verstanden dem Platz einen repräsentativen Abschluss zu geben.

Baubeschreibung

Die Fassade des Mansarddachbau ist aus drei gleichhohen Geschossen aufgebaut, die ursprünglich unter sich gleich waren. Im Gegensatz zum heutigen Gebäude, hatte das Erdgeschoss ebenfalls Fenster. Die beiden Obergeschosse werden durch Eckpilaster begrenzt. Die Fassade zum Rathaus und die Seite zur Augustinerstraße sind nicht mehr unabhängig voneinander, sondern ineinander übergehende Außenmauern eines umbauten Raumes.

Nach der Zerstörung am 16. März 1945 wurde der Bau bereits 1946 bis zum ersten Stock wiederaufgebaut und erhielt beim kompletten Wiederaufbau im Jahre 1952 seine alte Gestalt wieder. Auf den Bau der heutigen Arkaden hatte der Stadtrat beim Wiederaufbau 1952 bestanden.

Siehe auch

Heutige Nutzung

Der ehemalige Gasthof wurde nach dem Krieg erst durch die Dresdner Bank genutzt, nach deren Fusion 2008 mit der Commerzbank zog diese von der Domstraße 38 hierher.

Quellen und Literatur

Einzelnachweise und Erklärungen

  1. Ein Pilaster (von lateinisch pila ‚Pfeiler‘ ) ist ein pfeilerartiges Formelement der Architektur. Siehe auch Erklärung bei Wikipedia [1].
  2. Ob der Rat vor dem Erwerb des Grafeneckart im Jahre 1316 im „Hof zur Sturmglocke” untergebracht war, kann bis heute nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Winfried Schich lehnt in seinem Buch Würzburg im Mittelalter (Köln/Wien 1977, S. 175 f.) die Nachricht des Chronisten Lorenz Fries mit dem Hinweis ab, dass der Hof seit 1276 im Besitz des Klosters Ebrach gewesen sei, und demzufolge in dieser Zeit nicht als Versammlungsort der Bürgerschaft gedient haben könne. Für die Jahre vor 1276, in denen der Hof sich zuletzt in der Hand des Ministerialen Rudolf von der Eisernhosen befand, ist Schich allerdings von einer Verwendung der „Sturmglocke” für kommunale Zwecke überzeugt, jedoch nur als Versammlungsgebäude von Ministerialen. Hermann Hoffmann, Wo stand früher das Würzburger Rathaus?, in: Würzburg heute 15 (1973) S. 56-61, hält es dagegen für möglich, dass nach dem Verkauf der „area” an das Kloster Ebrach innerhalb des Hofgeländes ein Teil des Baues als Rathaus genutzt worden sein könnte.
  3. Stadtarchiv Würzburg, Ratsprotokolle 9. III. 1722., 8. VI. 1722
  4. Das Umgeld war eine seit dem 13. Jahrhundert erhobene Verbrauchssteuer, seit dem 16. Jahrhundert eine Abgabe auf den Getränkeausschank. Siehe auch Erklärung bei Wikipedia [2].

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